Implantologie 28.02.2011
Stabile periimplantäre Gewebe auf Dauer
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Der Erhalt des krestalen Knochens und die Strukturierung des periimplantären Gewebes sind Forderungen in der modernen Implantattherapie. Dem Abbau des Knochens im ersten Jahr nach Implantation und prothetischer Versorgung kann durch das sogenannte Platform Switching entgegengewirkt werden. Dieser Artikel zeigt die Bedeutung der Oberflächenstruktur zur Anlagerung von Hart- und Weichgewebe am Implantathals.
Als 1991 die ersten Wide-Body-Implantate entwickelt wurden, existierten zunächst noch keine entsprechenden Abutments. Es wurden aus diesem Grund jene von Standarddurchmesser-implantaten benutzt. Bei der routinemäßigen Röntgenkontrolle nach dem ersten Jahr fiel auf, dass der generell akzeptierte krestale Knochenabbau, der innerhalb dieses Zeitraumes an allen prothetisch versorgten Implantaten auftritt, hier stark reduziert oder sogar gar nicht nachweisbar war. Da die prothetische Plattform nicht übereinstimmte, sprach man vom Platform Switching (Lazzara und Porter 2006).
2010 ist das Platform Switching in fast allen neueren Implantatdesigns eingearbeitet, d.h. man nimmt nicht mehr die Abutments einer anderen Plattform, es ist vielmehr in den korrekten Abutments ein Zurückweichen des Implantatkörpers gegenüber der Implantatschulter eingeplant (Calvo Guirado, Saez Yuguero et al. 2007). Der gewünschte Effekt, also die Verringerung oder Eliminierung des Verlustes von Knochen um den Implantathals, wird durch viele Studien nachgewiesen (López-Marí, Calvo Guirado et al. 2009; Bilhan, Mumcu et al. 2010; Canullo, Fedele et al. 2010; Wagenberg und Froum 2010).
Offenbar durchläuft der Knochen unter prothetischer Belastung des Implantates Umbauvorgänge. Bei Implantatversorgungen ohne Platform Switching baut sich der Knochen bis zur ersten Schraubenwindung ab. Dadurch entsteht eine Knochentasche, die sich naturgemäß mit Weichgewebe füllt. Die Weichgewebsmanschette um den Implantathals wird also länger, wodurch die Papille nicht mehr durch Knochen Unterstützung erhält und sich bei Vorliegen weiterer Faktoren (mäßige Mundhygiene, Rauchen, Überbelastung usw.) zurückbilden kann. Die Gefahr, dass es zu einer Periimplantitis kommt, besteht. Außerdem wird besonders bei kurzen Implantaten die knöcherne Verankerung um einen signifikanten Prozentsatz vermindert.
Durch das Platform Switching wird dem Knochen nun die Kante des krestalen Implantathalses als erste Struktur angeboten, sodass der Knochen sich nicht mehr bis zur ersten Schraubenwindung abbaut, sondern die Resorption an dieser Kante zum Stillstand kommt. Die Entstehung einer Knochentasche und die genannten Probleme werden so verhindert (Abb. 1). Nichtsdestotrotz ist dieses Design immer noch mit Problemen behaftet, da die Struktur der Hart- und Weichgewebsanlagerung noch nicht der eines natürlichen Zahnes ähnelt. Durch die entstehende Lücke, also durch das Zurückweichen des Abutments, wächst viel Weichgewebe ein, das sich nicht an das Abutment anheftet, sodass es zu einem Herunterwachsen des Epithels kommen kann. Außerdem wird nicht der volle Durchmesser des Implantates zur Kraftübertragung durch das Abutment genutzt, wodurch sich die Kräfte auf das Abutment bzw. die Abutmentschraube verstärken (Maeda, Miura et al. 2007; Tabata, Assunção et al. 2010). Schließlich ist auch das Emergenzprofil ungünstig. Einige Autoren sprechen dem Platform Switching sogar einen Einfluss auf den Erhalt des krestalen Knochens ab (Becker, Ferrari et al. 2009; Crespi, Capparè et al. 2009). Die Suche nach einem intensiven Verbund von Implantat und Abutment mit Hart- und Weichgewebe läuft daher weiter. Ein interessanter Ansatz scheint die gesteuerte Mikrostrukturierung des Implantathalses bzw. auch des Abutments zu sein, um Knochen und Weichgewebe vorhersagbar mit der Oberfläche zu verbinden.
Dass eine raue Oberfläche die Osseointegration ermöglicht, ist seit Langem bekannt. Trotzdem findet auch bei Implantaten, die eine raue Oberfläche bis zum Implantathals haben und die nicht über ein Platform Switching verfügen, ein Knochenabbau statt. Eine entsprechende Oberflächenstruktur scheint also nicht auszureichen. Bisher werden die Rauigkeiten auf Implantatoberflächen zufällig erzeugt, d. h. durch Bestrahlen, Ätzen oder sonstiges unsystematisches Bearbeiten der Oberfläche. Bereits 1991 wurden aber erste Versuche unternommen, die Oberfläche strukturiert zu gestalten. Dies geschah mit einem Excimer-Laser, der regelmäßige mikroskopisch kleine Löcher in die Materialoberfläche schoss (Schmitz 1991; Hansen 1994). Obwohl die Resultate vielversprechend waren, wurde der Ansatz von den Herstellern zunächst nicht weiter verfolgt. Bei der hier vorgestellten Oberfläche an kommerziell erhältlichen Implantaten der Firma BioHorizons wurde ebenfalls eine Bearbeitung mit einem Laser vorgenommen, diesmal in Form von horizontalen Rillen, die eine Stärke von 8–12µm aufweisen.
