Patienten 12.06.2015

PZR, AirFlow, Bleaching und Co.



PZR, AirFlow, Bleaching und Co.

Foto: © Marina Lohrbach – Shutterstock.com

Richtige Kommunikation als Schlüssel zur guten Mundhygiene

Zahnärzte und Prophylaxeassistentinnen sollten sich heute die Frage stellen, ob sie die Patienten mit den mannigfaltigen Maßnahmepaketen überhaupt noch erreichen. Sollten wir nicht eher bestrebt sein, die Mundhygiene im Häuslichen zu verbessern, und nicht die zwei- bis viermal im Jahr stattfindende PZR in den Fokus rücken. Sicherlich, PZR, AirFlow, Bleaching und Co. sind sehr probate Mittel, um Hygiene und Wohlbefinden zu verbessern – wir sollten ­dennoch nie vergessen, dass ein Patient auf unserer Know-how angewiesen ist.

Immer wieder müssen wir in der Praxis feststellen, dass sich die Wahrnehmung der Patienten oftmals von der des Behandlers – ganz gleich ob Zahnarzt oder Prophylaxeassistentin – fundamental unterscheidet. Dies liegt zum einen daran, dass sich die Patienten im Alltag nur bedingt mit einer perfekten Mundhygiene auseinandersetzen. Die Ursachen sind vielfältig und bei jedem Patienten völlig unterschiedlich zu werten, doch Faktoren wie Zeit, Stress und finanzielle Möglichkeiten sind in der Regel die drei Kernpunkte, die einen Einfluss auf die Zahngesundheit nehmen. Zum anderen sind wir glei­chermaßen – Zahnarzt und Assistenz – mitverantwortlich für die fehlende Umsetzung von Hygieneanweisungen im dentalen Bereich, denn die klassische „Betriebsblindheit“ lässt uns unser tägliches, erlerntes und vielfach erprobtes Programm einfach ablaufen. Viel zu selten wird darüber nachgedacht, ob der Patient auch wirklich versteht, was wir von ihm fordern – um ihm im Umkehrschluss auch wirklich fördern zu können. In der Zahnarztpraxis werden die Patienten heute mit unzähligen Prospekten und Infomaterialien – teilweise bereits vorab per Post – förmlich überschüttet. Dazu kommt noch eine überaus ausführliche mediale Marketing­maschinerie, welche einen Internetauftritt mit für den Patienten unklaren Fachbegriffen genauso in den Vordergrund stellt wie die Platzierung von Fernsehgeräten im Wartezimmer, auf deren Videos die Vorteile von AirFlow und Bleaching dargestellt werden.

Es sollte sich für die Prophylaxeassistentin daher heute die Frage stellen, ob wir den Patienten mit unseren mannigfaltigen Maßnahmepaketen überhaupt noch erreichen können und welchen Weg wir gehen sollten, um die Mundhygiene tatsächlich auch daheim zu verbessern.

