Digitale Zahnmedizin 06.12.2011

Digitale Abformung – die Fakten und Vorteile



Digitale Abformung –  die Fakten und Vorteile

Ohne die Abformung wäre unsere heutige Zahnheilkunde nicht denkbar. Aber seit Jahrzehnten hat sich an der Abformungstechnik nicht viel verändert, lediglich die Abformmaterialien wurden weiterentwickelt. Erst in den 1980er-Jahren ist die digitale Abformung (Digital Impression), in Form eines intraoralen optischen Scans, als neue Technik hinzugekommen. Mittlerweile ist die Technik so gut entwickelt, dass sie bei einer Vielzahl von Indikationen eingesetzt werden kann. Welche Veränderungen diese neue Technik mit sich bringt, soll in diesem Beitrag betrachtet werden.

Abformungen erfüllen vielerlei Zwecke in der Zahnheilkunde. Die erste Abformung, die ein Patient in der Praxis erlebt, ist meist die einer Situations­abformung. Diese wird verwendet, um eine Situation vor Behandlungsbeginn festzuhalten. Dies dient zum einen der Behandlungsplanung und zum anderen der Dokumentation und Archivierung. Solche Anforderungen muss natürlich auch eine digitale Abformung erfüllen können. Planen ist am Computerbildschirm möglich, es entspricht aber bei den meisten Behandlern und Zahntechnikern nicht dem Idealfall. Ein „echtes“ Modell ist anschaulicher, ist anfassbar und kann auch ohne Probleme für Wax-ups oder Sonstiges verwendet werden. Deshalb muss auch bei der digitalen Abformung die Möglichkeit bestehen, ein Modell herzustellen. Dies ist natürlich schon möglich, jedoch unterscheiden sich diese Modelle deutlich von den Modellen, welche aus einer konservativen Abformung heraus hergestellt werden. Um diese Modelle zu fertigen, gibt es verschiedene Wege. Bei der subtraktiven Methode werden die Modelle aus einem Block gefräst, wobei die präparierten Stümpfe separat gefräst und dann gepflanzt werden.

Bei der Additiven Methode (Stereolithiografie) wird das Modell aus einzelnen Schichten aufgebaut. Des Weiteren gibt es noch Modelle, welche durch Kunststoff-Laser-Sinter-Systeme oder mit 3-D-Drucker hergestellt werden. All diese Modelle erfüllen die Ansprüche an ein Situationsmodell für die Planung und Archivierung. Für die Archivierung ist allerdings ein Modell nicht zwingend notwendig, da die Speicherung der Datensätze ausreichend ist. Die Vorteile sind natürlich der Wegfall eines Lagers für die Archivierung der Modelle, da je nach Festplatte des Computers praktisch unbegrenzt Platz vorhanden ist. Jedoch wird oft die Gefahr eines Verlustes der Daten nicht bedacht, deshalb ist es wichtig, an entsprechende Datensicherungsmaßnahmen zu denken. Bei definitiven Abformungen von Präparationen steht neben den allseits bekannten Anforderungen (ungiftig, dimensionsstabil, schnell zu verarbeiten, angenehmer Geschmack usw.) vor allem die Genauigkeit im Vordergrund. Auch die folgende Modellherstellung sollte sehr präzise sein, damit letztendlich ein perfekt passender Zahnersatz gefertigt werden kann.

