Cosmetic Dentistry 21.02.2011

Moderne Bondingsysteme: Wo stehen wir heute?

Interview mit Prof. Dr. Karl-Heinz Friedl, Regensburg: Bondingsysteme und deren Eigenschaften

Der Markt der Adhäsive teilt sich heute fast zu gleichen Teilen in die beiden Gruppen der Rinse- und Non-Rinse Bondingsysteme auf. Dabei geht der Trend eindeutig hin zu den Non-Rinse Produkten. Für den Praktiker eröffnen die verschiedenen Bonding-Philosophien immer wieder die Frage nach dem so genannten Goldstandard. Das Interview mit Prof. Dr. Karl-Heinz Friedl, Regensburg, informiert über den aktuellen Stand der Diskussion und den biologischen Ansatz von Adhäsivsystemen.

Rinse- und Non-Rinse Adhäsive – an diesen zwei verschiedenen Philosophien scheiden sich die Geister. Etch & Rinse oder selbstätzend – was ist Goldstandard?
Eine generelle Aussage über den Goldstandard einer dieser beiden Bondinggruppen lässt sich nicht treffen. Die Rinse-Systeme mit der Phosphorsäure-Ätzung zeigen seit vielen Jahren langfristig gute und haltbare Resultate bei der Haftwirkung im Schmelz. Sie gelten daher als Goldstandard. Allerdings sollte man diese Aussage wegen der Vielzahl von Produkten relativieren. Denn nicht jedes Rinse-Adhäsiv zeigt bei einer genaueren Betrachtung bessere Ergebnisse als Non-Rinse-Produkte. Deshalb ist die generelle Aussage nicht gerechtfertigt, Rinse-Systeme seien besser. Im Dentin sind beide Systeme gleichwertig einzustufen. Studien belegen einigen Non-Rinse-Adhäsiven absolut ebenbürtige Resultate wie Produkten mit Phosphorätzung.

Der Haftwert wird als ein wesentliches Kriterium angeführt. Welche Aussagekraft hat dieser wirklich?
Allein der Haftwert sagt über ein Adhäsiv noch nicht viel aus, weil es nur eine Komponente von mehreren ist. Ich empfehle daher, Studien nicht nach den absoluten Haftwerten zu lesen. Denn diese konkreten Werte hängen von dem jeweils durchgeführten Testverfahren ab. Verschiedene Testungen zeigen unterschiedliche Haftwerte. Entscheidend ist vielmehr das Ranking eines Adhäsivs. Belegt es in mehreren Studien immer einen guten Platz im Ranking, dann ist von einem verlässlichen Haftwert auszugehen. Zudem spielt auch eine stabile Haftung über längere Zeit – zum Beispiel nach Wasserlagerung - eine wichtige Rolle.

Gibt es weitere bedeutende Aspekte bei den Bondingsystemen?
In den vergangenen zehn Jahren hat der biologische Ansatz in der Entwicklung von Adhäsiven an Bedeutung gewonnen. Dieser Aspekt kommt zum Beispiel in dem antibakteriell wirkenden Monomer MDPB zum Tragen. Das ist ein wichtiger Ansatz. Denn eine absolut bakterienfreie Kavität ist nicht zu erreichen – ob mechanisch oder in Kombination mit chemischen Mitteln. Chlorhexidin und Phosphorsäure wirken nur selektiv gegen spezielle Bakterienarten, hingegen belegen Studien MDPB eine wesentlich breitere Wirkungsweise. Aufgrund dieser antibakteriellen Eigenschaften stuft das Medizinproduktgesetz das Monomer in die Klasse III ein – also als Medikament.

Wie wichtig ist die absolute Keimfreiheit, um später Sekundärkaries zu vermeiden?
Nach dem Entfernen der kranken Zahnsubstanz wird die Kavität mit dem Füllungsmaterial geschlossen - obwohl bekannt ist, dass dort noch Keime vorhanden sein können. Studien zeigen aber, dass sich Bakterien unter einer absolut dichten Füllung nicht zu einer Sekundärkaries entwickeln. Die Bakterien erhalten keine Nahrung für den Stoffwechsel.
Aber bei kleinsten Undichtigkeiten kann Substrat in die Tiefe der Bakterien gelangen und zu einer Sekundärkaries führen. In solchen Fällen kann MDPB ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor sein. Denn aufgrund des positiv geladenen Pyridinium-Ions bleibt das Monomer auch nach der Polymerisation lokal aktiv.

Für welche Indikation empfehlen Sie welches Bonding?
Unter wissenschaftlichen Aspekten wähle ich zum Beispiel für eine Kompositrestauration ein selbstätzendes Adhäsiv, das sich bereits einige Zeit auf dem Markt bewährt hat und dessen Werte in klinischen Studien belegt sind. Das ist für mich ein wichtiges Entscheidungskriterium. Die Non-Rinse-Systeme bieten den Vorteil, sehr einfach anwendbar zu sein – insbesondere bei der Kinderbehandlung. Zusätzlich ist der biologische Aspekt mit einer antibakteriellen Wirkung ein überdenkenswerter Punkt.
Allerdings ist für viele Zahnärzte die psychologische Komponente des „Ätzens“ wichtig. Kritische Nutzer von selbstätzenden Adhäsiven können bei vielen Systemen zusätzlich den Schmelz mit Phophorsäure anätzen, ohne dass sich Haftkraft und Haftwertanschluss vermindern.
Grundsätzlich gilt aber: Wer mit seinem Bonding der Wahl gute Resultate erzielt, der sollte nicht unbedingt wechseln, nur weil ein neues und vermeintlich besseres System angeboten wird. Es sei denn, er sieht für sich einen zusätzlichen Nutzen - beispielsweise eine einfachere Verarbeitung oder die bereits erwähnte antibakterielle Komponente.

Quelle: Deutsches Grünes Kreuz, Sektion Zahngesundheit, Januar 2009

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