Faktor Zeit, Stress und Finanzen

Gehen wir die einzelnen Faktoren aus der Sicht der ­Prophylaxeassistentin durch: So sollte im Vorfeld überlegt werden, welcher der drei Punkte für den Patienten am schwierigsten zu beeinflussen ist und welchen wir uns ganz einfach zunutze machen können. Betrachten wir den Faktor Zeit, so wird schnell klar, dass gerade hier ein intensives Gespräch mit dem Patienten erfolgen muss, denn Zeit hat man insbesondere dann für täg­liche Dinge, wenn sie als besonders wertvoll erscheinen. Es macht aus Sicht der Zahnarztpraxis sicherlich Sinn, wenn ein Patient mit unzureichender Mund­hygiene jährlich drei- bis viermal in der Praxis erscheint, um seine Zähne reinigen zu lassen. Es sollte aber auch überlegt werden, ob gerade diese Patienten, die oftmals beruflich sehr eingespannt sind, nicht durch sinnvolles Zeitmanagement in die Lage gebracht werden könnten, um die tägliche Mundhygiene so zu verbessern, dass eine professionelle Zahnreinigung (PZR) nur noch ein- bis zweimal im Jahr erfolgen könnte. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Patient nach einer guten Zahnreinigung immer zufrieden die Praxis verlässt und sich in diesem Moment auch bei vielfacher Terminierung pro Jahr gut aufgehoben fühlt. Fraglich ist jedoch, ob so das Ziel einer Verbesserung der Mund­hygiene des Patienten tatsächlich erreicht werden kann (Abb. 1 und 2), denn faktisch ist ja nicht der Patient derjenige, der seine Zähne durch verbesserte Reinigungsgewohnheiten positiv beeinflusst. Viel sinn­voller wäre es, wenn ein Zeitmonitoring erfolgt, bei dem individuell auf die Bedürfnisse des Patienten eingegangen wird und der Patient eine Guideline an die Hand bekommt, mit der er die tägliche Reinigung optimiert. Dieses Monitoring erfordert natürlich Zeit, ­welche in deutschen Zahnarztpraxen aufgrund des ­engen Zeitkorsetts – das zum einen durch die Kassenstruktur und zum anderen durch die zunehmend verwirrenden Hygienerichtlinien – nur in begrenztem Maße zur Verfügung steht. Das primäre Ziel einer guten PZR sollte die Verbesserung der Putzgewohnheiten des Patienten sein und nicht ausschließlich das immer wieder gründlich erfolgende Reinigen mit AirFlow.

Der Faktor Zeit kann durch die Prophylaxeassistentin insbesondere dann positiv im Sinne der täglichen Mundhygiene beeinflusst werden, wenn der Patient tatsächlich versteht, wo individuelle Schwachstellen bestehen – bedingt durch beispielsweise eine ungüns­tige Zahnstellung – und vor allem im Anschluss auch erkennt, dass er dies durch Erhöhung der Intensität der häuslichen Mundhygiene auch von sich aus positiv beeinflussen kann. Die Prophylaxeassistentin ist dafür verantwortlich, dass der Patient verstehen lernt, dass auch er die Gesundheit seiner Zähne täglich nach vorne bringen kann, auch wenn diese Maßnahme die Mitarbeiterin viel Zeit kosten kann und die tägliche Patientenzahl reduziert. Eine gut ausgebildete Prophylaxeassistentin sollte nicht nur „Reinigungsfee“ sein – sie sollte die Unterweisung in den Vordergrund stellen.

Vergleicht man das deutsche System einmal mit dem in der Schweiz, so wird deutlich, dass die Patienten in der Schweiz viel mehr Zeit von ihrem Zahnarzt oder der Prophylaxeassistentin erhalten, da jede Behandlung eine reine Privatleistung darstellt – in Deutschland kann diese von den Kassen bezuschusst werden – und der ­Patient vom Behandler daher einfordert, dass die PZR ihn in der täglichen Mundhygiene unterstützt und nicht diese bestimmt.

Der Faktor Zeit beeinflusst nicht nur das Gebiss der Erwachsenen, vor allem Kinder und Jugendliche, die eine kieferorthopädische Behandlung durchlaufen, benötigen beson­ders viel Zeit für ihre Mund­hygiene. Die Kontrolle durch die Prophylaxeassistentin ist bei diesen Patienten sehr wichtig und förderlich, das Erlernen der ­täglichen Mundhygiene zur Verhinderung von White Spots jedoch essenziell. Sollten sich durch zu wenig Zeit für die tägliche Mundhygiene Gingivahyperplasien bilden, die als häufige Nebenwirkungen bei der Behandlung mit konventionellen Bracketapparaturen zu beobachten sind, führt das wiederum zu einer unzureichenden Hygiene im Bereich der Pseudotaschen und zur Bildung potenziell pathogener Biofilme (Abb. 3–5). Die Kommunikation muss bereits zu Behandlungsbeginn so auf den Patienten abgestimmt werden, dass der Patient täglich in der Lage sein kann, die Hygiene in einem Umfang durchführen zu können, der eine PZR quasi nur noch ergänzend nötig macht. Die Maßnahmen müssen einfach und nachvollziehbar sein, vor allem aber im Wust der Fachbegriffe auch verstanden werden, wobei sich in der Regel das System Tell-Show-Do sehr bewährt hat.

