Zahntechnik 28.02.2011
Preisvereinbarungen erfordern ausgewogene Kommunikation
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Sie betreiben ein gewerbliches zahntechnisches Labor? Fragen Sie sich nicht zuweilen, warum Sie Ihre Arbeiten, die Sie mit viel Sorgfalt anfertigen, zu den betriebswirtschaftlich unauskömmlichen BEL-Preisen liefern müssen? Sie werden vielleicht antworten, weil mein Kunde, der Zahnarzt, das von mir verlangt, indem er z.B. auf den Auftrag „GKV-Versicherter“ schreibt. Womit sich implizit schon die nächste Frage stellen könnte, ob diese Angabe des Zahnarztes in allen Fällen wirklich zutreffend ist. Insbesondere im Festzuschuss-System für Zahnersatz ist mit dieser Angabe nichts darüber gesagt, ob und was von dem erteilten Auftrag Regelleistung, gleichartige oder andersartige Leistung ist (siehe ZWL 4/2009). Fragen über Fragen, die dieser Artikel beantworten will.
Bekanntlich schließt die für Ihren Betrieb räumlich zuständige Innung einen Vertrag mit den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen, der die Höchstpreise für die BEL-Leistungen jährlich festsetzt. Als Innungsmitglied, das Sie mit Ihrem Labor sind, gelten dann diese Preise für alle Aufträge der Zahnärzte für GKV-Versicherte bindend. Warum treten Sie dann nicht aus der Innung aus? Richtig, weil das gar nichts nutzen würde, denn auch als Nichtinnungsmitglied würden die von Ihrer Innung kollektivvertraglich, also für alle Zahntechniker einheitlich, vereinbarten Höchstpreise für die Aufträge ihrer Zahnärzte für GKV-Versicherte verbindlich sein.
Rechtstheoretisch ist es so, dass die Innung vom Gesetzgeber neben ihren Pflichtaufgaben nach der Handwerksordnung (§§ 54 Abs.1, 81 HwO) eine weitere Pflichtaufgabe nach dem Vertragszahnarztrecht (§§ 88 Abs. 2, 57 Abs. 2 SGB V) zugewiesen bekommen hat. Zusammen mit den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen vereinbart die für Ihren Betrieb räumlich zuständige Innung, aufgrund der staatlichen Kompetenzzuweisung, in hoheitlicher Weise die Höchstpreise für das BEL.
Dieser Aufgabe kann sich die Innung nicht entziehen, was zuweilen von Sachunkundigen gefordert wird, denn der Gesetzgeber hat für diesen Fall die Zwangsschlichtung vorgesehen; die Höchstpreise werden dann durch das Landesschiedsamt festgesetzt. Was zwischen der Innung und den Landesverbänden der Krankenkassen passiert, ist mittelbare Staatsverwaltung. Das Bundesverfassungsgericht ist sogar so weit gegangen, dass es sich bei der den Innungen zugewiesenen Pflichtaufgabe nicht um Interessenvertretung der gewerblichen Zahntechniker handle und hat damit den Innungen den verfassungsrechtlichen Schutz verweigert.
Einschränkung der Vertragsautonomie
Wenn das alles auch schon sehr „amtlich“ klingt, beantwortet es die eingangs gestellten Fragen noch nicht. Die Antwort findet sich rechtshistorisch. Die vom Gesetzgeber den Innungen zusätzlich zu den Aufgaben der HwO übertragene weitere Pflichtaufgabe zur Vereinbarung der Höchstpreise für das BEL beinhaltet nach herrschender Meinung nach wie vor, obwohl im Wortlaut der §§ 88 Abs. 2, 57 Abs. 2 SGB V nicht mehr explizit ausgeführt, die in der früheren Reichsversicherungsordnung (RVO) enthaltene Vorschrift, wonach sich die Vertragsbeziehung zwischen Vertragszahnarzt und Zahntechniker mit Ausnahme der Vergütung nach dem bürgerlichen Vertragsrecht regeln.
