Kieferorthopädie 12.09.2011

discovery® sl in MBT – ein erster Eindruck aus der Praxis

Dr. Wibke Lindemann aus Löhne stellt im Rahmen des diesjährigen KN-Themenschwerpunkts ihre ersten Erfahrungen mit discovery® sl 2.0, der neuen Generation des selbstligierenden Dentaurum-Brackets, vor.

Windows 95, Windows 98, Windows 7 – die Reihe ließe sich auf viele Produkte und deren Generationen ausdehnen. Insbesondere die IT-Branche ist ein gutes Beispiel für schnelle Generationswechsel. Doch genau genommen stoßen wir in allen Bereichen unseres Lebens immer wieder auf neue Generationen. So ist es zum Beispiel erst – in Relation zur Menschheitsgeschichte – einen Augenaufschlag her, dass Carl Benz sein Patent für den Benz Motorwagen Nr. 3 erhielt. Was ist aus diesem ers-ten pferdelos angetriebenen Gefährt in nur 125 Jahren für ein Produkt geworden? Berta Benz brauchte mit dem ersten Automobil für die 106km von Mannheim nach Pforzheim über neun Stunden. Eine Distanz, die wir heute in knapp einer Stunde zurücklegen.

Andererseits geht es Ihnen vielleicht auch manchmal auf die Nerven – schon wieder eine neue Generation, wieder etwas anderes, wieder etwas Neues? Aber mal ganz ehrlich, stecken nicht in jeder neuen Genera­-tion auch immer Verbesserungen? Man sollte dem positiv gegenüberstehen, ohne den kritischen Blick für Bewährtes und Innovatives zu verlieren. Mein Credo ist daher, den Ge­nerationswechsel als etwas Positives anzusehen. In diesem Sinne muss man auch eine neue Generation von SL-Brackets betrachten. Man kann einfach nicht erwarten, dass alles von Anfang an perfekt ist. Oder haben Sie nach dem Studium schon so perfekt behandelt wie heute? Man muss sich kritisch mit dem Vorhandenen auseinandersetzen, um andere We­ge und bessere Lösungen zu finden. Genau das haben die Ingenieure von Dentaurum getan und mit discovery® sl 2.0 einige Dinge optimiert.

Bewährtes bewahren …

… heißt im Fall von discovery sl 2.0 zum Beispiel, dass sich die Größe nicht geändert hat und es sich – nach Herstellerangaben – um das kleinste SL-Bracket der Welt handelt (Abb. 1a und 2a). Fakt ist, meine Patienten mögen das Bracket. Weil es so schön klein ist und kaum auffällt. Für mich und mein Team spielen natürlich andere Faktoren bei der Beurteilung bzw. dem Vergleich zwischen der ersten und zweiten Generation eine Rolle. Nach dem Öffnen der Verpackung galt unser erster Blick der Basis. Die inzwischen bei uns sehr beliebten FDI-Zahlen im Bereich der Laserretention waren noch da. Beim Kleben gab es keinen Unterschied. Auch die neue Generation ließ sich gut erfassen und andrücken. Das Ausrichten ist dank der auf dem Deckel eingravierten Markierungen für den Slotverlauf und die vertikale Bracketachse unprob­lematisch.

Klipp, klapp

Das heikelste Teil an einem SL-Bracket ist der Slotverschluss – egal ob es sich um einen Clip, Schieber oder wie bei discovery sl um einen Deckel handelt. Bei der ersten Generation stellten wir öfter fest, dass die Deckel nur schwer aufgingen und beim Bogenwechsel nicht zuverlässig offen blieben. Als Erstes fällt auf, dass die Öffnung zum Einführen des SL-Ins­truments sich nicht mehr okklusal (Abb. 1a, b) befindet, sondern auch schon von vestibulär sichtbar und insgesamt größer ist (Abb. 2a, b; 3a, 4d). Das erleichtert die Applikation des neuen SL-Instruments. Man führt es nicht mehr von vertikal (Abb. 1c), sondern in horizon­taler Richtung (Abb. 2c) in die Ausstanzung des Deckels ein. Demzufolge unterscheidet sich auch die Rotationsbewegung zum Anheben des Deckels, damit dieser die Rastnasen des Verschlusses überwinden kann. Bei der ersten Generation muss man das Instrument mit mehr oder weniger starkem Kraftaufwand nach vestibulär drehen (Abb. 1d, e). Bei der zweiten Generation hingegen reicht eine leichte Rotation nach okklusal aus und der Deckel springt auf (Abb. 2d, f).