Stress ist ein Faktor in der Medizin, der heutzutage beinahe als die Wurzel allen Übels angesehen wird. Es ist mit Sicherheit so, dass durch die Zunahme der Tätigkeiten, die heute Erwachsene und Jugendliche parallel ausführen müssen, die Belastung des Einzelnen deutlich zugenommen hat. Diese Überlastung transportiert der Patient hinein in den Faktor Zeit und die Wertigkeit der Zähne kann schnell in den Hintergrund gestellt werden. Stress führt aber auch zu einer direkten Beeinflussung des Immunsystems und kann Hyperplasie oder parodontale Erkrankungen fördern. Die Prophylaxeassistentin muss in diesem Punkt ebenfalls eingreifen, wenn sie den Patienten langfristig positiv motivieren möchte. Interessant sollte hierbei vor allem die Bewertung der individuellen Stressbelastung sein, die in das Prophylaxekonzept einfließen sollte. Patienten, die beispielsweise aufgrund von Stressfaktoren eine nekro­tisierende ulzerierende Gingivitis (NUG) entwickeln, sollten in den zukünftigen Recalls über ihre berufliche oder private Belastung befragt werden, damit langfristig eingeschätzt werden kann, ob die NUG tatsächlich nur stressbedingt entstanden ist. Bei Risikopatienten sollten selbstverständlich weitere Untersuchungen erfolgen, die unabhängig von der prophylaktischen Wertigkeit sind.

Eine strukturierte Kommunikation kann dabei helfen, die Faktoren Stress und Zeit in Einklang zu bringen und dem Patienten in der Vielzahl der Prophylaxemöglichkeiten einen für ihn sinnvollen Weg zu zeigen. Der Faktor der finanziellen Möglichkeiten sollte in der Kommunikation mit dem Patienten ebenfalls einen hohen Stellenwert erlangen. Oftmals werden von der Dentalhygiene unterschiedliche Bürsten-, Spül- und Reinigungssysteme angeboten, mit denen der Patient dann daheim oftmals völlig überfordert ist. Zudem entsteht hierbei ein interessantes Phänomen, welches immer im Hinterkopf behalten werden sollte. Die Patienten kennen im Regelfall noch nicht die Kosten für die von der Prophylaxeassistentin angebotenen Produkte und sind beim ersten Einkauf zwar ein wenig schockiert, erwerben diese aber in der Regel. Da nun die Dentalhygienikerin zu Recht sehr eifrig ist und das Wohl des Patienten im Auge hat, ergibt sich daheim bei der täglichen Hygiene eine Situation, die den Patienten in Stress und Zeitnot versetzen könnte. Zum einen kann er sich nicht zwischen den unzähligen Bürstchen entscheiden, zum anderen fehlt ihm das manuelle Geschick für die Zahnseide und die Mundspüllösung erscheint unangenehm scharf.

Es kommt nicht selten vor, dass in den Praxen aufgrund der immer höher werdenden Professionalität die Betriebsblindheit zunimmt und den Behandlern gar nicht klar wird, wie neu eine Umstellung alter Hygienestrukturen sein kann. Die Patienten erleben die erste Anschaffung von zahlreichen Hygieneprodukten als sehr stressig und zeitintensiv – woraufhin diese Anschaffungen schnell wieder eingestellt werden und alte Verhaltensmuster, die kürzer und stressfreier sind, wieder eingeführt werden. Hier steht die Dentalhygienikerin in der Kommunikationspflicht und muss den Spagat zwischen finanziell für den Patienten machbar und individuellem Zeit-/Stresslevel des Patienten so hinbekommen, dass neue Hygienestrukturen erarbeitet werden können. Hierbei gilt nach wie vor der alte Leitspruch: Weniger ist manchmal mehr – vor allem zu Beginn einer Anpassung der Gewohnheiten. Stück für Stück sollte die Dentalhygienikerin den Patienten kennenlernen und ihn für sich in die Welt der PZR einführen, ohne ihn ­direkt wieder zu verschrecken.

