Endodontologie 06.05.2016

Spüllösung aktivieren – ja, aber wie?



Spüllösung aktivieren – ja, aber wie?

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Reicht die Handspülung während einer Wurzelkanalbehandlung aus?

In einer Umfrage am Schweizerischen Jahreskongress der SSO 2015 hat nur einer von vier Zahnärzten angegeben, dass er während einer Wurzelkanalbehandlung die Spül­lösung aktiviert. Obwohl die Aktivierung von Spüllösungen zum Beispiel mithilfe von Ultraschall seit vielen Jahren propagiert wird, zögern viele Zahnärzte immer noch, diesen zusätzlichen Aufwand zur Desinfektion des Wurzelkanals zu betreiben. Boutsioukis und seine Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Van der Sluis konnten in mehreren In-vitro-Ver­suchen anhand eines Flüssigkeitsströmungsmodells zeigen, dass eine Handspülung mit Spülspritze und Kanüle nur relativ schwache Strömungen erzeugen kann. Je nach Art der Spülkanüle findet bereits un­mittelbar vor der Kanülenspitze nur noch sehr wenig bis gar kein Austausch der Flüssigkeit mehr statt. Doch genau in diesem apikalen Wurzelkanalanteil befinden sich häufig Seitenkanäle und Isthmen, die nur schwer zu erreichen sind. Diese Kanalanteile sind mechanisch nicht zu reinigen. In diesen Wurzel­kanalanteilen ist eine chemische Desinfektion durch Spülmedien daher umso wichtiger.

Neben der Desinfektion des Wurzelkanalsystems ist ein weiteres Ziel der Wurzelkanalspülung die möglichst vollständige Entfernung des Debris, welches während der mechanischen Aufbereitung entsteht. Mehrere Untersuchungen zeigten, dass durch aktivierte Spüllösungen signifikant mehr Debris aus dem Kanal entfernt werden konnte als durch eine Handspülung.1 Auch Kalziumhydroxid oder Überreste von Guttapercha und Sealer nach Wurzelkanalfüllungsrevision konnten effizienter aus dem Wurzelkanal gespült werden, wenn eine Aktivierung der Spülflüssigkeit stattfand.2

Wann ist eine Aktivierung der Spüllösung sinnvoll?

Während einer Wurzelkanalaufbereitung ist die Aktivierung der Spülflüssigkeit v. a. während der ersten Aufbereitungsphase zu zeit­intensiv. Eine Aktivierung der Spül­lösung ist erst dann sinnvoll, wenn die Wurzelkanäle soweit aufbereitet wurden, dass die Spülflüssigkeit im apikalen Drittel des Kanals zirkulieren kann. Dies ist oft erst gegen Ende der ersten Sitzung vor dem Einbringen der medikamentösen Einlage der Fall. Nur so ist gewährleistet, dass das Debris noch vor Einbringen der Einlage möglichst komplett aus dem Kanalsystem entfernt wird. Überreste von Debris und Pulpagewebe können die desinfizierende Wirkung der medikamentösen Einlage deutlich reduzieren.3 In infizierten Wurzelkanälen mit bereits manifester, apikaler Parodontitis ist eine gründliche Desinfektion des gesamten Kanalsystems besonders wichtig. Die Bakterien können tief in die Dentintubuli vordringen und sich so vor der chemischen Desinfektion in einem schwer zu entfernenden Biofilm schützen. Daraus ergibt sich u. a. auch die tiefere Erfolgsrate für Wurzelkanalbehandlungen infizierter Fälle im Vergleich zu nicht infizierten Fällen mit noch vitaler, aber irreversibel entzündeter Pulpa.4 Durch die Aktivierung der Spüllösung, wie zum Beispiel Natriumhypochlorit, kann der desinfizierende Effekt dieser Flüssigkeiten um ein Vielfaches verstärkt werden, was wiederum den Langzeiterfolg der Behandlung verbessern kann.

In der zweiten Sitzung muss die medikamentöse Einlage möglichst vollständig entfernt werden, was je nach Kanalanatomie nicht einfach ist. Dies zeigen verschiedene Ex- vivo-Studien anhand eindrücklicher Micro-CT Aufnahmen.5 Besonders in Wurzelkanälen, welche einen Isthmus aufweisen oder stark gekrümmt sind, kann die Einlage nur mit aktivierten Spüllösungen effi­zient entfernt werden.

Um den zusätzlichen zeitlichen Aufwand für eine Aktivierung der Spüllösungen in Grenzen zu halten, empfiehlt es sich, dass die Spüllösung vor dem Einbringen der medikamentösen Einlage sowie zu deren Entfernung aktiviert wird. Zusätzlich ist es sinnvoll, die Schlussspülung vor der Wurzelkanalfüllung nochmals zu aktivieren. Alle anderen Zwischenspülungen erfolgen mit der Handspülung, sollten aber dennoch sehr gründlich und regelmäßig, d. h. nach jeder Feile, durchgeführt werden.

Wie können Spüllösungen aktiviert werden?