Durch die nicht zufällige, sondern genau strukturierte Oberfläche lagern sich sowohl Weich- als auch Hartgewebszellen so an, dass ein exakter Verbund erzielt wird, der über eine normale Anhaftung bzw. die Osseointegration hinausgeht. Wenn die Unebenheiten größer wären, ist die Oberfläche für die Osteoblasten wie eine „glatte“ Oberfläche und sie breiten sich flach aus. Studien ergaben, dass erst bei einer geordneten Oberflächenrauigkeit von unter 12µm die Zellen die Oberfläche nicht mehr als „glatt“ ansehen und sich an den vom Laser geschaffenen Rillen verankern. Die veröffentlichten Studien von Nevins (Nevins et al. 2008) und Pecora (Pecora, Ceccarelli et al. 2009) zeigen die Vorteile dieser Oberflächengestaltung am Implantathals. Es findet eine definierte, vorhersagbare Anlagerung von Weich- und Hartgewebe statt.
Es liegt daher nahe, diese erfolgreiche Oberfläche auch an Abutments einzusetzen. Natürlich darf das Abutment dann nach dem Anwachsen der Gewebe nicht mehr ab- und aufgeschraubt werden. Die im Jahr 2010 veröffentlichte Studie von Nevins über mit Laser-Lok versehene Healing-Abutments zeigt beeindruckende histologische Bilder (Nevins, Kim et al. 2010). Prothetische Abutments mit Oberflächenstrukturierung sollen demnächst kommerziell erhältlich sein. Anhand des folgenden Beispiels werden die Vorteile einer geordneten Strukturierung der Oberfläche im krestalen Bereich des Implantates erläutert.
Fallbeispiel
Einzelzahnimplantat im ästhetischen Bereich bei reduziertem vertikalen Knochenangebot
Eine 40-jährige Patientin (Raucherin, gute Mundhygiene) verlor aufgrund endodontischer und prothetischer Probleme den Zahn 15. Dieser sollte durch ein Implantat ersetzt werden, da Zahn 13 kariesfrei war und nur über eine kleine Füllung verfügte, und 16 ein intaktes Keramikinlay besaß. In Regio 14 lag ein Lückenschluss vor (Ausgangssituation siehe Abb. 2). Nach der Extraktion erfolgte eine Heilungszeit von drei Monaten. In diesem Zeitraum traten Probleme an Zahn 26 auf, sodass die Krone 26 abgenommen wurde. Darunter zeigte sich ein bis unter das Knochenniveau zerstörter Stumpf, woraufhin auch dieser Zahn extrahiert werden musste. Die Situation nach Abheilung 15 zeigt das Planungs-OPG (Abb. 3). Auffällig ist der postoperative Knochenverlust sowohl in Regio 15 (Abb. 4) als auch bei 26. Dies deckt sich mit der klinischen Situation am Tag der Implantation (Abb. 5). Papillen sind nicht mehr vorhanden, das Weichgewebe ist aufgrund des Knochenverlustes geschrumpft. Die Schnittführung wurde trotzdem papillenschonend gewählt, es zeigt sich aber ein genereller, vertikaler Knochenabbau bei guter horizontaler Dimension (Abb. 6). Daher konnte ein Implantat mit 4,6mm Durchmesser (Tapered Internal Laser-Lok, BioHorizons) inseriert werden (Abb. 7). Das Kontroll-OPG zeigt den guten Sitz (Abb. 8). Innerhalb der zweimonatigen Einheilphase des Implantates 15 wurde das Implantat 26 mit einem externen Sinuslift gesetzt (Abb. 9). Durch die Anwendung von Ultraschallchirurgie (Piezosurgery, mectron) konnte der Knochendeckel nach Auffüllung des neu entstandenen Raumes wieder reponiert werden (Abb. 10). Dies garantiert eine gute Heilung ohne Einsatz von resorbierbaren Membranen. Die Röntgenkontrolle bestätigt die gute Platzierung (Abb. 11).
Nach Freilegung und Abdrucknahme am Implantat 15 imponierte beim Fertigstellungstermin eine exzellente Weichgewebsmanschette um das Implantat, sodass das Abutment und die Krone eingesetzt werden konnten (Abb. 12 bis 14). Die Papillen fehlten weiterhin, da keine knöcherne Unterstützung vorhanden war. Natürlich wurde der Sitz der Versorgung 15 einen Monat nach dem Einsetzen der Krone bei der Freilegung des Implantates 26 überprüft. Dabei zeigte sich, dass innerhalb der kurzen Zeit ein vollständiges Einwachsen der Papillen erfolgt war (Abb. 15).
Schlussfolgerung
Das nachträgliche Ausbilden der Papille kann nur geschehen, wenn das Implantat dem Hart- und Weichgewebe die Möglichkeit bietet, sich fest mit dem Implantatmaterial zu verbinden. Da die Systeme ohne Platform Switching und ohne Laser-Lok-Oberfläche im ersten Jahr ca. 1,5mm Knochen verlieren, kann es hier nur in Ausnahmefällen zu einer nachträglichen Ausbildung von Papillen kommen, wenn in der Ausgangssituation keine Papillen und keine knöcherne Grundlage dafür vorhanden war. Das Platform Switching hat dies geändert, allerdings auf Kosten eines schlechteren Emergenzprofiles. Die Implantate mit Laser-Lok-Oberfläche verhindern ebenfalls einen Knochenverlust und bieten darüber hinaus die Vorteile eines natürlichen Emergenzprofiles und einer guten Kraftübertragung. In Vergleichsstudien konnten die Vorteile der Laser-Lok-Oberfläche gegenüber anderen Oberflächen nachgewiesen werden. Die Übertragung der Laser-Lok-Oberfläche auf Abutments ist in der Erprobung und zeigt neue vielversprechende Ergebnisse, die auch schon publiziert wurden.
Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.