Konkret heißt das: Beauftragt der Zahnarzt zur Versorgung eines gesetzlich Versicherten ein gewerbliches Labor, dann schließt er mit dem Zahntechniker einen bürgerlich-rechtlichen Werkvertrag. Zur Vertragsautonomie der Vertragschließenden gehört – ganz wesentlich – die Vereinbarung der Vergütung. Durch die Weitergeltung der Bestimmung der RVO untersteht aber die Vereinbarung des Werklohns dem öffentlichen Recht. Die Privatautonomie des Zahntechnikers ist also dahingehend öffentlich-rechtlich eingeschränkt, als die Vergütungshöhe nur bis zur Grenze der geltenden Höchstpreise vereinbart werden darf. Sie darf zwar niedriger sein, die Höchstpreise aber jeweils nicht überschreiten.
Durch diese gesetzliche Einschränkung der Privatautonomie von Vertragszahnarzt und Zahntechniker bei einer vertragszahnärztlichen Versorgung eines GKV-Versicherten entfalten die kollektivvertraglichen Preisregelungen zwischen der Innung und den gesetzlichen Krankenkassen unmittelbar für jeden Zahntechniker, gleich ob Innungsmitglied oder nicht, ihre Wirkung. Selbst in dem Fall, dass ein Vertragszahnarzt mit einem Zahntechniker eine, die einzelnen Höchstpreise des BEL übersteigende, höhere Vergütung vereinbaren würde, führte das nicht, wegen Verstoßes gegen die kollektivvertragliche Höchstpreisregelung, zur Nichtigkeit des Kaufvertrages. Zwar läge ein Gesetzesverstoß im Sinne von § 134 BGB vor, Nichtig-keit träte aber nur ein, wenn sich nach dem Gesetz nichts anderes ergibt. Das ist jedoch der Fall, da anstelle der vereinbarter höherer Vergütung der Höchstpreis der kollektivvertraglichen Regelung gilt.
Drei Erkenntnisse können gewonnen werden:
1. Es macht keinen Sinn aus der Innung auszutreten, um sich gegen die betriebswirtschaftlich unauskömmlichen Höchstpreise des BEL zu wenden. Das Gegenteil ist der Fall. Zeigen Sie dem Bundesverfassungsgericht Flagge und manifestieren Sie, dass die Pflicht der Innung zur Vereinbarung der kollektivvertraglichen Höchstpreise schiere Interessenvertretung für die zahntechnischen Labore ist und des verfassungsrechtlichen Schutzes bedarf. So ist die weitere betriebswirtschaftliche Aushöhlung der Höchstpreise des BEL zu verhindern.
2. Der zahnärztliche Auftrag muss, wenn es um die Versorgung eines GKV-Versicherten geht, umfassende Informationen beinhalten, die dem Zahntechniker zutreffend aufzeigen, welche Teile des Werkstücks zu BEL-Höchstpreisen berechnet werden müssen.
3. Die häufig geäußerte Meinung, es läge allein in der Entscheidungsbefugnis des Zahnarztes, dem Zahntechniker anzugeben, welche Leistungen er im Rahmen der BEL-Höchstpreisvereinbarung berechnet haben möchte, ist rechtsirrtümlich. Handelt es sich um zahntechnische Leistungen, die für die vertragszahnärztliche Versorgung eines GKV-Versicherten vom Vertragszahnarzt benötigt werden, haben sowohl der Vertragszahnarzt als auch der Zahntechniker kein Recht zur Preisvereinbarung, allenfalls unterhalb der jeweiligen Höchstpreise. Die kollektivvertragliche Regelung ersetzt den Akt der Preisvereinbarung oberhalb der Höchstpreise. Darüber aber muss der Vertragszahnarzt den Zahntechniker wahrheitsgemäß aufklären.
Eine Vertragsautonomie des Zahnarztes dergestalt, dass er mit dem Zahntechniker verhandelt, ob sein Auftrag oder Teile davon zu kollektivvertraglichen Preisen berechnet werden soll, gibt es nur, wenn der Zahnarzt dem Zahntechniker vorher mitteilt, dass es sich nicht um eine vertragszahnärztliche Versorgung handelt. Es steht freilich jedem Zahntechniker frei, auch für eine privatzahnärztliche Versorgung die Vergütung in Höhe der BEL-Preise zu vereinbaren.
Es ist daher Pflicht des Zahnarztes, den Zahntechniker jeweils zutreffend aufzuklären.