Branchenmeldungen 18.12.2020

Das Jahr 2020: Es kam ganz anders als gedacht

Die Welt ist seit Anfang des Jahres 2020 eine andere.

Die dentalfresh-Redaktion hat junge Zahnärztinnen und Zahnärzte und eine Zahntechnikerin befragt, welche beruflichen Veränderungen sie in den vergangenen Monaten erlebt und was sie durch die Krise womöglich gelernt haben.

Nach meinem Examen Ende 2019 arbeitete ich zunächst in einer Privatpraxis in Hamburg. Aufgrund unzureichender Auslastung durch Corona konnte meine dortige Probezeit nicht verlängert werden. Ich meldete Grundsicherung an, schaute in Jobbörsen und hörte mich überall nach einer potenziellen neuen Praxis um. Über einen Kontakt landete ich bei einem Prof. Dr. für Ästhetische Zahnmedizin. Ich sollte in einer neuen Zweigstelle arbeiten – dann platzte der Deal. Über Freunde fand ich danach eine Anstellung in einem Zentrum für Implantologie und Ästhetik in Leer. Die Arbeit gefällt mir soweit sehr, und es gibt mehr Patienten, als wir annehmen können. Im Rückblick kann ich bestätigen: Wem das Wasser bis zum Hals steht, der sollte den Kopf nicht hängen lassen! Man sollte sich auf seine Stärken konzentrieren, hart und smart arbeiten und hinterfragen, was wirklich wichtig ist. Ich bin dankbar für jede Unterstützung, die ich in den vergangenen Monaten bekam. Auch wenn ich nicht, wie gehofft, in meiner Hamburger Heimat bleiben konnte und durch Arbeitslosigkeit Monate potenzieller Assistenzzeit verlor, habe ich gleichzeitig durch Hospitationen viele Praxiseinblicke bekommen. Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben mich sicherlich zu einem besseren Zahnarzt gemacht.

Ende Februar 2020 startete bei uns in Frankfurt am Main das Examen. Anfänglich schien alles wie immer: Behandeln am Patienten, kein Abstand, keine zusätzlichen Hygienemaßnahmen. Während des Prothetikexamens änderte sich das schlagartig. Am Tag der Abgabe flüchteten alle regelrecht aus der Zahnklinik, als wäre sie der Herd der Pandemie. Dann begann die Zeit des Shutdowns und der Unsicherheit. Zum Glück konnten wir trotzdem alle Prüfungen zu Ende bringen. Doch keiner wusste, was danach geschieht. Mir war sehr schnell klar, dass ich mir mein zahnmedizinisches Hilfsprojekt im Ausland aus dem Kopf schlagen konnte. Und ich machte mir plötzlich Sorgen, ob ich überhaupt einen Job finden würde. Von vielen bereits Approbierten hörte ich, dass sie ihre Assistentenstelle verloren hatten. Ich hatte Glück, habe mich frühzeitig beworben und konnte eine Stelle an der universitären Zahnklinik ergattern. Derzeit kann man eigentlich nur froh sein, einen Job zu haben und ihn hoffentlich auch zu behalten.

Bei meinem Vorstellungsgespräch Anfang März war Corona zwar medial schon präsent, aber gefühlt noch in weiter Ferne. Einen Monat später, beim Berufsstart, war alles anders: Die Klinik wurde zum zentralen Anlaufpunkt für mögliche COVID-19-Patienten. Als neuer Assistenzzahnarzt wurde ich aus der Behandlung noch komplett herausgehalten, sodass mein Berufseinstieg auf forschende Tätigkeiten im Labor beschränkt blieb. Es folgten unsichere Monate. Viele Kurse und Seminare fielen aus, weshalb ich vermehrt mit der Erstellung von Lehrvideos und Zeitplänen beschäftigt war. Erst als die Patientenkurse wieder anliefen, begann auch mein Behandeln in der Klinik.

