Endodontologie 05.11.2015

Wurzelkanalaufbereitung – ein notwendiger und komplexer Schritt



Wurzelkanalaufbereitung – ein notwendiger und komplexer Schritt

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Ziel der endodontischen Behandlung ist die Entfernung von Pulparesten sowie des bakteriellen Biofilms und seiner Giftstoffe aus dem Wurzelkanal, um jeglicher periapikalen Schädigung vorzubeugen oder sie zu beseitigen.1 Dabei ist die Wurzelkanalaufbereitung ein wesentlicher, notwendiger und komplexer Schritt. Wesentlich, weil er die unerlässliche Spülung des Wurzelkanals ermöglicht, notwendig, um eine dreidimensionale Füllung des endodontischen Wurzelkanalsystems zu erzielen2, und komplex aufgrund der extremen Komplexität der Wurzelkanalanatomie.3

In den vergangenen Jahren hat sich die Definition einer erfolgreichen endodontischen Behandlung stark weiterentwickelt. 1986 basierte der Erfolg der Behandlung auf dem vollständigen Verschwinden einer periapikalen Schädigung.4 2004 entwickelte sich der Begriff weiter, man sprach von einem geheilten, sich im Heilungsprozess befindlichen oder kranken Zahn.5 2011 kommt erstmals die Bezeichnung „funktioneller versus nicht funktioneller Zahn“6 auf. Unabhängig von der Epoche dieser Definitionen bleiben die von Schilder 1974 eingeführten Konzepte der Wurzelkanalaufbereitung die gleichen7, nämlich: die Einhaltung der ursprünglichen Wurzelkanalanatomie, die Berücksichtigung der Lage des apikalen Foramens, das Erreichen und die Wahrung der Durchlässigkeit des Wurzelkanals, der Erhalt einer ausreichenden Konizität, die das Eindringen der Spüllösungen bis zum Apex gewährleistet. Jeder Zahnarzt kennt diese Konzepte und bemüht sich um deren bestmögliche Umsetzung. Und doch bleibt die endodontische Behandlung einer der von Zahnärzten und Kiefer­chirurgen am meisten gefürchteten Akte, bei dem zeitliche Zwänge zu unangemessenen Behandlungen führen können. Der Zahnarzt sucht also eine einfach anzuwendende, wirksame und schnelle Lösung, die reproduzierbare Behandlungen ermöglicht.

Die Einführung von Rotationsinstrumenten aus Nickel-Titan in die Endodontie der späten 90er-Jahre revolutionierte diese Spezialität. Die extreme Elastizität des Materials verleiht Instrumenten mit größerem Durchmesser und größerer Konizität als Handfeilen in der Tat eine große Biegsamkeit. Handfeilen aus Edelstahl sind steifer und können zu apikalen Widerständen, einer Abweichung vom ursprünglichen Kanalverlauf, einem Riss des apikalen Foramens oder einem Instrumentenbruch führen.8, 9 Instrumente aus Nickel-Titan ermöglichen zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse. Jedoch haben diese Instrumente, und insbesondere die in kontinuierlicher Rotation verwendeten Feilen, aufgrund von Materialermüdung oder einer zu starken Torsionsbelastung ein höheres Bruchrisiko als Edelstahlfeilen. Instrumentenbrüche aufgrund von Materialermüdung erfolgen ohne vorherige, mit bloßem Auge sichtbare Verformung. Sie sind somit nicht genau vorhersehbar.10 Dieses erhöhte Bruchrisiko führt zu oft dazu, dass der Zahnarzt sich von der Endodontie abwendet. Die Beachtung weniger einfacher Prinzipien, wie die Einhaltung der vom Hersteller empfohlenen Geschwindigkeit und des vorgegebenen Drehmoments, die vorherige Wurzelkanalerweiterung, die Ausführung vertikaler Auf- und Abwärtsbewegungen sowie die Reinigung und die optische Analyse des Instruments nach jedem Eindringen in den Wurzelkanal ermölicht jedoch ein sichereres und gelasseneres Arbeiten.

