Endodontologie 30.08.2013

Wurzelkanalfeilen der fünften Generation



Wurzelkanalfeilen der fünften Generation

Seit den Anfängen der modernen Endodontie wurden verschiedenste Konzepte, Strategien und Techniken zur Wurzelkanalaufbereitung entwickelt. Ein unüberschaubares Angebot an Feilen zur Erkundung und Aufbereitung der Kanäle kam über die Jahrzehnte auf den Markt. In diesem Artikel werden die Beiträge der einzelnen Generationen von NiTi-Wurzelkanalfeilen zum Fortschritt in der Kanalaufbereitung dargestellt und verglichen sowie ein neues Feilensystem und eine neue klinische Technik beschrieben, die die bewährtesten Designmerkmale früherer Systeme mit den aktuellsten Innovationen von heute kombinieren.

Trotz der unterschiedlichen Feilendesigns, der Vielzahl benötigter Instrumente und der erstaunlichen Vielfalt empfohlener Techniken gehen wir endodontische Behandlungen, was die Erfolgsaussichten anbetrifft, in der Regel optimistisch an. Den klinischen Durchbruch in der Endodontie stellte der Übergang von einer langen Folge von Edelstahl-Handfeilen und mehreren rotierenden Gates-Glidden-Bohrern zu Nickel-Titan-(NiTi-)Feilen bei der Kanalaufbereitung dar. Unabhängig von den angewandten Methoden wurden die mechanischen Aufbereitungsziele vor fast 40 Jahren von Dr. Herbert Schilder sehr gut zusammengefasst.1 Werden diese mechanischen Ziele korrekt umgesetzt, so sind auch die biologischen Aufbereitungsziele, d.h. dreidimensionale Desinfektion und Füllung des Wurzelkanalsystems, erreichbar (Abb. 1).

Wurzelkanalfeilen aus NiTi

Walia schlug 1988 die NiTi-Legierung Nitinol als Werkstoff für Wurzelkanalfeilen vor, da sie bei gleicher Feilengröße zwei- bis dreimal so flexibel wie Edelstahl ist.2 Das Bahnbrechende an den NiTi-Feilen war, dass nun auch gekrümmte Kanäle in kontinuierlicher Rotation maschinell aufbereitet werden konnten. Mitte der 1990er-Jahre kamen die ersten rotierenden NiTi-Feilen auf den Markt.3 Im Folgenden werden die einzelnen Generationen von Feilensystemen nach mechanischen Gesichtspunkten klassifiziert. Allerdings nicht nach den unzähligen erhältlichen Feilenquerschnitten, sondern danach, ob sie passiv oder aktiv schneiden.

Erste Generation
Zum besseren Verständnis der Entwicklung maschineller NiTi-Instrumente sollte man wissen, dass die erste NiTi-Feilengeneration meist im gesamten Schneidebereich eine passiv schneidende radiale Fase und eine einheitliche Konizität von 4 % oder 6 % hatte (Abb. 2).4 Bei dieser Generation brauchte man zum Erreichen der Aufbereitungsziele eine Vielzahl von Feilen. Seit Mitte/Ende der 1990er-Jahre sind die GT-Files (DENTSPLY Tulsa Dental Specialties) mit einheitlichen Konizitäten von 6, 8, 10 und 12% erhältlich.5 Das mit Abstand wichtigste Designmerkmal dieser ersten Generation rotierender NiTi-Feilen war die passive radiale Fase, die dafür sorgte, dass die Feile auch bei Krümmungen im Kanal zentriert blieb.