Laser
Der Einsatz von Lasern in der Endodontie wird immer wieder kontrovers diskutiert. Eine Überlegenheit des Lasereinsatzes zur Desinfektion des Wurzelkanals konnte aber im Vergleich zu konventionellen Desinfektionstechniken bisher nicht eindeutig bestätigt werden.6 Eine neuartigere Aktivierungsmethode mit einem Er:YAG-Laser, das „Photon Induced Photoacoustic Streaming“ (PIPS) zeigt in ersten Studien jedoch eine äußerst effiziente Aktivierung der Spüllösung. Mithilfe von Laserimpulsen werden energiereiche Schockwellen in die Spülflüssigkeit abgegeben, die sich in Bewegung setzt und wellenförmig im Kanalsystem ausbreitet (Acoustic Streaming). Ob diese neue, laserbasierte Aktivierungstechnik auch klinische Vorteile bringt, bleibt jedoch abzuwarten. Ein klarer Nachteil dieser Technik ist der große finanzielle Aufwand, welcher der Kauf eines Lasers mit sich bringt, der letztlich einer breiten Akzeptanz in der Praxis im Wege stehen wird.

Hydrodynamische Aktivierung
Die hydrodynamische Aktivierung von Spüllösungen führt im Wurzelkanal zu Strömungsentwicklungen, die das Debris nachweisbar besser entfernen können als die Handspülung alleine. Solche hydrodynamischen Effekte können einerseits mit einem turbinengesteuerten Gerät (RinsEndo, Dürr Dental), andererseits aber auch manuell mit einem passenden Masterpoint, der im flüssigkeitsgefüllten Wurzelkanal mehrfach hoch und runter bewegt wird, erzeugt werden. Die hydro­dynamische Aktivierung von Spül­flüssigkeiten zeigt im Vergleich zu anderen Aktivierungstechniken vor allem in gekrümmten Kanälen gute Resultate.7

Ultraschall
Die ultraschallaktivierte Spülung ist unter allen Aktivierungsarten von Spüllösungen die Technik, die wissenschaftlich am ausgiebigsten untersucht wurde. Sie gilt als der heutige Goldstandard für die aktivierte Desinfektion im Wurzelkanal. Ein großer Vorteil dieser Technik ist, dass Ultraschallgeräte in vielen Praxen ohnehin bereits vorhanden sind, die mit den entsprechenden endodontischen Aufsätzen für die Des­infektion des Wurzelkanals genutzt werden können. Durch die Verwendung glatter Ultraschallspitzen wird verhindert, dass die Wurzelkanalwand während der Ultraschallaktivierung zusätzlich bearbeitet wird. Dennoch kann die Spitze durch ihren Ausschlag in stark gekrümmten Kanälen kleine Defekte im Dentin verursachen. Durch die Schwingungen, die von der Ultraschallspitze erzeugt werden, kommt es zu starken akustischen Strömungen und zur Kavitation in der Spülflüssigkeit, die so aktiviert wird und ihre desinfizierende Wirkung verstärkt. Der Kavitationseffekt beschreibt die Entstehung von Bläschen und deren anschließender Implosion in einer Flüssigkeit. Um diesen Effekt erzeugen zu können, sind Ultraschall­geräte notwendig, die eine Schwingfrequenz von ca. 30.000 Hz erzeugen. Die Ultraschallspitze muss jedoch frei im Kanallumen schwingen können, da ansonsten die Wirkung der Aktivierung stark reduziert und die Gefahr für eine Bearbeitung der Dentinoberfläche erhöht wird. Dies ist v.a. in sehr engen oder stark gekrümmten Kanälen ein wesentliches Problem. Hier sollte besonders vorsichtig vorgegangen oder ggf. auf eine andere Technik ausgewichen werden.

Schall
Bei einer Aktivierung der Spül­flüssigkeit durch Schwingungen unter 20 kHz spricht man von Schall­aktivierung. Der Endoactivator der Firma Dentsply ist wohl der bekannteste Vertreter der Schallaktivierung von Spüllösungen im Wurzelkanal. Die Schwingungen der Spitze sind im Vergleich zum Ultraschall viel tiefer und betragen nur 100 bis maximal 200 Hz. Die dadurch erzeugten Flüssigkeitsströmungen sind somit vergleichsweise schwach. Die Kunststoffansätze des Endoactivators sind in der Konizität und Größe an das ProTaper System angepasst. Die Idee dahinter ist, dass die Spitze passend zur Aufbereitungsgröße ausgesucht werden soll, um durch möglichst viel Wandkontakt und leichte Vibrationen Debris von der Wurzelkanalwand zu lösen. Die Effizienz des Endoactivators ist in der wissenschaft­lichen Literatur nicht immer eindeutig und deshalb umstritten, meist jedoch schneidet der Endoactivator schlechter ab als die ultraschallaktivierte Desinfektion.