Die Einführung von Instrumenten zum Einmalgebrauch beseitigt darüber hinaus das Risiko einer Kreuzkontamination, vermindert das Bruchrisiko aufgrund von Material­ermüdung deutlich und vereinfacht das Behandlungsverfahren. MICRO-MEGA® hat das „One Shape® Procedure Pack“ (OSPP) entwickelt, das in einer sterilen Verpackung geliefert wird. Es enthält eine ENDOFLARE®-Feile, eine MMC-Feile Nr. 10, eine One G-Feile, eine MMC-Feile Nr. 15 und eine One Shape®-Feile (Abb.1). Das „One Shape® Procedure Pack“ (OSPP) vereinfacht das Behandlungsverfahren und die Lagerverwaltung und macht ein Instrumentenmanagement überflüssig, denn alle für die Wurzelkanalaufbereitung not­wendigen Instrumente sind Instrumente zum Einmalgebrauch und werden in einer einzigen sterilen Verpackung geliefert.

Anwendungsverfahren

Vor jeder endodontischen Behandlung ist eine präoperative Röntgenaufnahme mit einem Röntgenfilmhalter erforderlich (Abb. 5a). Nach Anbringung des Kofferdams und Schaffung der Zugangskavität werden die Kanaleingänge lokalisiert und die Pulpakammer mit Natriumhypochlorit gespült (Abb. 5b). Der erste Schritt der Wurzelkanalaufbereitung beginnt mit der Erweiterung der Kanaleingänge. ENDOFLARE® ist das erste Instrument des One Shape® Procedure Packs. Diese Feile mit einem Durchmesser von 25/100 und einer Konizität von zwölf Prozent ermöglicht mithilfe von Auf- und Abwärtsbewegungen und gleichzeitiger Druckausübung auf die Kanalwände in den ersten 3–4 mm des Wurzelkanals eine Erweiterung der Kanalöffnungen (Abb. 5c). Im Beispielfall beseitigt ENDOFLARE® den Dentinüberhang am Eingang des distalen Wurzelkanals und legt einen zweiten mesiobukkalen Wurzelkanal offen (Abb. 5d). Die Sondierungsfeile erlaubt die Beurteilung der Komplexität des Kanals. Sie wird dank des vorherigen Einsatzes von ENDOFLARE® ohne Widerstände im koronalen Bereich in den Wurzelkanal eingeführt. Alle koronalen Widerstände, auf die eine Feile treffen kann, müssen beseitigt werden, um die Wurzelkanalbehandlung so sicher wie möglich zu machen (Abb. 5e).

Der zweite Schritt der Wurzelkanalaufbereitung besteht in der Schaffung eines Gleitpfads und der Er­weiterung des Wurzelkanals. Dies erleichtert das spätere Einführen und die Arbeit des rotierenden Aufberei­tungsinstruments. Der Gleitpfad wird mithilfe von Handfeilen aus Edelstahl oder rotierenden NiTi-Instrumenten geschaffen.8 Es wurde nachgewiesen, dass das Risiko einer Abweichung vom ursprünglichen Kanalverlauf bei der Verwendung eines sehr flexiblen Instruments mit asymmetrischem Querschnitt gesenkt wird.9 Darüber hinaus verringert diese Art Querschnitt in Kombination mit einer variablen Gewindesteigung den Einschraubeffekt.11 Das zweite Rotationsinstrument des One Shape® Procedure Packs ist One G (Abb. 2). Dieses NiTi-Instrument mit einem Durchmesser von 14/100 und einer Konizität von drei Prozent hat einen asymmetrischen Querschnitt; seine drei Schnittkanten befinden sich auf drei verschiedenen Radien zur Kanalachse. Außerdem verfügt One G über eine variable Gewindesteigung. Das bedeutet, dass die Steigungswinkel verschieden sind: je kleiner der Winkel, desto aktiver arbeitet das rotierende Instrument, je größer der Winkel, desto wirksamer ist das Instrument in der Zugbewegung.8 Alle diese Eigenschaften verleihen ihm eine große Bieg- und Wirksamkeit.

Klinisch wird One G bis zur vor­her mit einer MMC-Feile Nr. 10 oder einem Apex-Lokalisator bestimmten Arbeitslänge (AL) gebracht, falls der Wurzelkanal durchlässig ist. Ist der Wurzelkanal nicht durchlässig, dringt One G durch vertikale Auf- und Abwärtsbewegungen auf der Kanalachse bis zur Eindringtiefe der MMC-Feile Nr. 10 in den Wurzelkanal ein. So werden Widerstände im koronalen und medianen Drittel des Wurzelkanals beseitigt. Die Feile Nr. 10 wird anschließend vorgebogen, um die Durchlässigkeit des Wurzelkanals zu erreichen. Nach Bestimmung der AL wird diese auf One G übertragen. Das Instrument dringt mit einer Geschwindigkeit von 250–400/min und einem Drehmoment von höchstens 1,2 Ncm (Abb. 5f und 5g) bis zu dieser Länge vor. Nach Schaffung des Gleitpfads mit One G muss die MMC-Feile Nr. 15 bis zur Arbeitslänge vordring­en, ohne auf Widerstände zu stoßen. Der Wurzel­kanal kann nun aufbe­r­eitet werden.

