Abrechnung 21.10.2009
Zahnmedizinisch notwendig oder nicht?
Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ darf der Zahnarzt eine Vergütung nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst zahnmedizinisch notwendig sind. Leistungen, die über das Maß der zahnärztlich notwendigen Versorgung hinausgehen – wie beispielsweise ästhetisch-kosmetische – darf er nur berechnen, wenn der Zahlungspflichtige diese Leistungen verlangt.
Verlangte Leistungen, die das Maß der zahnmedizinisch notwendigen Versorgung überschreiten, können insgesamt oder zu Teilen nicht notwendige Leistungen sein.
Derartige Leistungen, wenn sie nicht in der GOZ/GOÄ enthalten sind – und deren Vergütung – müssen vor Behandlungsbeginn in einem Heil- und Kostenplan nach § 2 Abs. 3 GOZ schriftlich vereinbart werden.
Wirksamkeitsvoraussetzung für diese Vereinbarung ist also die Schriftform vor der Erbringung der Leistung, in dem Schriftstück eine verständliche Beschreibung der einzelnen Leistung im Klartext, eine präzise Angabe zur Vergütungssumme in Euro, die datierten Unterschriften von Patient und Zahnarzt sowie die Feststellungen, dass es sich um Leistungen auf Verlangen des Zahlungspflichtigen handelt und dieser darauf hingewiesen wird, dass eine Erstattung der Vergütung nicht gewährleistet ist.
Dazu gehört sicherheitshalber die mündliche Erklärung, dass zu einer derartigen Verlangensleistung in aller Regel keinerlei Erstattung erfolgt. Im Gegensatz hierzu stehen zahnmedizinisch über das Maß einer notwendigen Versorgung hinausgehende Leistungen, die in der GOZ/GOÄ enthalten sind, also Leistungen ausschließlich aus kosmetischen Gründen. Derartige Leistungen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ – wenn sie zahnmedizinisch vertretbar sind – müssen vom Zahlungspflichtigen ausdrücklich „verlangt“ werden, damit der Zahnarzt nach Ausführung der Leistung Anspruch auf eine Vergütung hat.
Wenn dieses ausdrückliche Verlangen nicht beweisbar dokumentiert ist, am besten mit Unterschrift des Zahlungspflichtigen/Patienten, dann wird es unter Umständen schwierig, den Vergütungsanspruch tatsächlich durchzusetzen.
Eine schriftliche Vereinbarung für Leistungen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ (in der GOZ enthaltene Verlangensleistungen) unterliegt keinen Formvorschriften. Es genügt, die Leistung präzise zu benennen (z.B. „Ausgehprothese“ oder „kosmetisch-ästhetischer Füllungsaustausch“) und den Satz hinzuzufügen: „Ich verlange die oben aufgeführte Leistung(en) und weiß, dass eine Erstattung der berechneten Vergütung für diese Leistung(en) nicht gewährleistet ist.“
Pflicht des rechnungausstellenden Zahnarztes ist, verlangte Leistungen, also
- die in der GOZ enthaltenen (§ 1 Abs. 2 Satz 2) und
- die in der GOZ nicht enthaltenen (§ 2 Abs. 3)
Leistungen* auf der Rechnung als „Verlangensleistung“ zu kennzeichnen, z.B. als *Leist. i.S.v. § 1 (2) 2.
Art und Umfang einer notwendigen zahnärztlichen Versorgung sind immer nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu bestimmen. Das heißt, über die (zahn-)medizinische Notwendigkeit muss der Zahnarzt den Patienten aufklären und beraten – einschließlich möglicher Risiken und die Vereinbarung muss im Einzelfall abgesprochen worden sein, um Wirkung zu erlangen.
Berechnung von adhäsiv am Zahn befestigten „Verblendschalen“
Bei der Versorgung mit einem „Veneer“ (Verblendschale, Facing, Laminate, Funktionsfläche) handelt es sich um eine Therapieform, die z.B. nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung (GKV) ist und zudem in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ ’87) nicht beschrieben ist.
