Branchenmeldungen 07.05.2012

Anästhesisten machen Narkose sicher

Anästhesisten machen Narkose sicher

Foto: © S.Kobold - Fotolia.com

Deutsche Sicherheitsstandards zählen zu den besten in Europa

Checklisten wie aus der Luftfahrt, ausgeklü­gelte Fehlermeldesysteme und einheitliche Farbkennzeichnungen von Spritzen sind Beispiele, wie die Patientensicherheit im Arbeitsalltag von Anästhesisten gewährleistet wird. Ein Bündel solcher Maß­nahmen hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI) im Rahmen der Helsinki-Deklaration verabschiedet. Die in der europäischen Initiative zur Patientensicherheit gefor­derten Qualitäts­standards wurden innerhalb von zwölf Monaten von der DGAI in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten e. V. (BDA) umgesetzt. Im Bereich der Fehlermeldesysteme hat das deutsche Modell eine internationale Vorrei­terrolle erlangt. Mit der Gründung eines „Nationalen Forschungszent­rums AINS“ will die DGAI neben der Patientensicherheit auch die Bedeutung der Anästhesiologie für den Heilverlauf konsequent weiter entwickeln. Diese Aktivitäten zur Optimierung der Patientensicherheit sind gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Ärztemangels dringend notwendig. Dies berichteten Vertreter der DGAI und des BDA anläss­lich des Deutschen Anästhesiecongresses (DAC) in Leipzig.

„Die Anästhesiologie trägt seit jeher große Verantwortung für die Qualität und für die Sicherheit der Patienten in der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie sowie der Palliativmedizin“, erläutert
Prof. Dr. med. Walter Schaffartzik, Kongresspräsident des DAC, im Rahmen einer Presse­konferenz das Kongressmotto „Anästhesiologie bedeutet Patientensicherheit“. Die seit Juni 2010 geltenden euro­paweiten Maßnahmen zur Patientensicher­heit, die mit der Helsinki-Deklaration 2010 verabschiedet und von den deut­schen Anästhesisten als erste innerhalb von zwölf Monaten umgesetzt wurden, bieten hierzulande einen hohen Sicherheits­standard. Damit wurde die Grund­lage geschaffen, dass jede anästhesiologische Abteilung – egal ob es sich um eine große Universitätsklinik oder ein kleineres Krankenhaus handelt – alle Handlungsanweisungen und Voraussetzungen der Helsinki-Deklaration in die eigenen Arbeitsstrukturen umsetzen kann. Für die Patienten bedeutet dies, dass anästhesiologische Verfahren mit einem anästhesieassoziierten Mortalitätsrisiko von 0,04 pro 10.000 Nar­kosen so sicher wie noch nie sind [1]. „Dies wird im Rahmen von jähr­lich rund 10 Millionen Anästhesien in Deutschland, an denen circa 18.500 Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie und weiter rund 5.000
Weiterbildungsassistenten mitwirken, Tag für Tag bestätigt“, bekräftigt Werner.

Demografische Entwicklung – Herausforderung für die Anästhesisten

Die demografische Entwicklung wird die Anästhesie in den kommenden Jah­ren vor erhebliche Herausforderungen stellen. Denn die zu behandelnden Patienten werden immer älter und sind oft von vielen Erkrankungen gleichzei­tig betroffen, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Wurden 2006 rund 190.000 über 80-jährige Patienten hierzulande an den Verdau­ungsorganen operiert, waren es 2009 bereits über 300.000. Gleichzeitig ist die Zahl der notwendigen Operationen insgesamt um über 2 Millio­nen gestiegen“, so der Vizepräsident der DGAI, Prof. Dr. med. Christian Werner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Da das Risiko für Narkosekomplikationen bei älteren und oftmals multimorbiden Patienten höher ist als bei gesunden, kommt es aufgrund der demografischen Entwicklung zu einem rein rechnerisch bedingten Anstieg des Sterberisikos auf 2,7 pro 10.000 Narkosen [1]. Ein Grund mehr, die Sicherheit der Anästhesie weiter zu optimieren.