Das dritte rotierende Instrument ist One Shape® (Abb. 3). Dieses NiTi-Instrument mit einem Durchmesser von 25/100 und einer Konizität von sechs Prozent hat einen variablen asymmetrischen Querschnitt. Die letzten beiden apikalen Millimeter der 16 mm langen aktiven Schneide des Instruments haben einen Querschnitt mit einer dreifachen Gewindesteigung und drei Schnittkanten auf drei verschiedenen Radien zur Kanalachse. Die folgenden 7,5 mm sind eine „Übergangszone“, die im koronalen Bereich in einen 6,5 mm langen Feilenabschnitt mit einer zweifachen Gewindesteigung übergeht.12 Die beiden Schneidwinkel des koronalen Bereichs bieten eine größere Schneidleistung und ermöglichen so einen wirksameren Abtransport von Dentinspänen, während die drei apikalen Schneidwinkel für eine bessere Zentrierung des Instruments, eine bessere Widerstandsfähigkeit gegenüber Widerständen bei höherer Tor­sionsbeanspruchung und eine bessere Anpassung an Krümmungen sorgen.13 Die Spitze des Instruments ist inaktiv und gewährleistet ein sanftes Vor­dringen im Wurzelkanal. Für einen besseren Abtransport von Dentinspänen und eine Begrenzung des Einschraubeffekts sind die Gewindesteigung und der Steigungswinkel entlang des gesamten Instruments variabel. Dank seiner Eigenschaften führt One Shape® weniger zur Verdrängung von Dentinspänen und Spülflüssigkeit in den apikalen Bereich als andere Einfeilensysteme auf dem Markt.14 Das Instrument dringt mit Auf- und Abwärtsbewegungen von geringer Weite und ohne übermäßige Druckausübung im Wurzelkanal vor. One Shape® wird in kontinuierlicher Rotation bei einer Geschwindigkeit von 350–450/min und mit einem Drehmoment von höchstens 2,5 Ncm verwendet.

Die Wurzelkanalaufbereitung erfolgt in drei Schritten:

1. Eindringen von One Shape® bis zu 2/3 der AL

2. Eindringen von One Shape® bis zur AL 3 mm

3. Eindringen von One Shape® bis zur AL

Nach jedem Eindringen in den Wurzelkanal wird dieser gründlich mit Natriumhypochlorit gespült und anhand einer Feile Nr. 10 auf seine Durchlässigkeit hin untersucht. Die Windungen des Instruments werden systematisch von allen Dentinspänen gesäubert und optisch geprüft. One Shape® erlaubt eine schnellere Wurzelkanalaufbereitung als andere Einfeilensysteme.15 Dieser Zeitgewinn sollte der abschließenden Spülung zugutekommen.

Fazit

  • Ein Gefühl von Sicherheit bei der Arbeit: Die Instrumente sind stets neu, das Risiko eines Instrumentenbruchs aufgrund von Materialermüdung ist somit verringert, und es besteht keine Gefahr einer Kreuzkontamination.
  • Einfache und zeitsparende Verwendung: Alle Instrumente werden in kontinuierlicher Rotation benutzt.
  • Schnelle Wurzelkanalaufbereitung: Der Zeitgewinn bei der Wurzelkanalaufbereitung ermöglicht eine gründlichere Spülung.
  • Vereinfachung der Behandlung: ein einziges Instrument für die Schaffung eines Gleitpfads, ein einziges Instrument für die Aufbereitung.
  • Zeitgewinn für die Zahnarzthelferin: einfachere und schnellere Vorbereitung des Arbeitsmaterials. Keine Reinigung und keine Sterilisation der Instrumente nach der Behandlung dank der Instrumente zum Einmalgebrauch. So kann die Zahnarzthelferin dem Zahnarzt besser während der Behandlung assistieren.
  • Optimierung der Organisation innerhalb der Zahnarztpraxis: erleichterte Lagerverwaltung und Platz­ersparnis.

Die Literaturliste kann hier heruntergeladen werden.

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