Das Öffnen ist nach den ersten Erfahrungen bei der 2.0-Version deutlich einfacher. Zu erklären ist dies durch die unterschied­liche Lage der Rast­nasen (Abb. 1e, 2e). Diese wurden jetzt mehr nach basal verlegt. Der spürba­re Vorteil beim Öffnen ergibt sich aber hauptsächlich aus der veränderten Öffnungsbewegung, die jetzt in Kraftrichtung liegt. Bei der ers­ten Generation muss der Deckel gegen die Rastnasen gedrückt werden, um diese zu überwinden (Abb. 1e). Bei der zweiten Generation zieht man den Deckel von den Rastnasen weg (Abb. 2e). Für den Bogenwechsel muss der Verschluss eines SL-Brackets offen bleiben und darf sich nicht ungewollt verschließen. Im Ge­gensatz zu Schiebern ist dies bei einem Deckel technisch wesentlich schwieriger zu realisieren. Bei der ers­ten Generation befand sich die Deckelbremse in der Nähe der Deckelachse. Der Deckel soll sich dort verklemmen und dadurch offen bleiben. Das hat jedoch nicht immer zuverlässig funktioniert. Bei der zweiten Generation bilden die gingi­valen Flügel die Bremse. Zum vollständigen Öffnen des Deckels drückt man ihn mithilfe des SL-Instruments oder der Finger nach zervikal zwischen den Flügeln durch. Ist diese fühlbare Sperre überwunden, kann der Deckel nicht mehr von allein zufallen. Dies ist auch der Grund, dass der Slot jetzt immer offen ist. Nach den ersten Erfahrungen funk­tioniert dies zuverlässig. Zum Schließen wird der Deckel mit­tels Finger oder Instrument in okklusale Richtung gedrückt. Dabei muss man spürbar die Sperre zwischen den Flügeln überwinden. Das Einrasten des Deckels in seine Verschlussposition ist ebenfalls deutlich zu spüren.

Bei der ersten Generation (Abb. 1a) kam es immer wieder vor, dass sich Deckel verbogen haben. Dies trat vornehmlich bei den in der Basis angulierten Brackets auf. Bei diesen kann der Deckel, bezogen auf die Scharnierachse nur schräg geöffnet werden. Bei den neuen SL-Brackets (Abb. 2a) werden alle Deckel gerade geöffnet. Ob dies sich bewähren wird, bleibt abzuwarten. Anzumerken ist und das gilt für alle Varianten von SL-Brackets, dass der Verschluss das sensibelste Teil ist. Hier muss einfach mit der gebotenen Vorsicht gearbeitet werden. Ein verbogener Verschluss ist nicht mehr zu reparieren. Bietet das Bracket entsprechen­de Flügel, muss es nach einem Defekt des Verschlusses nicht entfernt werden. Man kann
den Bogen in konventioneller Weise mit einer Ligatur einbinden.

Erste Patientenfälle

Insgesamt haben wir bislang bei fünf Patienten discovery sl 2.0 eingesetzt. Zwei dieser Fäl-le möchte ich an dieser Stelle kurz exemplarisch vorstellen.

Fallbeispiel 1
Die 33-jährigen Patientin wünscht einen Lückenschluss im OK und UK und wir die Einstellung einer beiderseitigen Klasse I-Verzahnung. In der Vorbereitungsphase wurden eine systematische PAR-Therapie und eine Frenulotomie durchgeführt. Anfang Juli 2011 klebten wir die Brackets. Das Einligieren des ersten Bogens (12er NiTi) gestaltete sich problemlos (Abb. 3).
 

Fallbeispiel 2
Der Ausgangsbefund der zweiten Patientin (damals zehn Jahre alt) zeigte im Ober- und Unterkiefer eine retrudierte, gekippte, rotierte und verlängerte Front bei Klasse II-Verzahnung. Aufgrund der verlagerten Zäh­ne 35/45 persistierten die Zäh-ne 75/85 in Infraposition (Abb. 4a). Die Vorbehandlung erfolgte für fast elf Monate mit einem U-Bügel Aktivator Typ II nach Karwetzky zur Korrektur der Bisslage und zum Anheben des Bisses (Abb. 4b). Im März 2011 wurden die Brackets geklebt und 14er NiTi-Rundbögen eingesetzt. Palatinale Aufbis­se (11/21) ermöglichten das gleichzeitige Kleben von OK- und UK-Brackets (Abb. 4c). Einen Monat später erfolgte der Wechsel auf 18er NiTi-Rundbögen. Im Juni 2011 gliederten wir 16 x 22 NiTi-Bögen ein. Die Abbildung 4d zeigt die Situation Ende Juli 2011 vor Extraktion von 75/85 und chirurgischer Freilegung und Anschlingen von 35/45. Die Eltern und auch die Patientin selbst sind begeistert von den Brackets und vom Verlauf der Behandlung.

Fazit

Der erste Eindruck von discovery sl 2.0 ist sehr positiv. Durch den veränderten Verschluss sind das Öffnen, der Bogenwechsel und das Schließen bei der zweiten Generation deutlich besser realisierbar als bei der ersten Version. Eine detailliertere Bewertung und ein direkter Vergleich der Generationen sind natürlich erst möglich, wenn mehrere Fälle abgeschlossen sind.

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