Die Zahntechnik ist in der Regel von den Aufträgen der Zahnärzte abhängig. Als Ende März alles runtergefahren wurde, fragten wir uns, wie wir ohne Aufträge arbeiten sollten. Die Unklarheit über die Länge der Krise, die Auftragslage im Labor und auch das Thema Kurzarbeit bedrückten mich sehr. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf – eine arbeitete vormittags, die andere nachmittags. Anfangs fand ich die Halbtagsarbeitszeit befremdlich. Dann merkte ich, dass ich genauso, wenn nicht noch produktiver war als vorher. Trotzdem fehlte mir der Austausch mit Kollegen, Behandlern und Patienten, und ich war froh, nach fast zwei Monaten wieder normal arbeiten zu können. Rückblickend kann ich sagen, dass der anfänglichen Unsicherheit eine Gewissheit folgte: Ohne Zahntechnik geht es auch nicht! Denn wir ziehen doch alle an einem Strang: behandelnde Zahnärzte, Zahntechniker und Patienten.

Behandlungserfahrung verloren, Eigeninitiative gewonnen

Alles schien wie immer, der Gang zur Uni tagein, tagaus – bis der Lockdown wie ein großes Stoppschild auch das Studium komplett ausbremste. Zwei Studierende geben Auskunft über ihren Studienalltag der vergangenen Monate.

Ich bin mit 63 weiteren Studierenden in einem auch für Münsteraner Verhältnisse eher großen Semester. Trotzdem ist unser Zusammenhalt sehr gut. Doch dann fielen durch Corona viele spontane Treffen im Unialltag auf einmal weg. Auch wenn ich mit einem engen Kreis intensiv Kontakt pflege, fehlen mir diese täglichen Begegnungen sehr. In Bezug auf die Vorlesungen hat das Online-Format durchaus Vorteile: Es reicht, den Wecker fünf Minuten vor Unibeginn klingeln zu lassen, und während der Vorlesung kann man ganz entspannt über den Chat Fragen stellen. Laut der Dozierenden ist die Vorlesungsbeteiligung seit Corona deutlich gestiegen. Wenn man allerdings zu Hause mal kurz den Faden verliert, kann man nicht den Sitznachbarn fragen. Zurückspulen geht bei Live-Vorlesungen leider nicht, und so manchen Dozierenden würde man auch gerne auf zweifache Geschwindigkeit stellen. Vielleicht ist das ja zukünftig möglich.

Als Corona begann, war gerade vorlesungsfreie Zeit und das neue Semester ungewiss. Bis jetzt hat mich diese Ungewissheit, ob und wie praktische Lehre fortgeführt werden, ob ich Patienten sehen oder eine Vorlesung besuchen kann, als Konstante durch das Jahr begleitet, und das wird wohl erstmal so bleiben. Der Wegfall der Patientenbehandlungen war für mich und viele Kommilitonen eine große Enttäuschung. Statt Patienten gab es Zoom-Konferenzen und ein in Schichten stattfindendes Pendant zum ersten Behandlungskurs am Phantom. Die durch Corona beschleunigte Digitalisierung der Lehre haben viele als sehr positiv empfunden. Auch meine Eigeninitiative wurde dadurch gestärkt. Trotzdem vermisse ich Präsenzvorlesungen, in denen Dozenten und Studierende zusammenkommen. Ein solcher Kontakt lässt sich kaum digital herstellen.

Der Ablauf des Studiums unterliegt seit März vielen, dem jeweiligen Infektionsgeschehen geschuldeten Veränderungen. Dies hat sich zu Beginn besonders stark auf die Lehre der praktischen Kurse ausgewirkt, da in recht kurzer Zeit ein umsetzbares Konzept für zu Hause entwickelt werden musste. Ich hatte vor allem große Bedenken bezüglich der Umsetzbarkeit des Physikums und ausreichender Übungszeit am Phantompatienten für die praktischen Prüfungsanteile. Rückblickend waren meine Sorgen unbegründet und die Uni Münster hat ihr Bestes gegeben, um uns ein faires und an die Situation angepasstes Physikum zu ermöglichen.

