Endodontologie 08.11.2016
Verfahrensfehler vermeiden und somit den Erfolg sichern
Mikrochirurgische Handhabung bei Verfahrensfehlern in der Phase der mechanisch-apikalen Vorbereitung in der Endodontie: apikaler Transport.
Endodontie ist der Fachbereich, der pulpare Krankheiten und apikale Parodontitis behandelt oder vorbeugt. Das Hauptziel der endodontischen Behandlung ist die Reinigung und Desinfektion des gesamten Wurzelkanalsystems auf gesundheitlicher Basis.1 Wenn mittels sorgsamer Behandlung ein solches Ziel erreicht wird, kann die Erfolgsrate 94 Prozent überschreiten.2, 3 Auf der Suche nach diesen Ergebnissen wird während der endodontischen Behandlung die mechanische Vorbereitung mittels endodontischer Instrumente und die chemische Vorbereitung mittels Bewässerungslösungen durchgeführt.
Nach der Reinigung und Formgebung muss die endodontische Füllung den Raum dreidimensional füllen und versiegeln, um eine bakterielle Rekontamination zu vermeiden. Dies muss unter Beibehaltung der Hygienebedingungen erfolgen, die mittels der vorhergehenden Schritte erreicht wurden. Die mechanische Vorbereitung des Wurzelkanalsystems ist für die endodontische Desinfektion äußerst wichtig.4 Durch diesen Prozess wird das kontaminierte Dentin und somit die in den Dentintubuli befindlichen Bakterien physisch entfernt, der Durchmesser erweitert und die Hauptkanäle geformt, sodass ein größeres Volumen der Bewässerungslösungen zum apikalen Drittel gelangt.1, 5 Außerdem wird durch diesen Prozess eine konische Form gebildet, welche die endodontische Füllung begünstigt, hat also direkten Einfluss auf die Qualität der Desinfektion und folglich auf die Prognose des Falls.
Verfahrensfehler in der Phase der mechanischen Vorbereitung können dazu führen, dass die nötigen Desinfektionsstufen nicht erreicht werden. Yousuf W et al. 20156 haben die digitalen Röntgenbilder von 1.748 endodontisch behandelten Zähnen bewertet und Verfahrensfehler bei 32,8 Prozent (574 der bewerteten Zähne) vorgefunden. Der Transport des apikalen Foramens, der zur Wurzelperforation geführt hat oder auch nicht, befindet sich unter den häufigsten Fehlern während der endodontischen Behandlung, besonders bei gewölbten Kanälen.7, 8, 9
Laut Verzeichnis der endodontischen Begriffe des American Association of Endodontists wird der Kanaltransport folgendermaßen definiert: „Entfernung der Dentinstruktur am äußeren Teil der Biegung in der apikalen Hälfte des Kanals aufgrund der Tatsache, dass die Feilen dazu neigen, die originale gerade Form während der Kanalvorbereitung wiederherzustellen; dabei kann es von der Entstehung einer Stufe bis zu einer Perforation der Wurzel kommen.“ Die ungeeignete Anwendung starrer Endo-Feilen, beispielsweise aus Edelstahl, ohne vorherige Prüfung der zu bearbeitenden inneren Zahnanatomie, erhöht das Risiko einer Foramenübertragung.
Reinigung der Kanäle
Die ungeeignete Reinigung der Kanäle, besonders im apikalen Drittel, führt zum endodontischen Misserfolg.10, 11 Da der Transport des Foramens den Zugang zum originalen Verlauf des Kanalsystems verhindert, beeinträchtigt er nicht nur die Desinfektion desselben, sondern irritiert den Periapex durch die Extrusion von Bakterien und ihren Nebenprodukten und macht die ideale apikale Einstellung eines Guttaperchakegels unmöglich. Diese technischen Mängel, hervorgerufen durch Verfahrensfehler in der Vorbereitungsphase, können die apikale Versiegelung und die geeignete Bakterienkontrolle negativ beeinflussen.12
Folglich verschlechtern diese Mängel die Prognose des klinischen Falls. Nach Gluskin et al. 200813 kann der Foramentransport in drei Kategorien eingestuft werden:
• Typ I – Minimaler Versatz der physiologischen Lage des Foramens.