Zweite Generation
Die zweite Generation rotierender NiTi-Feilen kam 2001 auf den Markt.6 Für diese Generation ist charakteristisch, dass sie aktive Schneiden hat und weniger Instrumente für eine vollständige Kanalaufbereitung nötig sind (Abb.3). Zur Vermeidung des sog. Taper-Lock-Effekts mit nachfolgendem Hineinschrauben bei passiv wie auch aktiv schneidenden NiTi-Instrumenten mit einheitlicher Konizität wurden die Feilenlinien EndoSequence (Brasseler USA) und BioRaCe (FKG Dentaire) mit alternierenden Kontaktpunkten entwickelt.7 Mit diesen Feilenlinien sollte das Taper-Lock-Risiko verringert werden; doch auch sie haben im gesamten Schneidebereich eine einheitliche Konizität. Der klinische Durchbruch kam mit PROTAPER (DENTSPLY Tulsa Dental Specialties/DENTSPLY Maillefer); bei diesem System hat jede Feile mehrere zunehmende oder abnehmende Konizitäten. Dieses Design mit progressiven Konizitäten begrenzt die Schneidleistung der einzelnen Feilen jeweils auf einen bestimmten Kanalabschnitt und ermöglicht mit einer kürzeren Feilensequenz eine sichere, tiefe Aufbereitung nach Schilder (Abb. 4).8 Zu dieser Zeit entwickelten die Hersteller auch neue Methoden zur Erhöhung der Bruchfestigkeit ihrer Feilen. Einige beseitigten durch Elektropolieren die vom konventionellen Schleifen herrührenden Unebenheiten an der Feilenoberfläche. Es wurde jedoch klinisch beobachtet und wissenschaftlich nachgewiesen, dass scharfe Schneidekanten durch Elektropolieren stumpf werden. So stand den vermeintlichen Vorteilen des Elektropolierens der schwerwiegendere Nachteil entgegen, dass mehr Druck nach apikal nötig war, um die Arbeitslänge zu erreichen. Zu starker Druck führt besonders bei Instrumenten mit einheitlicher Konizität leicht zu Taper-Lock, Hineinschrauben und dem Einwirken zu hoher Drehmomente auf die rotierende Feile.9 Zur Behebung von Mängeln im Allgemeinen bzw. Leistungsminderungen durch Elektropolieren wurden neue Querschnittsdesigns entwickelt und höhere, aber auch gefährlichere Drehzahlen empfohlen.

Dritte Generation
Eine verbesserte NiTi-Metallurgie ist das wesentliche Merkmal der dritten Generation maschineller Wurzelkanalfeilen. Seit 2007 setzen die Hersteller auf Wärmebehandlung, um die zyklische Ermüdung rotierender NiTi-Instrumente zu verringern und so ihre Sicherheit in stärker gekrümmten Kanälen zu erhöhen.10 Der angestrebte Phasenübergang zwischen Martensit und Austenit optimiert nachweislich das klinische Verhalten im Vergleich zu herkömmlichem NiTi. Bei dieser dritten Generation der NiTi-Feilen sind die zyklische Ermüdung und damit die Bruchgefahr deutlich reduziert. Beispiele für wärmebehandelte Feilenlinien sind Twisted File (Sybron-Endo), HyFlex (Coltène/Whaledent) sowie GT, VORTEX und WaveOne (DENTSPLY Tulsa Dental Specialties/DENTSPLY Maillefer).

