Branchenmeldungen 28.02.2013
Der Kunst auf den Zahn gefühlt
Sammeln ist eine menschliche
Leidenschaft, die keine Grenzen kennt. Museen mit ihren
unterschiedlichen Themenschwerpunkten sind dafür die besten
Beispiele. Doch auch so manche Privat- oder Firmensammlung macht von
sich reden und wird durch ihre Sammeltätigkeit in einem
Spezialgebiet zum Bewahrer kulturhistorischer Zeugnisse und
Strömungen.
Manfred Schmitt, Geschäftsführer der
Firma BonaDent, sammelt seit seiner Kindheit. Anfangs waren es
Murmeln, später Bücher. Schon als Junge ging er mit Begeisterung
ins Museum und nahm an archäologischen Ausgrabungen teil. Seit er
1974 den Auftrag erhielt, ein Unternehmen für zahnmedizinische
Produkte aufzubauen, begann er sich für die Geschichte der
Zahnheilkunde zu interessieren. Mit dem Erwerb seines eigenen
Unternehmens vor über dreißig Jahren kaufte er nach und nach
Gemälde, Bücher und Skulpturen, welche die Darstellung von
Zahnärzten und der Heiligen Apollonia zum Thema haben. Ein
Zahnarztstuhl von ca. 1885 aus der Fürstenfamilie der von
Hohenzollern und viele zahnmedizinische Instrumente gehören
ebenfalls dazu. So ist über die Jahre hinweg eine ansehnliche
Sammlung entstanden, die eine Zeitspanne von fünf Jahrhunderten
umfasst.
Auszüge aus der Sammlung BonaDent
Die Heilige Apollonia verdankt ihre
Aufgabe als Schutzpatronin der Zahnärzte und Zahnkranken dem
Martyrium, das sie während der Christenverfolgung im Jahre 249 n.
Chr. in Alexandria erlitt. Ihr wurden alle Zähne ausgeschlagen oder
einzeln gezogen – darüber sind sich die Quellen nicht einig. Als
sie ihrem christlichen Glauben nicht abschwören wollte, errichteten
ihre Peiniger einen Scheiterhaufen. Statt auf ihre grausame
Hinrichtung zu warten, warf sie sich selber ins Feuer. Der Kult, der
sich um die Heilige entwickelte, weitete sich von Alexandria nach
Europa aus. Erstmals wurde sie um 850 von Florus von Lyon erwähnt.
An ihrem Gedenktag, dem 9. Februar, hoffen die Gläubigen im
Angesicht ihrer Reliquien auf eine wundertätige Heilung. Auf
Andachtsbildern und Altarblättern weist sich die Heilige Apollonia
durch die Zange mit dem Zahn aus. Heilige dienen nicht nur als
Fürbitter bei Gott, sondern auch als Vorbilder in ihrer Liebe zu
Gott und im Erdulden von Qualen. Dass man diesen Beistand brauchte,
wird verständlich, wenn man sich niederländische Genrebilder aus
dem 16. und 17. Jahrhundert anschaut. In der Sammlung BonaDent sind
einige schöne Zeugnisse, wie etwa das Gemälde “Der Besuch beim
Zahnbrecher“ von Jan Josef Horemans aus dem 18. Jahrhundert, zu finden. Die
Zahnärzte der damaligen Zeit absolvierten keine akademische
Laufbahn, sondern gehörten, aus dem Stand der Bader und Barbiere
hervorgegangen, zu den Handwerkern. Meist zogen sie über Land und
gingen ihrer Profession auf Marktplätzen und Jahrmärkten nach.
Unter ihnen gab es viele Quacksalber und Scharlatane, die beim
Hantieren mit ihren derben Werkzeugen so manchen gesunden Zahn
entfernten. Wertlose Medikamente und Gaunereien trugen zu ihrem
schlechten Ruf bei.
Mit dem Wissen um eine hervorragende
medizinische Versorgung können wir uns über diese Darstellungen und
ihre eigenwillige Komik amüsieren. Welcher Zahnarzt würde heute
noch einem Patienten eine Schnur um den kranken Zahn schlingen,
seinen Fuß gegen dessen Schulter stemmen und kräftig ziehen (siehe
die Kachel von John Collier)? Man hört förmlich die Schreie des
Kranken und das sadistische Lachen des Arztes. Erst im 19. Jahrhundert
gewinnen die Zahnärzte durch die Entwicklung der Zahnheilkunde ein
anderes Selbstverständnis. Sie präsentieren sich nun für die
Hilfebedürftigen als ernstzunehmende Vertreter ihres Standes in
großzügigen Behandlungszimmern und mit den neuesten technischen
Hilfsmitteln. Erste Darstellungen der Heiligen
Apollonia finden wir in Stundenbüchern des 11. Jahrhunderts. Seit dem 13. Jahrhundert
nahm ihre Verehrung deutlich zu, was sich in Gemälden, Plastiken und
Glasfenstern manifestiert. Manche Kunstwerke erzählen die Geschichte
ihres Martyriums, andere zeigen sie alleine in ruhiger, ehrwürdiger
Haltung oder mit anderen Heiligen in einer sogenannten Sacra
Conversazione.
Zu den interessantesten Werken gehört eine
Grafikedition von 1984 des Pop-Art Künstlers Andy Warhol (siehe Internet, Andy Warhol: Heilige
Apollonia). Er greift
dabei auf ein Gemälde von Antonio Vivarini (1420-1470), einem
Schüler Piero della Francescas, zurück. Das Ursprungsgemälde zeigt
die Heilige raumeinnehmend im roten Mantel vor einem flächigen
Goldgrund. In der rechten, erhobenen Hand hält sie eine Zange mit
einem Zahn. Die Haare sind streng nach hinten gebürstet. Ihr Gesicht
wirkt ernst und verschlossen, fast nach innen gewandt. Warhol variiert das Gemälde in vier
Versionen ohne sich in der Wirkung und in den Formen von der Vorlage
zu lösen. Modern ist an diesen Siebdrucken das Spiel mit einer
verfremdenden Farbgebung. Für einen der beliebtesten Porträtisten
des 20. Jahrhunderts ist die Heilige Apollonia auf alle Fälle ein
außergewöhnliches Modell.
Weitere Kunstwerke auf
www.bonadent.de
Autorin: Dr. Bettina Broxterman