• Typ II – Mäßige Bewegung der physiologischen Lage des Foramens, wodurch ein schwerer Versatz zur äußeren Wurzelfläche entsteht. Bei diesem Typ wird iatrogen eine größere Kommunikation mit dem Periapex hergestellt.
• Typ III – Schwerer Versatz der physiologischen Lage des Foramens und des Kanals, wodurch eine bedeutende Iatrogenie entsteht.
Die Behandlung von Fällen mit apikalem Transport kann mittels verschiedener klinischer Ansätze erfolgen. Kanäle mit Transport des Typ I können normal gereinigt und gefüllt werden; beim II. Typ können die Kanäle nach der Anwendung einer apikalen Barriere zur Hemmung der Blutung gefüllt werden, wobei diese Barriere die Extrusion des endodontischen Füllungsmaterials verhindert. In diesen Fällen kann ebenfalls die Anwendung eines apikalen Stopfens mit MTA berücksichtigt werden, gefolgt von einer herkömmlichen endodontischen Füllung. Bei klinischen Fällen von apikalem Transport des Typ III jedoch ist es im Allgemeinen nicht möglich, eine geeignete Reinigung, Desinfektion und Füllung zu erzielen. Deshalb müssen diese Schritte bestmöglich durchgeführt werden, gefolgt von einer Mikrochirurgie zur Entfernung des nicht behandelten apikalen Bereichs.
Klinischer Fall
Eine 55-jährige Patientin, ASA I, suchte die Praxis auf mit Beschwerden über einen spontanen, anhaltenden, verschärften Schmerz während des Kauens sowie bei der apikalen Palpation im Bereich der Zähne 13 und 11, welche in den letzten drei Monaten endodontisch behandelt wurden. Der gemessene Blutdruck war 128 x 78 mmHg, Herzfrequenz 82 bpm, Sauerstoffsättigung 98 Prozent und Körpertemperatur 38,5 Grad Celsius. Die Patientin berichtete, dass sie vor dem Beginn der ersten endodontischen Behandlungen keine Schmerzen verspürte und die Behandlungen zu Rehabilitationszwecken empfohlen wurden. Nach der ersten Sitzung, bei der die Zähne 13 und 11 gleichzeitig behandelt wurden, begann der Schmerz und verschärfte sich am dritten Tag. Am vierten Tag musste der Patientin intravenöses Metamizol und Ketoprofen verordnet werden, um den Schmerz unter Kontrolle zu halten. Nebst der systemischen Medikation wurde eine okklusale Justierung vorgenommen. Nach zwei Tagen kehrte der Schmerz zurück und die Patientin suchte einen anderen Zahnarzt auf, der ihr Metamizol 500 mg/ml zur Einnahme alle vier Stunden und Nimesulid 100 mg alle zwölf Stunden während sieben Tagen verordnete. Der Schmerz schwächte ab, endete jedoch nicht. Zwei Tage nach Beendigung der Einnahme der systemischen Medikation verspürte die Patientin erneut Schmerzen. Daraufhin suchte sie einen dritten Zahnarzt auf, der die endodontische Reintervention der Zähne 11 und 13 durchführte. Die verlaufende Behandlung war nicht in der Lage, den Schmerz effektiv zu kontrollieren. Nach vier Tagen bekam die Patientin dazu Fieberanfälle. Laut Bericht wurde bei keinem der endodontischen Verfahren absolute Isolierung angewendet.
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung ergab, dass sich an den Zähnen 13 und 11 endodontische Zugänge befanden. Die ungeeignete geometrische Konfiguration der endodontischen Zugänge wies bereits auf Probleme bei der chemisch-mechanischen Vorbereitung des Wurzelkanalsystems hin (Abb. 1 und 2). Auf den Röntgenaufnahmen war eine an den Zähnen 13 und 11 begonnene endodontische Behandlung ersichtlich, mit Foramentransport des III. Typs. Am Zahn 12 bestanden eine Vollkrone, ein metallischer interradikulärer Halter und eine unzureichende endodontische Behandlung (Abb. 3). In der Tomografie wurde der Foramentransport der beiden Zähne (Abb. 4 und 5) ersichtlich.