Vierte Generation
Einen weiteren Fortschritt in der Kanalaufbereitung stellte die reziproke Bewegung dar, die als wiederholte Auf- und Ab- bzw. Hin- und Herbewegung definiert werden kann. Diese Technik wurde Ende der 1950er-Jahre von dem französischen Zahnarzt Blanc eingeführt. Beispiele für Systeme, bei denen die Feilen abwechselnd in genau gleichen Winkeln im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn rotieren, sind aktuell M4 (Sybron-Endo), Endo Express (Essential Dental Systems) und Endo-Eze (Ultradent). Im Gegensatz zu kontinuierlich rotierenden Feilen erfordern reziprok rotierende Feilen mit gleich weiter Drehung in beide Richtungen einen stärkeren Druck nach apikal, schneiden bei gleicher Größe weniger effizient und transportieren die Späne weniger effektiv aus dem Kanal. Durch Weiterentwicklung der reziproken Rotation auf der Basis dieser Erfahrungen entstand die vierte Generation von Wurzelkanalfeilen. Diese Generation und die entsprechende Technik erfüllten die lange gehegten Hoffnungen auf eine Ein-Feilen-Technik weitgehend. ReDent-Nova (Henry Schein) führte die Self Adjusting File (SAF) ein. Diese „sich selbst anpassende“ Feile besteht aus einem komprimierbaren Hohlzylinder, der unabhängig von der Gestalt des Kanalquerschnitts einen gleichmäßigen Druck auf die Dentinwände ausüben soll. Die SAF wird mit einem Handstück betrieben, das sowohl für kurze vertikale Bewegungen mit 0,4 mm Amplitude als auch für Vibrationen und permanente Spülung sorgt.11 Eine weitere neue Ein-Feilen-Technik – One Shape (MICRO-MEGA) – wird bei den Designs der fünften Generation näher behandelt. Das mit Abstand beliebteste Ein-Feilen-Konzept bieten WaveOne (DENTSPLY Tulsa Dental Specialties/DENTSPLY Maillefer) und RECIPROC (VDW). WaveOne vereint die besten Designmerkmale der zweiten und dritten Feilengeneration und einen reziprok arbeitenden Motor, in dem die Feilen in unterschiedlichen Winkeln hin und her rotieren. Der Rotationswinkel in Schneidrichtung (gegen den Uhrzeigersinn) ist fünfmal so groß wie der Winkel entgegen der Schneidrichtung (im Uhrzeigersinn) und liegt unter der Elastizitätsgrenze der Feile. Nach drei Schneidezyklen gegen und im Uhrzeigersinn hat die Feile eine volle Umdrehung um 360 Grad ausgeführt (Abb. 5). Dank dieser neuartigen reziproken Rotation dringt die Feile leichter vor, schneidet effizienter und entfernt die Späne effektiver aus dem Kanal.12

Fünfte Generation
Die Wurzelkanalfeilen der fünften Generation sind durch einen versetzten Massen- und/oder Rotationsmittelpunkt gekennzeichnet (Abb. 6). Feilen mit einem solchen exzentrischen Design erzeugen bei der Rotation eine mechanische Wellenbewegung entlang ihres Schneidebereichs. Wie die progressiven Konizitäten der PROTAPER Feilen sorgt das Design dafür, dass der Eingriff der Feile in das Dentin weiter minimiert wird.13 Zudem verbessert ein exzentrisches Design den Abtransport der Späne aus dem Kanal und erhöht die Flexibilität der Feile im Schneidebereich. Die Vorteile eines solchen Designs werden an anderer Stelle in diesem Artikel näher betrachtet. Auf dem Markt erhältliche Varianten dieser Technologie sind u. a. Revo-S, One Shape (MICRO-MEGA) und PROTA-PERNEXT(DENTSPLY Tulsa Dental Specialties/DENTSPLY Maillefer). Die heute sichersten, effizientesten und einfachsten Feilensysteme verbinden die bewährtesten Designmerkmale früherer Generationen mit den neuesten technischen Fortschritten.