Diesen Anforderungen muss auch die digitale Abformung gerecht werden können, wenn sie die konventio­nelle Abformung ersetzen möchte. Doch genau diese Ansprüche werden zurzeit noch nicht komplett erfüllt. Die Präzision des Scans ist bei kleinen Restaurationen sehr hoch und absolut ausreichend, allerdings leidet die Exaktheit bei Abformungen des gesamten Kiefers oder bei Restaurationen mit großen Spann­weiten, da der Datensatz aus einzelnen Aufnahmen ­zusammen­ge­setzt wird. Dabei entstehen sogenannte „Matching­fehler“. Je größer der Bereich der Abformung ist, desto mehr Bilder sind nötig und desto mehr Bilder müssen zusammengefügt werden. Wenn der Fehler sehr klein ist, so ist dies bei wenigen Bildern kein ­Problem, bei ­vielen Bildern können sich diese kleinen Fehler aber zu einem größeren, erheblichen Fehler ­addieren. Bei definitiven Versorgungen wird in der Regel ein ­Arbeitsmodell benötigt. In puncto Präzision kommen allerdings Modelle, welche aus Datensätzen hergestellt werden, nicht ganz an die Genauigkeit der Gipsmodelle aus konventionellen Abformungen heran. Vor allem bei Modellen, die aus einzelnen Schichten hergestellt werden, ist momentan noch eine Stufung mit bloßem Auge zu erkennen. Deshalb kann zurzeit auf diesen Modellen Zahnersatz nicht so präzise gefertigt werden, wie dies auf konventionellen Modellen möglich ist. Bei den gefrästen Modellen fällt diese Stufung weg, und auch die Fertigungsgenauigkeit liegt in einem hohen Bereich. Allerdings ist auch hier die Genauigkeit, vor allem bei feinen Details, durch den Fräserradius begrenzt. Ein weiterer Bereich der Abformung liegt in der Totalprothetik. Hier nimmt die Funktionsabformung einen großen Stellenwert ein, da Muskelansätze und Bänder bei der Gestaltung der Basis mit einfließen müssen. Diese mukodynamischen Bewegungen sind derzeit nur mit den konventionellen Abformungen zu erfassen.

Warum digital Abformen?

Die digitale Abformung ist deshalb so interessant, weil sie sehr viele Vorteile gegenüber der konventionellen Technik bietet. Eine der größten Unannehmlichkeiten beim Zahnarztbesuch ist die Abformung. Der Großteil der Patienten hat Probleme mit dem ­Würgegefühl oder empfinden den Geschmack (z.B. bei Polyetherabformungen) als äußerst unangenehm. Dagegen wird die digitale Abformung von Patienten sehr gut angenommen. In vielen Fällen ist diese be­rührungslos, sodass das unliebsame Würgen entfällt. Lediglich teilweise sind kleine Abstandshalter aus Silikon angebracht, welche auf die Zahnreihe aufgesetzt werden, um einen gleichmäßigen Abstand zur Präparation und eine ruhige Arbeitsweise zu gewährleisten. Da bei der digitalen Abformung kein Abformmaterial abbinden muss, ist der zeitliche Aufwand deutlich reduziert. Diese Verkürzung des Zeitaufwandes ist einerseits für den Patienten angenehm, und andererseits ein wirtschaftlicher Vorteil für den Behandler. Man kann also eine digitale Abformung durchaus als Alternative und als Service für Problem- oder Angstpatienten ansehen, bei welchen eine konventionelle Abformung für den Behandler sehr schwierig und/oder für den ­Patienten sehr unangenehm ist. Nachdem die digitale Abformung bzw. der intraorale Scan erfolgt ist, kann das Ergebnis sofort am Bildschirm betrachtet werden. So kann der Sachverhalt dem Patienten anschaulich, falls nötig auch stark vergrößert, dargestellt werden. Dies erleichtert die Betrachtung vor allem, wenn es sich um Feinheiten oder um sehr kleine Strukturen handelt. Dies verbessert die Patientenkommunikation und führt damit zu einer erhöhten Akzeptanz der Behandlung und des geplanten Zahn­ersatzes. Für den Behandler bedeutet das Betrachten der Situation direkt nach der Abformung die Möglichkeit einer sofortigen Korrektur. Es können Unterschnitte in einer Präparation oder eine Divergenz der Pfeiler auf dem Bildschirm farblich markiert und dargestellt werden. Auch fehlerhafte oder ungenaue Stellen im Scan sind sofort erkennbar. Bei der konventionellen Abformung bedeuten Fehler, seien es Blasen, Risse, fehlende Präpgrenzen oder Inhomogenitäten, das Verwerfen und das Herstellen einer neuen Abformung. Dies hat erhebliche Mehrkosten (teuere Polyethermaterialien) und einen zeitlich erheblichen Mehraufwand zur Folge, zudem ist der Behandlungsstuhl weiterhin blockiert. Nicht zu vergessen der Patient, welcher erneut eine Abdrucknahme mit allen Unannehmlichkeiten ertragen muss. Im schlimmsten Fall stellt sich die Abformung erst nach der Modellherstellung als unbrauchbar heraus und es muss ein neuer Termin nur für die Abformung eingeplant werden.