An der IDS in Köln 2015 stellte die Firma VDW ein neues Instrument zur Schallaktivierung von Spüllösungen im Wurzelkanal vor. Eine Polyamidspitze („EDDY“) kann auf den Airscaler geschraubt werden und aktiviert die Spüllösung im Wurzelkanal somit ebenfalls durch Schall. Die flexible Spitze schwingt allerdings mit einer deutlich höheren Frequenz von ca. 5.000 bis 6.000 Hz. Der Name „EDDY“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt so viel wie „Wirbel“, „Strudel“ oder „Kehrwasser“ und soll starke Strömungen im Wurzelkanal erzeugen. Die Idee dahinter stammt von Dr. Winfred Zeppenfeld, einem Zahnarzt, der mit der Unterstützung von VDW ein praxisreifes Produkt auf der IDS präsentieren konnte. „EDDY“ wird steril im einzeln verpackten Blister geliefert und ist als Einwegprodukt gedacht, sodass man immer mit einem neuen Instrument im Kanal arbeitet und der Aufwand der Reinigung und Sterilisation entfällt. Da das Polyamid deutlich weicher ist als das Dentin, können die Wurzelkanalwände im Vergleich zu starreren oder metallischen Instrumenten, wie sie bei der Ultraschallaktivierung Anwendung finden, nicht beschädigt werden. Erste In-vitro-Untersuchungen zeigen, dass neben der rein akustischen Strömung auch zusätzliche Kavitationseffekte entstehen können. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die Flexibilität der Spitze gut mit der Schwingungsrate des Airscalers abgestimmt ist. Durch ihre Flexibilität kann die Spitze auch im gekrümmten Wurzelkanal bis auf die gewünschte Länge eingebracht und trotz Wandkontakt aktiviert werden, ohne dass der flexible Ansatz wesentlich in der Schwingungsfrequenz gehemmt wird. Der Hersteller empfiehlt, die Spitze bis kurz vor Arbeitslänge in den Kanal einzubringen und erst dann zu aktivieren. Eine Aktivierung außerhalb des Wurzelkanals führt durch den starken Ausschlag zur Fraktur der Spitze. Eine leichte Auf- und Abbewegung verstärkt die Strömungen im Kanal und verhindert, dass die Spitze im Kanal klemmt. Wie bei der Ultraschallaktivierung können durch die starken Schwingungen Aerosole oder kleinere Spritzer entstehen, weshalb der Patient mit entsprechenden Maßnahmen (Kofferdam, Schutzbrille und Kleiderschutz) vor den Spülflüssigkeiten geschützt werden sollte. Diese Schutzvorkehrungen sind allerdings bei jeder Wurzelkanalbehandlung und v. a. bei jeglicher Verwendung von Natriumhypochlorit, insbesondere bei der aktivierten Spülung, dringend empfohlen.

 

 

Klinische Erfahrungen

An der Universität Basel wird „EDDY“ seit mehr als einem Jahr klinisch angewendet. Die Applikation mit einem Airscaler, der direkt an der Turbine der Behandlungseinheit angebracht wird, ist einfach und unkompliziert. Zusätzliche Geräte sind nicht nötig. Nach der aktivierten Spülung mit „EDDY“ im Anschluss an die Aufbereitung oder die Entfernung der medikamentösen Einlage ist unter dem Operationsmikroskop eine effiziente Säuberung der Kanäle erkennbar, die sich zumindest optisch ähnlich darstellt wie nach einer Ultraschallaktivierung (Abb. 1a–d). Das Einbringen der Spitze kann anfänglich aufgrund der Länge des Instruments etwas Mühe bereiten. Allerdings kann die Spitze durch leichtes Vorbiegen auch in schwer zugängliche Kanäle eingebracht werden. Die Orientierung an der Arbeitslänge ist dank den am Instrument angebrachten Rillen möglich und eine Überinstrumentierung kann so einfach vermieden werden. Eine zusätzliche Markierung mit einem wasserfesten Stift kann die Längenkon­trolle noch vereinfachen (Abb. 2). Wichtig ist, dass bei der Anwendung von „EDDY“ sowohl der Kanal als möglichst auch das Pulpakavum mit Spülflüssigkeit gefüllt sind, damit genügend Flüssigkeit aktiviert wird. Spritzt Flüssigkeit aus dem Kavum, kann die Assistenz Spüllösung nachfüllen. Die Aktivierung sowie das anschließende vollständige Rausspülen der oftmals stark eingetrübten Flüssigkeit werden so lange wiederholt, bis die aus dem Kanal gespülte Lösung klar ist. Grundsätzlich sollte das Spülprotokoll bei schwierigen Wurzelkanalanatomien und bei infizierten Fällen intensiviert werden.

Fazit

Die Aktivierung der Spüllösung ist ein Teil der modernen Endo­dontie und der wahrscheinlich entscheidendste Arbeitsschritt für eine erfolgreiche  Wurzelkanalbehandlung. Die Polyamidspitze „EDDY“ bietet eine unkomplizierte Möglichkeit, Spüllösungen ohne hohen zusätz­lichen Material- oder finanziellen Aufwand zu aktivieren. Die Anwendung zeigt klinisch eine effektive Aktivierung der Spülflüssigkeit und eine bessere Debris- Entfernung aus dem Wurzelkanalsystem als mit alleiniger Handspülung. Allerdings bleibt auch hier abzuwarten, ob dieser Effekt in wissenschaftlichen Studien bestätigt werden kann.

Die vollständige Literaturliste gibt es hier.

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