Das PROTAPER NEXT (PTN) System
Das PROTAPER NEXT (PTN) System (DENTSPLY Tulsa Dental Specialties/DENTSPLY Maillefer) umfasst fünf in verschiedenen Längen erhältliche rotierende Feilen zur Wurzelkanalaufbereitung: X1, X2, X3, X4 und X5 (Abb. 7). Diese Feilen sind der Reihe nach mit einem gelben, roten, blauen, doppelten schwarzen und doppelten gelben Ring am Griff farbcodiert, entsprechend den Größen 017/04, 025/06, 030/07, 040/06 und 050/06. Die hier genannten Konizitäten sind nicht einheitlich für den gesamten Schneidebereich der PTN-Feilen. Die PTN-Feilen X1 und X2 haben beide zu- und abnehmende Konizitäten (in Prozent) innerhalb eines Instruments, während die PTN-Feilen X3, X4 und X5 von D1 bis D3 eine einheitliche Konizität haben, und dann abnehmende Prozentsätze entlang des restlichen Schneidebereichs. Die PTN-Feilen kombinieren drei wichtige Designmerkmale: die progressiven Konizitäten innerhalb einer Feile, die M-Wire-Technologie und den exzentrischen Querschnitt, das Kennzeichen der fünften Generation. So ist etwa bei der PTN-Feile X1 Masse und Rotationsachse von D1 bis D3 zentriert, aber von D4 bis D16 ist die Rotationsmasse exzentrisch. Beginnend mit 4 %, hat die Feile X1 von D1 bis D11 zehn zunehmende Konizitäten, und von D12 bis D16 abnehmende Prozentsätze – für mehr Flexibilität und größere Schonung des Wurzeldentins bei der Aufbereitung. Die PTN-Feilen werden bei einer Drehzahl von 300/min und einem Drehmoment von 2,0–5,2 Ncm, je nach Arbeitsweise, betrieben. Die Autoren arbeiten bevorzugt mit 5,2 Ncm, was erwiesenermaßen absolut sicher ist, wenn sorgfältig auf einen optimalen Gleitpfad geachtet wurde und die Kanäle mit einer vorsichtigen auswärts bürstenden Bewegung schrittweise aufbereitet werden.14 Bei der PTN-Technik werden alle Feilen in exakt derselben Weise angewandt, und die Sequenz folgt stets der ISO-Farbcodierung und ist auch stets dieselbe, unabhängig von Länge, Durchmesser oder Krümmung des Kanals.

Aufbereitungstechnik
Die Aufbereitungstechnik von PROTAPER NEXT ist sicher, effizient und einfach, wenn ausreichende Sorgfalt auf die Zugangspräparation und das Gleitpfadmanagement (GPM) verwendet wird. Wie bei jedem Aufbereitungsverfahren ist ein geradliniger Zugang zu den einzelnen Kanaleingängen nötig. Die axialen Innenwände werden erweitert, geglättet und fein bearbeitet. Für leichteren Zugang zum Kanal enthält das ursprüngliche PROTAPER-System die Shaping File SX. Dieses Zusatzinstrument wird mit auswärts bürstender Bewegung angewandt, um gegebenenfalls den Eingang etwas zu erweitern, Dentindreiecke zu entfernen, den äußersten koronalen Kanalabschnitt von externen Wurzelkonkavitäten weg zu verlagern oder für mehr Konizität zu sorgen.

Das Schwierigste an endodontischen Behandlungen ist wohl, die Wurzelkanäle zu finden und bis zum Endpunkt zu verfolgen und vorhersagbar zu sichern. Das Erkunden und Sichern eines Kanals mit feinen Handfeilen erfordert eine mechanische Strategie, eine geübte Hand sowie Geduld und Zielstrebigkeit. Zuerst werden die Kanalwände mit einer feinen Handfeile sondiert, erweitert und gereinigt. Ist manuelle Reproduzierbarkeit sichergestellt, so kann der Kanal vor der eigentlichen Aufbereitung mit einer speziellen rotierenden Gleitpfadfeile noch etwas erweitert werden.15 Als gesichert gilt der Kanal also, wenn er leer ist und einen kontrollierten, glatten und reproduzierbaren Gleitpfad aufweist. Nach Schätzung der Arbeitslänge führt man eine Handfeile der Größe 010 in Gegenwart eines viskosen Chelators in den Kanaleingang ein und prüft, ob diese leicht bis zum Endpunkt des Kanals vordringt. In kürzere, weitere und geradere Kanäle lässt sich die Feile 010 meist mühelos bis zur gewünschten Arbeitslänge einführen. Wenn diese Feile bei erreichter Arbeitslänge nur locker anliegt, kann der Gleitpfad stärker erweitert werden, entweder mit einer Handfeile 015 oder mit speziellen rotierenden Gleitpfadfeilen, z.B. den PATHFILES (DENTSPLY Tulsa Dental Specialties/DENTSPLY Maillefer). Der so geschaffene Gleitpfad stellt sicher, dass genügend Platz vorhanden ist, um mit der maschinellen Aufbereitung mit PTN-Feile X1 beginnen zu können.