Der neue Homeoffice-Modus gefällt mir sehr gut. Ich höre im Vergleich zu den regulären „Präsenzsemestern“ den Großteil der Online-Vorlesungen und bin konzentrierter. Da das Studium ohnehin sehr von selbstständigem Lernen geprägt ist, habe ich diesbezüglich keine großen Veränderungen wahrgenommen. Zudem sehe ich die Umstellung auf digitales Lernen als große Chance, universitäre Lehre in Deutschland besser zugänglich zu machen. Auch die Qualität vieler Lehrveranstaltung hat sich im digitalen Format verbessert. Schwierig bleibt es natürlich mit den praktischen Kursen. Diese sind in unserem Studium einfach wahnsinnig wichtig und essenziell. Auch wenn diese im reduzierten Ausmaß wieder stattfinden dürfen, ist dies natürlich nicht mit der Lernerfahrung innerhalb eines regulären Semesters zu vergleichen. Trotz dessen blicke ich positiv nach vorne, da sich meine Uni sehr viel Mühe gibt, neue Konzepte zu entwickeln. Darüber hinaus könnten eventuelle praktische Defizite zukünftig vielleicht im Rahmen freiwilliger Famulaturen anteilig ausgeglichen werden. Der Umgang mit einer Pandemie in der zahnmedizinischen Versorgung ist mit Sicherheit auch eine sehr wertvolle Erfahrung, die uns zukünftig vielleicht souveräner mit plötzlichen Veränderungen umgehen lässt.

Die größte Hürde dieses Jahres in Bezug auf das Studium stellte sich für mich vor allem in der Nichtbehandlung von Patienten dar. Ich befinde mich aktuell im klinischen Studienabschnitt der Zahnmedizin im 8. Semester. Im 7. Semester stand der Kurs der Konservierenden Zahnerhaltung mit Patientenbehandlung auf dem Kursplan und die Freude und Aufregung war groß, endlich die gelernten Fähigkeiten am Patienten anwenden zu dürfen. Leider fiel die Patientenbehandlung aufgrund der ersten COVID-19-Welle und des Lockdowns komplett aus. Eine Präsenzlehre mit praktischen Übungen wurde uns in Kleingruppen und unter strenger Einhaltung der Hygienevorschriften dennoch ermöglicht. Zum Start des 8. Semesters im Fachbereich der Zahnersatzkunde mit Patientenbehandlung steht erneut ein großes Fragezeichen im Raum, ob es möglich sein wird, Patienten zu behandeln. Zunächst startete das Semerster erneut ohne diese Möglichkeit. Die verschiedenen Abteilungen der Zahnklinik und Universitätsmedizin versuchen aktuell eine Patientenbehandlung zu ermöglichen, allerdings befinden wir uns ja derzeit in der 2. Corona-Welle.

Da für uns Zahnmedizinstudierenden die praktische Behandlung am Patienten Mittelpunkt des klinischen Abschnittes ist, ist es doch sehr schade, diese nicht wahrnehmen zu können. Selbstverständlich werden wir bestmöglich alternativ ausgebildet. Es ist aber sehr schwierig, ein so praktisches Studium ausschließlich in der Theorie zu erarbeiten und in gewissen Aspekten einfach nicht möglich, weshalb wir kaum auf Präsenzlehre verzichten können. Im Homeoffice-Modus komme ich persönlich gut zurecht. Die datensicheren Programme, welche genutzt werden, funktionieren jetzt im 2. Online-Semester wirklich gut. Es gibt selbstverständlich Serverprobleme oder ähnliche Komplikationen, welche stören und Zeit verschwenden, aber das lässt sich ja kaum vermeiden. Dass man sich die Vorlesungen und den Lernstoff selbst in den Tagesplan einbauen und die Vorlesung auch zwischendurch pausieren kann, finde ich einen großen Vorteil. Zudem kommen mir, mit laufendem Nebenjob, die neuen Zeitfenster, in denen man Vorlesungen schauen und Stoff für die Uni erarbeiten kann, sehr entgegen. Selbstverständlich sind einige Vorlesungen live und zu bestimmten Terminen und Zeiten in der Woche angesetzt. Außerdem haben wir auch viele praktische Kurse in der Zahnklinik, da auf das praktische Arbeiten, wenn schon nicht am Patienten, nicht verzichtet werden kann.

Das Jahr im Rücken, blicke ich eher skeptisch nach vorne. Keine Patientenbehandlung vollziehen zu können, ist ein Defizit und ich hoffe, nicht mehr allzu lange darauf verzichten zu müssen. Selbstverständlich wird es möglich sein, diese Defizite auszugleichen. Fest steht aber auch, je länger die Patientenbehandlung fehlt, desto weniger Zeit bleibt, seine Fähigkeiten am Patienten auszuarbeiten und zu verbessern, bevor das Staatsexamen ansteht.

Der Beitrag ist in dentalfresh erschienen.

Foto Teaserbild: Maridav – stock.adobe.com

Fotos: privat/ngad/Kamjana – stock.adobe.com

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