Oralchirurgie 14.11.2014

Punktgenaue Schmerzausschaltung: ein Plus für Patient und Behandler



Punktgenaue Schmerzausschaltung: ein Plus für Patient und Behandler

Bereits minimale Mengen eines Anästhetikums reichen aus, um mit Biofeedject® eine sichere intragingivale und intradesmodontale Analgesie zu erreichen. Eine automatische Drucksteuerung ist das Prinzip des seit Anfang 2013 erhältlichen Injektionsgeräts. Dieser Artikel beschreibt das Wirkprinzip, zeigt verschiedene Einsatzszenarien auf und gibt Tipps für den praktischen Einsatz.

Rezeptorenanästhesie (RA)

Bei der RA mittels Biofeedject® wird im Gegensatz zur klassischen Infiltrations- und Leitungsanästhesie kein Depot gespritzt, sondern nur die notwendige minimale Menge eines Anästhetikums direkt und lokal begrenzt in das zu behandelnde Gewebe injiziert.

Physiologie

Die RA blockiert nur die Nozizeptoren (freie Nervenendigungen sensibler Neuronen) in der unmittelbaren Nähe des Applikationsortes. Somit beschränkt sich die Schmerzausschaltung auf den zu behandelnden Bereich. Die RA wirkt auf die nervale Versorgung der Gingiva bzw. Mukosa und des Periosts. Da Knochengewebe keine Schmerzrezeptoren besitzt, reicht die Anästhesie von Gingiva, Mukosa oder Periost für fast alle Arten der zahnmedizinischen Behandlungen in der Implantologie, Parodontologie sowie bei chirurgischen Eingriffen aus.

Vermeidung von Verletzungen

Die Propriosensibilität, der Schutzmechanismus der vor Verletzungen beim Essen und Kauen schützt und einen antizipierten Schmerz frühzeitig meldet, bleibt außer im anästhesierten Therapiegebiet stets intakt. Dadurch werden Nervenverletzungen minimiert. Die Verletzungsgefahr durch Instrumente während der Behandlung und postoperative Selbstverletzungen bei noch andauernder Anästhesie sind ausgeschlossen.

Risikominimierung und Behandlung ohne Wartezeit

Durch die Begrenzung auf das Therapiegebiet reduziert sich die Dosis des Anästhesiemittels deutlich. Sie wird auch bei ausgedehnten Behandlungen, die klassisch nicht oder nur zweizeitig durchgeführt werden können, wie z.B. Weisheitszahn-Extraktion aller vier Zähne in einer Sitzung, nicht überschritten. Selbst bei Schwangeren und Patienten mit Kreislaufproblemen bereiten die minimalen Dosen keine Probleme. Aufgrund der Begrenzung diffundiert das Anästhetikum nicht wie bei der Leitungsanästhesie über Gefäße in den Kreislauf. Die lokal anästhesierende Wirkung setzt sofort ein. Anästhesieversager wie bei der klassischen Anästhesie (ca. 20 Prozent) sind bei der RA ausgeschlossen. Der Patient empfindet kein Taubheitsgefühl. Die Behandlung kann sofort beginnen.

Indikation für den klinischen Einsatz der RA

Prinzipiell lassen sich mittels Biofeedject® alle zahnmedizinischen Standardeingriffe durchführen. Dabei werden nur die unmittelbar betroffenen Rezeptoren im Behandlungsgebiet blockiert: es reicht aus, Gingiva bzw. Mukosa, Periost oder Desmodontalapparat zu anästhesieren. Nachfolgend eine Übersicht der möglichen Indikationen.

Anästhesie von Gingiva und/oder befestigter Mukosa:

  • chirurgische Eingriffe
  • PA und Konkremententfernung
  • Implantation
  • Osteotomie, Knochenentnahme
  • Zahnfleischaufklappung bei Implantation
  • Sinuslift
  • Zahnfleischstanzung bei Implantation
  • Bone Splitting

RA mit Biofeedject® in der Praxis

Vorbereitung und Grundsätzliches

Gewebestrukturen sind unterschiedlich durchlässig. Im Mundbereich variiert die Permeabilität zwischen 5 und 25 Bar. Bei der manuellen, klassischen Anästhesie hat der ZA keine Information über die Gewebedurchlässigkeit. Aufgrund dessen kommt es häufig zu Injektionsschmerzen und einem unangenehmen Druckgefühl beim Anlegen des Anästhesiemitteldepots. Biofeedject® besitzt eine Anzeige, die jederzeit den an der Injektions nadel anliegenden Druck anzeigt. Der Injektionsdruck muss langsam aufgebaut werden, um eine direkte Diffusion ins Gewebe und damit sofortige Blockierung der Rezeptoren zu ermöglichen. Wenn man den Taster behutsam drückt, wird die taktile Rückmeldung sofort spürbar; diese sollte neben der Druckanzeige immer als zusätzliche Kontrolle dienen. Biofeedject® beginnt mit der Injektion, sobald der automatische Druckausgleich hergestellt ist. Dieser wird bei der RA nach ca. 0,5 bis zwei Sekunden erreicht, die Injektionsdauer beträgt je nach zu anästhesierendem Bereich zwischen ein und drei Sekunden. Die Injektion selbst kann und soll dabei im Sichtfenster kontrolliert werden.