Deutsches Fehlermeldesystem CIRS-AINS setzt internationale Standards

Wie in der Helsinki-Deklaration gefordert, sind Patientensicherheits- und Feh­lermeidungssysteme (CIRS) ein fester Bestandteil der Sicherheitsstruktur in anästhesiologischen Abteilungen. Gemäß dem Prinzip „Lernen aus Fehlern“ werden freiwillig und anonym gemeldete, sicherheitsrelevante Ereignisse analysiert und als Lehrmaterial aufbereitet. Einzigartig ist, dass durch einzelne Ereignisse Einblicke in mögliche systematische Schwachstellen und Problem­bereiche erlangt werden und durch deren Verbesserung die Patientensicher­heit nachhaltig erhöht werden kann. Mit CIRSmedical Anästhesiolgie
(CIRS-AINS) steht in Deutschland die größte fachspezifische Fehlermeldeplattform in der Medizin zur Verfügung. „Auch im interna­tionalen Vergleich setzt das deutsche Meldesystem Standards. Weltweit wird auf das deutsche Know-how zurückgegriffen“, erläutert der DGAI-Generalsek­retär Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hugo Van Aken, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Münster.

Patientensicherheit weiter stärken: Nationales Forschungszentrum AINS

Mit diesem Status quo gibt sich die DGAI nicht zufrieden, sondern initiiert kon­tinuierlich weitere Maßnahmen zur Optimierung der Patientensicherheit. So wurde das Fehlermeldesystem CIRS-AINS, das anfänglich nur in Kliniken ini­tialisiert war, auf den ambulanten Bereich ausge­weitet. Mit der Gründung eines „Nationalen Forschungszentrums AINS“ soll eine zentrale Datenbank mit unter anderem anästhesiologischen und intensivmedizinischen Daten aufge­baut werden. Somit sollen neue Handlungsfelder mit Zukunftspotential identifi­ziert, klinische Studien gefördert, Behandlungsformen analysiert und Versorgungsforschung durchgeführt werden. Zudem hat die Stiftung Deutsche Anästhesiologie erstmals den „Safe-Anaesthesia-Award“ verliehen. „Mit dem Preis werden herausragende Projekte und wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Patientensicherheit in der Anästhesiologie gewürdigt“, erklärt der Stiftungsvorstand Prof. Dr. med. Dr. h.c. Klaus van Ackern. Der diesjährige Preis wurde Dr. med. Michael St.Pierre, Oberarzt der Anästhesiologischen Klinik, Universitätsklinikum Erlangen, verliehen. Er hat die Effektivität von CIRS-AINS maßgeblich im Hinblick auf die Sicherstellung des organisationellen Lernens sowie der Begleitung von Veränderungen vor Ort in Kliniken weiterentwickelt.

Gegen den Ärztemangel – Nachwuchsgewinnung hat oberste Priorität

„Ein Mangel an qualifiziertem Nachwuchs – wie er in allen anderen Facharzt­gruppen auch herrscht – birgt zunehmend die Gefahr, dass eine durchgängige qualitativ hochwertige Patientenbetreuung nicht mehr zur Verfügung steht“, beschreibt der Präsident des BDA, Prof. Dr. med. Götz Geldner, Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerzthera­pie am Klinikum Ludwigsburg-Bietigheim gGmbH, die Konsequenzen des Ärztemangels für die Anästhesiologie. Einer Umfrage des BDA [2] zufolge sind in 50 Prozent aller Anästhesieabteilungen – meist unabhängig von der Größe und der Art des Krankenhauses – die Arztstellen nicht besetzt. Dies betrifft vor allem Krankenhäuser in strukturschwachen Gebieten. Als Reaktion auf den Ärztemangel haben DGAI und BDA gemeinsam die bundes­weite Kampagne „Mein Puls­schlag“ zur Gewinnung von Anästhesisten-Nachwuchs gestartet. Seit 2010 werden Medizinstudenten sowie jungen Ärztinnen und Ärzten die Attrakti­vität der Anästhesiologie durch zahlreiche Aktionen und Informationsangebote näher gebracht.

Fazit: Narkosen sind so sicher wie noch wie

„Wir stehen mit all unseren Programmen im europäischen Vergleich mit in der vordersten Reihe“, bewertet Van Aken, auf dessen Initiative die Helsinki-Deklaration entstanden ist, den deutschen Sicherheitsstandard. „Für den Pati­ent bedeutet dies, dass Narkosen so sicher wie noch nie sind“, so der DGAI-Generalsekretär. Dennoch ist nach Auffassung von Van Aken eine verbesserte Finanzierung der Weiterbildung unumgänglich. „Aufgrund der vorgestellten Rahmenbedingungen und den gestiegenen Anforderungen in der Weiterbildung sowie den höheren ethischen Standards ist die Weiterbildung an teilweise multimorbiden Patienten heutzutage nicht mehr akzeptabel. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass effektives Lernen an Simulatoren möglich ist. Daher benötigen wir dringend eine verbesserte Finanzierung der Weiterbildung“, fasst Van Aken abschließend seine Forderung zusammen.

Weitere Informationen zum Kongress finden Interessierte auf www.dac2012.de.

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