Implantologie 28.02.2011

Einzeitig behandeln mit Knochenringen



Einzeitig behandeln mit Knochenringen

Vertikale Augmentation und Implantation in nur einem Eingriff

Nicht selten erscheinen in der Praxis Patienten mit fortgeschrittener Atrophie oder größeren Kieferdefekten. Um sie implantologisch versorgen zu können, ist ein umfangreicher, vertikaler Knochenaufbau meist unumgänglich. Damit die Patienten aber nicht mit langwierigen und in der Regel zweizeitigen Eingriffen belastet werden müssen, wurde 2004 das Verfahren der Knochenringtransplantation entwickelt.

Um eine implantologische Versorgung realisieren zu können, sind häufig Maßnahmen zum Aufbau des atrophierten Knochens nötig. Vor sechs Jahren entwickelte Dr. Bernhard Giesenhagen eine Methode, mit der sowohl der zeitliche Aufwand als auch die Belastung für den Patienten reduziert werden kann: die Knochenringtechnik. In nur einem Eingriff können größere, dreidimensionale Knochendefekte vertikal augmentiert und die Implantate inseriert werden. Die gesamte Behandlungszeit reduziert sich im Vergleich zu einer Versorgung mit klassischen Knochenblöcken um etwa fünf Monate. Das Verfahren der Knochenringtechnik, anhand eines Falles dargestellt, beruht auf dem Makro­design des ANKYLOS®-Implantats und seinem Tissue-Care-Konzept.


Fallbeschreibung und Therapieplanung

Ein 20-jähriger Patient suchte nach einem Sportunfall die Praxis auf. Die klinische Inspektion zeigte eine Kronenfraktur der Zähne 11 und 12 (Abb. 1). Der Patient wurde darüber aufgeklärt, dass beide Zahnwurzeln extrahiert werden müssten. Da die Nachbarzähne keinerlei erkennbare Defekte oder kariöse Läsionen aufwiesen, entschied sich der Patient für eine implantatprothetische Versorgung. Nachdem die beiden Wurzeln extrahiert und ein Mukoperiostlappen mobilisiert waren, zeigte sich das ganze Ausmaß des Defektes: in Regio 12 fehlte bukkal der Knochen völlig, zur Alveole 11 hin war er fenestriert (Abb. 2). Um, wie vom Patienten gewünscht, implantieren zu können, war eine Knochentransplantation unumgänglich. Aufgrund der Defektgröße bot sich als Spender­region die Kinnregion an, da sich hier zwischen der labialen und lingualen Kortikalis in der Regel ausreichend spongiöser Knochen gewinnen lässt. Zudem ist in diesem Bereich meist eine sehr gute Knochenqualität vorzufinden. Die Entnahme des Knochens aus der interforaminalen Region der Mandibula ist technisch nicht übermäßig schwierig. Wichtig ist jedoch die richtige Schnittführung, um Parästhesien zu vermeiden.

Um die Abmaße des Knochenrings bestimmen zu können, wurde mithilfe einer Trepanfräse (Helmut Zepf Medizintechnik) der spätere Durchmesser der Augmentationsstelle bestimmt (Abb. 3). Voraussetzung, um das Implantat durch das Transplantat hindurch inserieren zu können, ist eine Presspassung des Transplantats. Diese wird erreicht, indem man den Außendurchmesser des Knochenrings 1 mm größer als den Durchmesser der Augmentationsstelle wählt. Im gezeigten Fall ergaben das 7mm für das Transplantat bei 6mm im Defektbereich. Zur Implantation in Regio 11 und 12 waren zwei Ankylos®-Implantate mit je 3,5mm Durchmesser und 14 mm Länge vorgesehen.

Aufbereitung des Transplantats

Da die Unterkieferfront voll bezahnt war, wurde die Schleimhaut 1–2mm unterhalb der Mukogingivalgrenze mit einem horizontalen Schnitt von Zahn 13 bis Zahn 23 eröffnet. Mit dieser Schnittführung ließ sich der N. mentalis gut darstellen. Dieser hat in der Regel drei Äste, wovon der mesiale Ast bogenförmig weit nach mesial verläuft.

Danach wurde an der Entnahmestelle zunächst eine knapp 1mm tiefe Markierung mit dem festgelegten Durchmesser von 7mm in die Kortikalis gefräst, wobei ein 3-mm-Sicherheitsabstand zu den Apizes der unteren Schneide- und Eckzähne sowie zum Kinnrand eingehalten wurde. Doch bevor der Knochenring ausgefräst werden konnte, musste zunächst das Implantatbett mittig im Knochenring vorbereitet werden. Das Aufbereiten erfolgte ­gemäß Standard-Bohrprotokoll mit dem Instrumentenset für das Ankylos®-System. Damit ließ sich die Bohrung exakt auf den Implantatdurchmesser abstimmen. Ein wichtiger Aspekt insofern, als das Implantat später durch das Transplantat hindurch inseriert wird.

Abschließend wurde mit dem nächst größeren Durchmesser des Schaftbohrers die Kortikalis an der Entnahmestelle erweitert, um das Implantat subkrestal setzen zu können (Abb. 4). Beim Aufbereiten war darauf zu achten, nicht die Gegenkortikalis zu fenestrieren. Danach konnte der Knochenring mit der Trepanfräse final präpariert werden, wobei, um eine Überhitzung zu vermeiden, unter reichlich Kühlung intermittierend und mit langsamer Drehzahl (max. 200/min) gefräst wurde. Jetzt ließ sich mit dem „Ringmesser“ der spongiöse Boden des Ringes von der kortikalen Wand der Gegenkortikalis lösen und mit dem „Ringbrecher“ vorsichtig herausheben (Abb. 5 bis 8).