Die Berechnung von Veneers ist abhängig von deren Indikation. Steht bei der geplanten Versorgung die Kosmetik im Vordergrund, ist es notwendig, vor Beginn der Behandlung mit dem Patienten eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 3 GOZ zu schließen für eine „nicht in der GOZ enthaltene Verlangensleistung“, die das Maß der notwendigen Versorgung überschreitet.
Bei einer Verlangensleistung wird – wie bereits ausgeführt – eine Vereinbarung getroffen, die an folgende Voraussetzungen gebunden ist: Die Vereinbarung wird vor Beginn der Behandlung getroffen und wird von der Zahnärztin/dem Zahnarzt und der Patientin/dem Patienten (der/dem Zahlungspflichtigen) unterschrieben. Sie muss weiter den Hinweis enthalten, dass es sich um eine Leistung auf Verlangen des Zahlungspflichtigen handelt und eine Erstattung möglicherweise nicht gewährleistet ist. Die Leistung (Klartext z.B. „kosmetisches Veneer“) und Vergütung (in Euro z.B. 250,– Euro zzgl. Mat.-Lab.) muss genau definiert sein.
Das Aufführen einer Gebührennummer ist für nicht in der GOZ enthaltene Leistungen nicht möglich und das Aufführen einer vergleichbaren Leistung (Analogie) aus der GOZ ist bei einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ nicht vorgesehen.
Liegt eine zahnmedizinische Indikation für die Versorgung mit einem Zahn erhaltenden Veneer vor (notwendige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ), so kommt eine Berechnung der nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthaltenen Restaurationsform als Analogleistung infrage. Analogieberechnung ist grundlegend in § 6 Abs. 2 GOZ geregelt und die Formalien der Rechnungslegung in § 10 Abs. 4 GOZ.
Im Rahmen der Analogiebildung (Leistungsbemessung im Wege des Vergleichens) muss für diese Leistung im Gebührenverzeichnis der GOZ eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand „gleichwertige“ Leistung herangezogen werden. Als ggf. gleichwertig und somit vergleichbar bietet sich die Ziffer 222 GOZ (Versorgung eines Zahnes durch eine Teilkrone einschließlich Rekonstruktion der gesamten Kaufläche) an, wobei es natürlich jedem Zahnarzt freigestellt ist, eine andere Vergleichsleistung auszuwählen, die ggf. nach Kosten- und Zeitaufwand besser zutreffend, aber nach Art nicht völlig fehlweisend oder unvergleichbar ist.
Interessant für die Vergütungsfindung ist, dass der aktuelle Referentenentwurf zur Novellierung der GOZ eine mittlere Vergütung für ein adhäsiv befestigtes glaskeramisches Veneer von ca. 215,– Euro vorsieht (Mittelsatz der Ziffer 222 beträgt ca. 200,– Euro), jedoch die „Honorarordnung der Zahnärzte“ (HOZ der Bundeszahnärztekammer) eine (untere) Basisvergütung für ein Veneer von ca. 258,– Euro vorsieht. Vor der Wahl der Analogziffer und der Festsetzung des ggf. vereinbarten Steigerungssatzes muss die individuelle Kalkulation der Leistung erfolgt sein. Eine verordnungskonforme Rechnungszeile für ein Veneer könnte so aussehen: „Datum Zahn 1 x (A 222) ‚adhäsiv-keramisches Veneer‘ entsprechend ‚Teilkrone n. 222‘ Faktor Betrag in Euro.“
Analogleistungen müssen nicht schriftlich vereinbart werden, da es sich um zahnmedizinisch notwendige Versorgungsformen handelt. Aber es ist empfehlenswert, mit dem Patienten vor Beginn der Behandlung einen Heil- und Kostenplan zu vereinbaren, damit er über seine Kosten aufgeklärt ist und ggf. die Erstattung der Leistung mit seiner Krankenversicherung abklären kann.
Autorin: Simone Möbus