In anderen endodontischen Fällen sind die Wurzelkanäle länger, enger und stärker gekrümmt (Abb. 8a). Hier lässt sich eine Handfeile 010 häufig nicht gleich bis zur Arbeitslänge einführen. Im Allgemeinen besteht aber keine Notwendigkeit, auf Feilen der Größe 006 und/oder 008 zurückzugreifen, um den Endpunkt des Kanals sofort zu erreichen. Man bearbeitet einfach vorsichtig den jeweils erreichten Kanalabschnitt mit der Feile 010, bis sie absolut locker sitzt. Mit PTN-Feilen kann jeder Kanalabschnitt aufbereitet werden, der einen glatten, reproduzierbaren Gleitpfad aufweist. Unabhängig von Gleitpfad und Aufbereitungssequenz ist das Endziel, den Kanal auf seiner ganzen Länge zu erkunden, die genaue Arbeitslänge zu bestimmen und für apikale Gängigkeit zu sorgen (Abb. 8b). Der Kanal ist gesichert und der Gleitpfad verifiziert, wenn eine Handfeile 010 bei Arbeitslänge locker sitzt und mühelos reproduzierbar durch das apikale Kanaldrittel gleitet.

Nach der Sicherung der Kanäle wird die Zugangskavität mit sechsprozentiger NaOCl-Lösung gründlich gespült. Dann kann die Aufbereitung beginnen, und zwar mit der PTN-Feile X1. Dabei ist zu beachten, dass die PTN-Feilen niemals mit einwärts pumpenden oder stoßenden, sondern stets mit auswärts bürstenden Bewegungen angewandt werden. Bei dieser Arbeitsweise kann die PTN-Feile passiv vordringen, dem Gleitpfad folgen und die Arbeitslänge erreichen. Die Feile X1 wird durch die Zugangskavität und den zuvor erweiterten Eingang passiv in den gesicherten Kanal eingeführt. Noch bevor sie auf Widerstand stößt, beginnt man sofort mit vorsichtigen auswärts bürstenden Bewegungen (Abb. 8c). Dieses Bürsten schafft seitlich Platz und erlaubt so ein weiteres Eindringen der Feile um einige Millimeter. Es dient auch dazu, den Kontakt zwischen Feile und Dentin zu verbessern, besonders in Kanälen mit unregelmäßigem Querschnitt oder exzentrischen Stellen in den runderen Abschnitten.

Man führt die PTN-Feile X1 nun schrittweise tiefer in den Hauptteil des Kanals ein. Wenn die Feile einige Millimeter vorangekommen ist, nimmt man sie wieder heraus, um die Schneiden zu kontrollieren und zu reinigen. Bevor die X1 wieder eingeführt wird, muss unbedingt der Großteil der Späne ausgespült und mit einer Handfeile 010 rekapituliert werden, um das restliche Debris aufzubrechen und zu lösen; dann wird erneut gespült, um auch dieses Material zu entfernen. In einem oder mehreren Schritten wird so mit der X1 weitergearbeitet, bis die Arbeitslänge erreicht ist. Zur Erfüllung der mechanischen Aufbereitungsziele sollte man immer spülen, rekapitulieren und erneut spülen, nachdem man eine rotierende Feile aus dem Kanal nimmt.

Nun führt man die PTN-Feile X2 behutsam ein. Bevor sie auf Widerstand trifft, wird auch hier seitlich gegen die Dentinwände gebürstet, was die X2 wiederum passiv und schrittweise tiefeeindringen lässt. Die X2 folgt mühelos dem Pfad der X1, sorgt sukzessive für eine weitere Aufbereitung und dringt nach und nach bis zur Arbeitslänge vor. Wenn diese Feile auf Widerstand stößt und nicht mehr vorankommt, nimmt man sie ebenfalls heraus und prüft und reinigt die Schneiden. Dann wieder spülen, rekapitulieren und erneut spülen, um die mechanischen Aufbereitungsziele zu erfüllen. So wird auch mit der X2 weitergearbeitet, bis die Arbeitslänge erreicht ist, was einen oder mehrere Schritte erfordern kann, je nach der Länge, Weite und Krümmung des betreffenden Kanals (Abb. 8d).