Behandlung
Aufgrund des großen apikalen Versatzes an den Zähnen 13 und 11 wurde als Behandlung die endodontische Reintervention mit apikaler Mikrochirurgie indiziert. Die Behandlung des Zahnes 12 war ebenfalls mittels Reinigung, Modellierung und Desinfektion des Kanalsystems nötig, mit darauffolgender endodontischer Füllung. Da die Krone dieses Elements jedoch bereits angepasst wurde und für die Nachbarzähne eine Mikrochirurgie vorgesehen war, fiel die Wahl auf eine endodontische retrograde Neubehandlung. Die Behandlung begann mit der endodontischen Reintervention des Zahnes 11, gefolgt vom Zahn 13. Die Kanäle wurden mit Natriumhypochlorit 2,5 % gespült, gefolgt von EDTA zu 17 %, beides mit PUI und vorbereitet mit Reciproc 50 (VDW). Mit dem chirurgischen Mikroskop und im periapikalen Röntgenbild wurde der apikale Versatz des Zahnes 11 ersichtlich, doch der originale Verlauf konnte nicht wieder aufgenommen werden (Abb. 6 und 7). Dasselbe erfolgte beim Zahn 13. Aufgrund der großen Unregelmäßigkeit der Kanalwände nach dem Foramentransport konnte der Guttaperchakegel jedoch nicht in geeigneter Weise gesperrt werden. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung auf einen 4 mm langen apikalen Stopfen mit MTA-HP (Angelus, Londrina, Brasilien) (Abb. 8). Die Füllung der restlichen Kanäle erfolgte mit Guttapercha thermoplastifiziert mit MTA Fillapex-Zement. Der MTA Fillapex-Zement enthält MTA-Partikel.
Nach dieser Etappe wurde die Patientin einer apikalen Mikrochirurgie unterzogen, wobei mit piezoelektrischem Ultraschall und W1CV-Dentus-Spitze der iatrogene apikale Bereich entfernt wurde. Am Zahn 12 erfolgte die Piezo-Apizektomie mit denselben Instrumenten und der Kanal wurde retrograd vorbereitet bis zu der Tiefe, die dem Apex des gegossenen Metallkerns entsprach. Nachdem der Kanal mit einem chirurgischen Absauger, gekoppelt an eine Vakuumpumpe, getrocknet wurde (Endo Tips 0.014", Angelus, Brasilien), erfolgte die retrograde Füllung mit der Anwendung von MTA-HP (Angelus) (Abb. 9, 10, 11).
MTA ist das gewählte Material für die Versiegelung von Perforationen, retrograden Vorbereitungen und Apices mit unregelmäßiger, nicht kreisförmiger Morphologie als Folge von Wurzelresorptionen oder fehlerhaften apikalen Vorbereitungen. Die gute marginale Anpassung, Biokompatibilität, Versiegelungsfähigkeit in feuchter Umgebung, Induktion und Leitung zur Bildung von Zahnhartsubstanz sowie Zementgenese mit daraus folgender normaler parodontaler Haftung machen aus diesem Material das geeignetste Mittel bei den genannten klinischen Fällen. MTA-HP ist auch als Pulver und in flüssiger Form erhältlich, mit sämtlichen Eigenschaften des traditionellen MTAs plus besserer klinischer Handhabung. Diese letzte Eigenschaft ist die Folge einer Änderung in der Größe der Partikel des MTA-Pulvers und der Beigabe eines Weichmachers zur Flüssigkeit. Fünf Monate nach der Mikrochirurgie kehrte die Patientin zur radiologischen Kontrolle zurück. Klinisch wies sie keine Schmerz- oder Unwohlseinsbeschwerden mehr auf. In der Röntgenaufnahme ist die rasche Reparatur des Periapex in den drei Zähnen ersichtlich (Abb. 12).