Die empfohlene Nadel, das empfohlene Anästhetikum

Als Anästhetikum eignen sich alle in der Zahnheilkunde gebräuchlichen Mittel. Mit ausreichend dünnen Nadeln können Einstichschmerzen soweit reduziert werden, dass selbst Kinder und Angstpatienten die Injektion akzeptieren. Eine gerade 20G/0,2-mm-Injektionsnadel von 10 mm Länge ist empfehlenswert.

Platzierung der Nadel

Ganz entscheidend für eine RA ist, dass die Injektionsnadel korrekt gesetzt wird: In der Gingiva wird sie mittig im Gewebe ohne direkten Kontakt zum Periost platziert, da es sonst zu Depotbildung und evtl. Staueffekten kommt. Direkt nach der Injektion erkennt man ein Anämischwerden des anästhesierten Bereichs. Mit der Behandlung kann sofort begonnen werden.

Die intradesmodontale (oder intraligamentäre) Anästhesie (IDA)

Die halbautomatische Applikation mittels Biofeedject® in den Desmodontalspalt entspricht der bekannten intraligamentären Anästhesie, jedoch ohne die bekannten Nachteile. „Ein großer Vorteil ist, dass es kaum zu iatrogenen Beeinträchtigungen kommt, da man sich voll auf das Setzen der Anästhesie konzentrieren kann und nicht wie bei anderen Systemen dauernd hantieren muss, z.B. beim Aufbauen des notwendigen Drucks.“ (Dr. med. dent. M. Rezazadeh, Konservierende ZHK, Uniklinik RWTH Aachen.) Das in den Desmodontalspalt gepresste Anästhetikum blockiert die Reizweiterleitung nur am Apex des jeweiligen Zahnes: Dass es sich hierbei nicht um eine intraossäre, sondern ausschließlich um eine intradesmodontale Anästhesie handelt, zeigt die Sensibilitätskontrolle am Nachbarzahn. Die minimal dosierbare Injektion mittels Biofeedject® beschränkt sich auf die Blockade des Einzelzahns.

Intradesmodontale Anästhesie mit Biofeedject® in der Praxis

Bei der IDA ist es wichtig, dass die Nadel in den Desmodontalspalt eingeführt wird. Für Anfänger ist es nicht immer einfach, den Spalt sicher zu finden und zu treffen, da die Spaltbreiten stark variieren. Der Bereich zwischen der harten Zahnsubstanz und dem Knochen ist deutlich weicher. Dieses Gebiet gilt es zu „treffen“, was nach einiger Übung gut gelingt. Ist man unsicher, ob die Nadel korrekt im Desmodontalspalt liegt, testet man an anderer Stelle in der direkten Nachbarschaft (siehe Querschnitt Abb. 8). Für den Patienten sind diese „Übungen“ nicht schmerzhaft!

Tipp: Bitten Sie den Patienten, während der Injektion einen leichten Gegendruck auszuüben, was für ihn gleichzeitig weniger Schmerz bedeutet. Sobald man den Taster am Biofeedject®-Gerät behutsam betätigt, baut sich der Druck langsam auf. Bei korrekt platzierter Nadel sollte die Druckanzeige auf maximal steigen und drei Striche anzeigen. Ein Druckausgleich wird bei der IDA nach ca. einer bis eineinhalb Sekunden erreicht, die Injektionsdauer selbst beträgt ca. sechs bis zehn Sekunden. Bei der IDA-Anwendung reicht i.d.R. eine Injektion je Wurzel.

Tipps für Anfänger – wie beginnen?

Man sollte Biofeedject® nur für die beschriebene Anwendung der RA und IDA und nicht als „Universalspritze“ auch für die klassische Anästhesie benutzen! Die Rezeptorenanästhesie (RA) gelingt immer und erfordert keinerlei Übung. Mit der RA ohne Übung möglich:

  • Extraktion ohne und mit Inzision
  • Kinderzahnheilkunde (Extraktion Milchzahn)
  • Osteotomie
  • PA und Konkremententfernung
  • Implantation ohne und mit Knochenentnahme
  • Sinuslift

In Kombination mit IDA möglich (hier sind etwas Übung und Erfahrung nötig):

  • Konservierende und Kinder-ZHK mit Füllungen und Wurzelbehandlungen
  • Weisheitszahnextraktion
  • Wurzelspitzenresektion
  • Prothetik

Indikation für den klinischen Einsatz der intradesmodontalen Anästhesie

  • Konservierende ZHK
  • Prothetik
  • Kinderzahnheilkunde

Indikation für den klinischen Einsatz der RA in Kombination mit intradesmodontaler Anästhesie

  • Extraktion (v.a. wenn inzidiert werden muss)
  • Weisheitszahnextraktion (nicht immer zusätzliche IDA notwendig)
  • Wurzelspitzenresektion
  • Osteotomie

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