Vom Transplantat zum Implantat

Nun konnte mit der Präparation der Empfängerstelle begonnen werden. Wegen der schon erwähnten spaltfreien Presspassung wurde mit einer Trepanfräse von 6mm Durchmesser aufbereitet (Abb. 9). Die Präparationstiefe richtete sich nach dem Knochenniveau der Nachbarzähne. Nachdem der Knochenring spaltfrei und stabil positioniert war, wurde das Implantatbett im ortsständigen Knochen durch den Ring hindurch gemäß Protokoll aufbereitet (Abb. 10) und das Implantat durch den Knochenring subkrestal eingebracht und verschlossen (Abb. 11). Dabei musste vermieden werden, dass sich das Transplantat beim Inserieren des Implantats auf den letzten 3mm mitdreht. Hierfür ist ein parallelwandiges Design wie beim Ankylos®-Implantat, das im Halsbereich kein Gewinde aufweist, Voraussetzung. Zudem wird durch das progressive Gewinde auch bei reduziertem spongiösen Knochen schon mit zwei bis drei Umdrehungen die notwendige Primärstabilität erreicht.

Implantat und Transplantat hatten zirkulär und basal optimalen Kontakt zum umgebenden Knochen. Das Ziel war, dass dadurch sehr viele vitale Knochenzellen in Kontakt mit dem Transplantat kommen konnten, um eine Revaskularisierung des Augmentates zu erreichen. Zum anderen war dies die Voraussetzung für ein unkompliziertes Einheilen und eine ungehinderte Osseointegration der Implantate ohne Volumenverlust durch eine Adaptationsatrophie in der Einheilphase.

Wundverschluss

Abschließend wurde der Defekt mit Knochenchips und Knochenersatzmaterial verfüllt und mit einer Barrieremembran fixiert (Abb. 12). Der Wundverschluss erfolgte absolut spannungsfrei mit einer Einzelnaht (Abb. 13). Anderenfalls können infolge von Nahtdehiszenzen inflammatorische Prozesse bis hin zum Verlust des Transplantates und des Implantats eintreten. Sechs Monate post operationem zeigte das Röntgenbild eine vollständige knöcherne Regeneration (Abb. 14). Auch die Weichgewebssituation stellte sich zu diesem Zeitpunkt völlig reizfrei dar. Nun konnte das Implantat auf die übliche Weise prothetisch versorgt werden (Abb. 15).

Diskussion

Dreidimensionale Knochendefekte wurden bisher zumeist zweizeitig mit autogenen Knochenblöcken augmentiert. Hier stellt das Verfahren der Knochenringtechnik eine Vereinfachung dar, da es ein paralleles Vorgehen – Augmentieren und Implantieren in einem Eingriff – erlaubt und damit der Patient deutlich weniger belastet wird. Mit der spaltfreien Presspassung des Transplantates wird ein Volumenverlust in der Einheilphase verhindert. Hohlräume können mit Knochenchips oder mit langsam resorbierbaren Knochenersatzmaterial auskonturiert werden. Das Abdecken des augmentierten Areals mit einer Barrieremembran bildet einen zusätzlichen Schutz vor resorptiven Vorgängen. Als Entnahmestellen können, neben der in diesem Fall gewählten Kinnregion, noch das Palatinum und der retromolare Bereich in Betracht kommen.

Zusammenfassung


Die Knochenringtechnik kann heute für fast alle Indikationen verwendet werden, ob Einzelzahnlücke, Schaltlücke oder stark atrophierte Unterkiefer; auch für eine Sinusbodenelevation ist sie geeignet. Werden das geschilderte Behandlungsprotokoll eingehalten und die anatomisch risikobehafteten Regionen beachtet, lassen sich Knochentransplantation und Implantation mit der Ringtechnik sicher durchführen. Ein Makro- und Mikrodesign wie beim ANKYLOS®-Implantat mit seiner FRIADENT® plus-Oberfläche, dem Platform Shift und der besonderen konusförmigen, form- und kraftschlüssigen Implantat-Abutment-Verbindung sind hierfür die optimale Voraussetzung. Aufgrund des einzeitigen Eingriffs reduziert sich dabei die Zeitspanne zur Eingliederung der definitiven Versorgung um mehrere Monate. Ob und inwieweit der Leser das Verfahren selbst anwenden oder seinen Patienten an einen entsprechend ausgebildeten Kollegen überweisen möchte, muss er selbst entscheiden. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen auf Patienten- wie auf Behandlerseite gegeben sind, ist es dem chirurgisch geübten Behandler ohne ­Weiteres möglich, das Verfahren erfolgreich im Sinne einer langzeitstabilen Versorgung anzuwenden.

Dr. Giesenhagen und Dr. Yüksel sind anerkannte Spezialisten im Augmentieren mit Knochenringen und bieten ­regelmäßig Kurse an. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.knochenring.de.

Autoren: Dr. Bernhard Giesenhagen, Dr. Orcan Yüksel


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