Fazit
Die Phase der chemisch-mechanischen Vorbereitung des Wurzelkanalsystems ist für den Erfolg der endodontischen Behandlung extrem wichtig. Verfahrensfehler in dieser Phase, einschließlich Foramentransport, können die Prognose des Falls drastisch beeinträchtigen. Daher ist es äußerst wichtig, diese Fehler zu vermeiden. Je nach der Schwere des Fehlers kann dieser jedoch behoben werden. Die radiologische und klinische Kontrolle nach der Operation bei diesem klinischen Fall lässt darauf schließen, dass die mikrochirurgische Ergänzung eine sichere und vorhersehbare klinische Option sein kann.
Quellen:
1 Siqueira J, Lima K, Magalhaes F, Lopes H, de Uzeda M. Mechanical reduction of the bacterial population in the root canal by three instrumentation techniques. J Endod 1999;25:332–5.
2 N. Imura, E. T. Pinheiro, B. P. F. A. Gomes, A. A. Zaia, C. C. R. Ferraz, and F. J. Souza-Filho. The outcome of endodontic treatment: a retrospective study of 2000 cases performed by a specialist. Journal of Endodontics, vol. 33, no. 11, pp. 1278–1282, 2007.
3 M. Lazarski, W. Walker, C. Flores, W. Schindler, and K. Hargreaves, „Epidemiological evaluation of the outcomes of non-surgical root canal treatment in a large cohort of insured dental patients“, Journal of Endodontics, vol. 27, no. 12, pp. 791–796, 2001.
4 Al-Sudani D, Al-Shahrani S. A comparison of the canal centering ability of ProFile, K3, and RaCe Nickel Titanium rotary systems. J Endod 2006;32(12):1198–1201.
5 Shuping G, Orstavik D, Sigurdsson A, Trope M. Reduction of intracanal bacteria using nickel-titanium rotary instrumentation and various medications. J Endod 2000;26:751–5.
6 Yousuf W, Khan M, Sheikh A. SUCCESS RATE OF OVERFILLED ROOT CANAL
TREATMENT. J Ayub Med Coll Abbottabad. 2015 Oct–Dec;27(4):780–3.
7 Fogarty TJ, Montgomery S. Effect of preflaring on canal transportation: Evaluation of ultrasonic, sonic, and conventional techniques. Oral Surg Oral Med Oral Pathol. 1991 Sep;72(3):345–50.
8 Camara AC, Aguiar CM, de Figueiredo JA. Assessment of the Deviation after Biomechanical Preparation of the Coronal, Middle, and Apical Thirds of Root Canals Instrumented with Three HERO Rotary Systems. J Endod 2007;33(12):1460–1463.
9 Gergi R, Rjeily JA, Sader J, Naaman A. Comparison of canal transportation and centering ability of twisted files, Pathfile- ProTaper system, and stainless steel hand K-files by using computed tomography.
J Endod 2010;36(5):904–907.
10 Sjogren U, Hagglund B, Sundqvist G, Wing K. Factors affecting the long-term results of endodontic treatment. J Endod 1990;16:498–04.
11 Nair PN, Sjogren U, Krey G, Kahnberg KE, Sundqvist E. Intraradicular bacteria and fungi in root-filled, asymptomatic human teeth with therapy-resistant periapical lesions: a long-term light and electron microscopic follow-up study. J Endod 1990; 16:580–8.
12 Wu M, Fan B, Wesselink PR. Apical Transportation and Leakage. J Endod 2000
Vol. 26, No. 4, April 2000.
13 Gluskin AH, Peters CI, Wong RD Ming, Ruddle CJ. Retreatment of non-healing endodontic therapy and management of mishaps. In: Ingle JI, Bakland LK, Baumgartner C, editors. Text book of Endodontics. 6th ed. Hamilton, Ontario, USA: BC Decker;2008. pp. 1088–61.
Autor: Prof. Dr. Leandro A. P. Pereira, Campinas, SP, Brasili