Parodontologie 08.05.2014
Stark gegen Bakterien – sanft zu Zähnen und Zahnfleisch
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Parodontitis- und Periimplantitistherapie mittels Perio Green von elexxion. Dr. Gordon John, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Aufnahme des Universitätsklinikums Düsseldorf, im Interview mit Majang Hartwig-Kramer, Dental Tribune.
Mit dem neuen photodynamischen Wirkstoff Perio Green bringt die elexxion AG mit Firmensitz in Radolfzell Farbe in die laserunterstützte PA- und Periimplantitistherapie. Erste Erfahrungen besagen: Die Anwendung ist sehr einfach, sicher und effektiv.
Dental Tribune: Dr. John, neue Technologien und Materialien findet oder erfindet man nicht über Nacht. Wie viel Zeit ist von der ersten Idee bis zur Marktreife von Perio Green vergangen und worauf basiert dieses neue Medizinprodukt?
Dr. Gordon John: Prinzipiell muss man sagen, dass es ein langwieriger und mühsamer Weg von der Idee bis zur endgültigen Marktzulassung eines Medizinproduktes ist. Natürlich müssen neue Produkte genauestens auf Wirkung und vor allem auch unerwünschte Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit anderen Medizinprodukten oder Medikamenten untersucht werden. Dies ist zum Schutze unserer Patienten absolut nötig. Im Falle von Perio Green sind nun ziemlich genau zehn Jahre seit der ersten Idee zur Anwendung für die Parodontitistherapie vergangen, worauf meines Wissens nach fünf Jahre auf die Zertifizierungsprozedur entfielen.
Wie funktioniert die photodynamische Keimreduktion mit Indocyaningrün und mit welchen Belastungen muss der Patient bei der Behandlung rechnen? Findet die Behandlung unter Lokalanästhesie oder Narkose statt?
Das Wirkungsprinzip der photodynamischen Keimreduktion oder photodynamischen Therapie beruht auf Einbringung eines Farbstoffes in parodontale Taschen, der dann mittels einer Lichtquelle aktiviert wird und somit seine bakterizide Wirkung entfalten kann. Das Indocyaningrün (Perio Green) dringt nach dem Einbringen in parodontale oder periimplantäre Taschen aufgrund seiner niedrigen Viskosität sehr gut bis in den Taschenfundus und kleinste Retentionsnischen vor und färbt selektiv Bakterienzellwände an. Körpereigene Zellbestandteile werden unterdessen nicht angefärbt. Die Aktivierung des Perio Green erfolgt bei einer Wellenlänge von 810 nm und einer Leistung von lediglich 300 mW. Die Hauptwirkung des Perio Green beruht hierbei auf einer sehr hohen Energieabsorption von Licht der eingesetzten Wellenlänge, die sich in lokalen kurzen Hitzepeaks äußert, wodurch die Zellwand der Bakterien zerstört und somit eine bakterizide Wirkung entfaltet wird. Diese Hitzespitzen sind sehr kurz und lokal so stark begrenzt, dass diese von den Patienten nicht wahrgenommen werden und auch keine Wirkung auf das umliegende gesunde Gewebe haben.
Bezüglich der Wirkungsweise ist der Begriff photodynamische Therapie, die auf einer Eigenwirkung des Photosensitizers setzt, meist in Form von Freisetzung von Sauerstoffradikalen, im Zusammenhang mit Perio Green nicht ganz richtig und sollte eher durch den Begriff der photothermischen Therapie ersetzt werden.
Eine Allgemeinanästhesie oder Narkose ist für die Durchführung der Keimreduktion mittels Perio Green auf keinen Fall erforderlich. In den allermeisten Fällen ist nicht einmal das Setzen einer Lokalanästhesie vonnöten. Vereinzelt wird das Einführen der Applikationskanüle oder der Laserspitze von den Patienten als unangenehm wahrgenommen. In diesen Fällen kann unter Lokalanästhesie behandelt werden.
Perio Green ermöglicht also eine hochwirksame und schmerzfreie adjuvante Parodontitis- und Periimplantitisbehandlung. Welche Risiken für Zahnhart- und Weichgewebe bestehen und mit welchen Nebenwirkungen ist gegebenenfalls zu rechnen?
Nebenwirkungen für Zahnhartsubstanz oder die umgebenden Weichgewebe sind aufgrund der geringen eingesetzten Laserleistung ebenso nicht zu erwarten wie Folgen für Restaurationen oder Implantate.
Indocyaningrün wird beispielsweise in der Ophthalmologie, Viszeralchirurgie oder Kardiologie intravasal appliziert. Bei intravasaler Applikation hat Indocyaningrün eine sehr geringe Halbwertszeit von drei bis vier Minuten, weist eine geringe Toxizität auf und gilt bei intraoraler, topischer Anwendung als bedenkenlos. Da Perio Green nicht über die Darmschleimhaut resorbiert wird, gehen von diesem Stoff selbst bei Verschlucken größerer Mengen keine Gefahren für den Patienten aus. Systemische Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt. Allergische Reaktionen wurden nur sehr wenige beschrieben. Trotzdem ist ein Einsatz bei bekannter Jodallergie aufgrund des jodhaltigen Indocyaningrün eher zurückhaltend zu betrachten.
Perio Green wird in Tablettenform vertrieben. Wie gestaltet sich die Anwendung und muss mit Farbrückständen des Photosensitizers auf Wurzel- und Implantatoberflächen gerechnet werden?
Es ist richtig, dass Perio Green in Tablettenform vertrieben wird. Dies ist erforderlich, da es in einsatzbereiter, gelöster Form nur circa zwei Stunden seine Aktivität behält. Der Photosensitizer wird direkt am Behandlungsstuhl frisch für den Patienten hergestellt.