Bei der digitalen Abformung stellen hingegen Fehler ein geringes Problem dar. Fehlerhafte Stellen oder nachpräparierte Stümpfe können einfach nachgescannt und in die schon bestehende digitale Abformung eingefügt bzw. ergänzt werden, ohne dass ein kompletter neuer Scan stattfinden muss. Die Folge sind wiederum weniger Sitzungen und weniger Probleme, welche ansonsten eine Nachpräparation oder eine ­fehlerhafte Abformung mit sich bringen. Die heutigen Systeme sind zudem sehr anwenderfreundlich und bieten wenig Fehlerquellen, sodass die Abformungen, unabhängig davon, ob der Behandler oder die Assistenz den Scan macht, eine gleichmäßige und gute Qualität aufweisen. Während anfangs für die digitale Abformung das ­betreffende Areal mit einem Puder bedeckt werden  muss­­te, um störende Reflexionen bei der Aufnahme und dadurch schlechte Scanergebnisse zu vermeiden, benötigen viele der heutigen Systeme keinen Puder mehr. Auch musste früher per Schalter die Aufnahme aus­gelöst werden, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, in dem der Behandler eine Position gefunden hatte, in welcher sich ein gutes, fokussiertes Bild ergab. Da oftmals der richtige Zeitpunkt verpasst wurde, führte dies zu einem unerwünschten zeitlichen Mehraufwand. Bei den meisten Systemen wird deshalb heute die Aufnahme automatisch ausgelöst, sobald die ideale Position erreicht wird. Dadurch und durch die sofortige Kontrollmöglichkeit wurde die Qualität der digitalen Abformungen weiter erhöht. Nicht zu vergessen ist die Möglichkeit, Zahnersatz chairside zu fertigen. Erst die digitale Abformung brachte den entscheidenden Zeitvorteil, sodass in einer Sitzung ein Patient mit Inlays, Teilkronen oder Kronen versorgt werden kann. Da hierbei zudem auch auf ein Modell verzichtet werden kann, ist eine weitere Kostenreduzierung die Folge. Auch der Wegfall von Abformmassen, der Reinigung und Desinfizierung von Löffeln sowie des aufwendigen Versandes von Abformungen ist ein willkommener Nebeneffekt der digi­talen Abformung. Des Weiteren gibt es noch eine Reihe kleiner Vorteile. Zum Beispiel können bei Verlaufskontrollen die Datensätze übereinandergelegt und damit Zahnwanderungen genauestens verfolgt werden. Bei Frakturierung des Zahnersatzes kann in der Regel ohne eine neue ­Abformung die fertige Restauration anhand des vorhandenen Datensatzes neu hergestellt werden. Es wird bei der Abformung kein Druck auf das Weichgewebe ausgeübt, was zu falschen Abformergebnissen führen könnte. Die Liste der Vorteile würde sich noch fortsetzen lassen, aber allein die angesprochenen Vorteile machen klar, warum die digitale Abformung so ­erfolgreich ist und sie deshalb immer stärker in der ­Praxis Einzug hält.

Und wie geht es weiter?

In Zukunft wird es vor allem auf zwei Dinge ankommen: Zum einen muss die Genauigkeit der digitalen Ab­formung bei kompletten Kieferaufnahmen bzw. sehr großspannigen Restaurationen weiter optimiert werden. Zum anderen müssen gefertigte Modelle aus ­Datensätzen die gleiche Qualität in Genauigkeit, Dimensionsstabilität usw. erreichen wie die jetzigen Modelle aus Gips. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann hat die digitale Abformung das Potenzial, die ­konventionelle Abformmethode weit zu verdrängen. Denn dann können auch konventionelle Techniken wie die Gusstechnik, Presstechnik und das Schichten von Keramik mit der digitalen Abformung ohne Qualitätsverluste kombiniert werden.

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