Welcher Patient soll es sein?

Ein wesentlicher Punkt einer guten Prophylaxestruktur ist das Praxiskonzept. Auch wenn heute eine Zahnarztpraxis ein hochkomplexes wirtschaftliches Gebilde darstellt, welches aufgrund der hohen Inves­titionssummen nach Einnahmen schreit, darf nie ­vergessen werden, dass Medizin viel mehr als nur Wirtschaft ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass ausführliche Kommunikation, Beratung und individuelle Einstellung auf den Patienten Zeit und damit auch Geld kosten. Die Fokussierung des Konzeptes auf eine ausführliche Kommunikation ist derzeit aber ebenso ein zweischneidiges Schwert, denn der Patient erwartet eine Behandlung im Sinne von AirFlow und Ultraschall, da er von den Zahnärzten so konditioniert worden ist. Eine langwierige Analyse von Zeit-, Stress- und Finanzmanagement muss aber ebenfalls honoriert werden. Daher bietet es sich an, ein Komplettpaket anzubieten, in dem die Kommunikation und individuelle Erfassung der ­Hygienebedürftigkeit als ein separater und wichtiger Posten dargestellt wird. Die Patienten werden es Ihnen danken, indem sie weniger in die Praxis kommen, da sie das Erlernte zeitnah gut umsetzen können. Das Problem wird nur sein, dass sich damit auch die Zahl der Prophylaxesitzungen pro Jahr von vier auf drei reduzieren lässt, was wirtschaftlich ein Problem darstellen kann. Es bleibt dem praktizierenden Zahnarzt also als Unternehmer nichts anderes übrig, als die Kommunikation und das Monitoring kostenpflichtig in das Konzept mit einzubinden.

Aus heutiger Sicht stellt sich für die Prophylaxe und die Dentalhygienikerin die Frage, ob und in welchem Maße eine Zuwendung an den Patienten für den Praxis­ablauf von Vorteil sein kann. Dies sollte individuell in ein Praxis­konzept eingearbeitet werden. Eine PZR ohne ­individuelle Beurteilung von tragenden Faktoren der Patienten kann nur den Erfolg haben, dass die Patienten ihre Zahngesundheit blind in die Hände der Praxis legen – das aber in zwei bis vier Prophylaxesitzungen im Jahr. Dass dies für die täglichen Säureangriffe und Plaquebelastungen nicht ausreichend sein kann, sollte jedem Behandler klar sein. Der Prophylaxe muss mehr Verantwortung übertragen werden, und dieser Teilbereich sollte der tragende Pfeiler eines Praxis­konzeptes werden. Es kann nach Jahrzehnten der Prophylaxe nicht sein, dass jeder Prophylaxe­patient eine Behandlungszeit von einer Stunde erhält und diese auch tatsächlich für die Reinigung aufgebracht werden muss, da sich in der häuslichen Mundhygiene über Jahre nichts ändert. Gerade bei Patienten mit Multiband kann diese Strategie zu White Spots führen, denn diese müssen ausführlich und individuell geschult – und dann dauerhaft begleitet werden.

PZR, AirFlow, Bleaching und Co. sind sehr probate Mittel, um Hygiene und Wohlbefinden zu verbessern – wir sollten dennoch nie vergessen, dass ein Patient genauso auf unser Know-how angewiesen ist wie wir beispielsweise auf einen Piloten auf dem Flug an unser Urlaubsziel.

Mehr News aus Patienten

ePaper