Dieser Prozess ist denkbar einfach. Alle benötigten Materialien werden steril verpackt mitgeliefert. Es wird lediglich eine Tablette in ein Mischgefäß gegeben, welches mit 2 ml sterilem Wasser befüllt wird. Nach einer Minute Wartezeit ist die Lösung homogen. Diese wird dann mit einer Aspirationskanüle (rote Kennzeichnung) aufgezogen, anschließend wird diese durch eine dünnere Applikationskanüle (grüne Kennzeich nung) getauscht und mit der Perio Green in die parodontalen oder periimplantären Taschen eingebracht.
Nach einer Einwirkzeit von zwei Minuten wird der überflüssige Farbstoff abgespült. Hierbei wurden in keinem der behandelten Fälle Farbrückstände auf Zahnhartsubstanz, Weichgewebe oder Implantatstrukturen beobachtet. Im Anschluss an die Einwirkphase folgt die Aktivierung des Perio Green für eine Minute mittels eines Lasers (810 nm Wellenlänge, 300 mW). Anschließend werden die Taschen nochmals durchgespült und die Behandlung damit beendet.
Entfernt der photodynamische Wirkstoff auch die mineralisierten Beläge oder sind dafür gesonderte Maßnahmen erforderlich?
Perio Green entfernt keine mineralisierten Beläge. Dafür ist es allerdings auch nicht vorgesehen. Der mineralisierte Biofilm sollte mechanisch, gründlich und weitestgehend entfernt werden, beispielsweise mit entsprechenden Küretten. Nach Oberflächendekontamination von rauen Implantatoberflächen kann sich der residuale Biofilmanteil auf bis zu 60 Prozent, beispielsweise nach Behandlung mit Kunststoffküretten, belaufen. In diesem ausgedünnten, reduzierten Biofilmanteil kann die photodynamische/photothermische Therapie ihre Wirkung viel besser entfalten und „übrig gebliebene“ pathogene Keime abtöten.
Wie lange dauert die eigentliche Perio Green-Therapie und wie oft muss sie im Recall wiederholt werden? Und hier auch anschließend eine zweite Frage: Ist die Anwendung zwingend notwendig von einem Zahnarzt durchzuführen oder kann sie auch auf eine fortgebildete Helferin übertragen werden?
Für eine Full-Mouth-Anwendung sollte man mit einem zeitlichen Aufwand von etwa einer Stunde rechnen. Bei einer höheren Anzahl an zu dekontaminierenden Implantaten müsste aufgrund der im Vergleich zu parodontalen Taschen schwierigeren Sondierbarkeit etwas mehr Zeit eingeplant werden. Regeln für eine Therapiewiederholung können nicht pauschal aufgestellt werden.
Die Patienten sollten zwei bis drei Wochen nach erfolgter Therapie einbestellt und klinisch untersucht werden. Anhand der Befunde sollte eine individuelle Abwägung über das weitere Vorgehen getroffen werden. Aus unserem Patientenkollektiv wurden stark putride oder therapierefraktäre Periimplantitiden mit Perio Green behandelt, die nach zwei- bis dreimaliger Anwendung in eine stabile, stagnierende Situation überführt werden konnten.
Bezüglich Ihrer zweiten Frage, die Delegation betreffend, bewegen wir uns momentan noch in einer nicht eindeutig geregelten Grauzone. Das heißt: Eine nichtinvasive Anwendung kann auf Helferinnen übertragen werden. Allerdings trägt der Zahnarzt dafür Sorge, dass das Personal entsprechend ausgebildet und im Umgang mit den Geräten geschult ist. Der Zahnarzt muss die Behandlungsindikation stellen und die Anweisung zur Therapiedurchführung geben. Der Patient muss über die Delegation aufgeklärt sein und der Eingriff durch den Zahnarzt überwacht werden. Der Zahnarzt haftet für sämtliche Folgen der Behandlung.
Die neuen elexxion-Lasersysteme beinhalten bereits die notwendige Software für die Anwendung von Perio Green. Können ältere Geräte umgerüstet werden?
Auch ältere elexxion-Lasersysteme können problemlos umgerüstet werden. Hierzu wird lediglich eine neue Software auf die Geräte aufgespielt. Dies kann im Rahmen einer üblichen sicherheitstechnischen Überprüfung erfolgen. Die elexxion AG bietet darüber hinaus einen interessanten Service an: Bei regelmäßiger Bestellung von Perio Green wird das Lasersystem elexxion pico lite kostengünstig zur Verfügung gestellt.
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Anwendung von Perio Green gemacht und können Sie diese Behandlungsmethode uneingeschränkt empfehlen?
Die Anwendung von Perio Green ist sehr einfach, sicher und effektiv. Man muss sich natürlich über die Grenzen der Behandlungsmethode bewusst sein. Beispielsweise ist kein regenerativer Effekt nach der Therapie zu erwarten. Allerdings kann gerade durch die effektive Dekontamination von Zahn- und Implantatoberflächen vor operativ-regenerativen Therapien die Defektsituation besser vorbereitet werden.
Weiterhin können durch den Einsatz von Perio Green auch schwierige Situationen zur Stagnation gebracht und somit auch bei fortgeschrittenen Periimplantitiden der Implantaterhalt verlängert werden, wenn der Patient bei- spielsweise kein operatives Vorgehen wünscht. Die photothermische Therapie mit Perio Green kann den sehr stark verbreiteten Einsatz von Antibiotika in der Zahnmedizin mit sämtlichen Nebenwirkungen deutlich reduzieren.
Wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!