Nach Erreichen der Arbeitslänge wird die PTN-Feile X2 entfernt. Die Aufbereitung kann als beendet angesehen werden, wenn der apikale Schneidebereich dieser Feile sichtbar mit Dentin gefüllt ist. Alternativ kann man die Weite des Foramen apicale mit einer NiTi-Handfeile der Größe 025/.02 messen; wenn diese bei erreichter Arbeitslänge eng anliegt, ist der Kanal aufbereitet. Ist die Handfeile 025/.02 bei erreichter Arbeitslänge locker, so bedeutet dies einfach, dass das Foramen weiter als 0,25 mm ist. In diesem Fall misst man das Foramen mit einer NiTi-Handfeile der Größe 030/.02. Wenn diese bei erreichter Arbeitslänge eng anliegt, ist der Kanal aufbereitet. Falls diese Handfeile die Arbeitslänge nicht erreicht,sollte mit der PTN-Feile X3, genauso wie für PTN X1 und X2 beschrieben, noch weiter aufbereitet werden. Die meisten Kanäle sind nach Anwendung der PTN-Feile X2 oder X3 optimal aufbereitet (Abb. 8e). Die PTN-Feilen X4 und X5 sind in erster Linie zur Aufbereitung und Feinbearbeitung von Kanälen mit größeren Durchmessern vorgesehen. Falls das Foramen apicale einen größeren Durchmesser als die PTN-Feile X5 (050/.06) hat, sollte man diese weiteren und meist weniger gekrümmten und einfacheren Kanäle eventuell mit anderen Techniken fertig aufbereiten. In jedem Fall sollte beachtet werden, dass sorgfältig gesicherte Kanäle die Voraussetzung für eine gute Aufbereitung und eine dreidimensionale Reinigung und Füllung des Wurzelkanalsystems sind (Abb. 8f).

Diskussion
Aus klinischer Sicht kombinieren die rotierenden Feilen des PTN-Systems die bewährtesten und erfolgreichsten Designmerkmale früherer Systeme mit den neuesten Fortschritten in der Critical Path Technology. Diese kurze Diskussion soll erläutern, wie das Design die Leistung beeinflusst.

Das erfolgreichste Designmerkmal früherer Generationen ist das mechanische Konzept progressiver Konizitäten innerhalb einer Feile. Die rotierenden NiTi-Feilen des patentierten PROTAPER UNIVERSAL Systems haben in ihrem Schneidebereich jeweils zu- oder abnehmende Konizitäten. Dies minimiert den Kontakt zwischen Feile und Dentin, verringert somit die Gefahr von Taper-Lock-Effekt und Hineinschrauben und erhöht die Effizienz.8 Im Vergleich zu Feilen mit ähnlicher Größe und einheitlicher Konizität machen abnehmende Konizitätswerte die Feile deutlich flexibler, begrenzen die Aufbereitung auf den Hauptteil des Kanals und schonen das Dentin in den koronalen zwei Dritteln. Dieses bewährte mechanische Design mit progressiven Konizitäten innerhalb einer Feile bietet auch das PTN-System. Es hat dazu beigetragen, dass PROTAPER heute das weltweit meistverkaufte Feilensystem, die erste Wahl von Endodontologen und die international an erster Stelle im zahnmedizinischen Hauptstudium gelehrte Technik ist.16

Ein anderes entscheidendes Designmerkmal, das bestimmte Marken maschineller Wurzelkanalfeilen erfolgreich macht, ist ihre Metallurgie. Zwar sind NiTi-Feilen ohnehin schon nachweislich zwei- bis dreimal so flexibel wie Edelstahlfeilen der gleichen Größe, aber durch Wärmebehandlung lassen sich noch weitere metallurgische Verbesserungen erzielen. Forschung und Entwicklung konzentrieren sich auf das Erwärmen und Abkühlen von konventionellem NiTi, entweder vor oder nach der spanabhebenden Bearbeitung. Die Wärmebehandlung sorgt für einen optimaleren Phasenübergang zwischen Martensit und Austenit. Dabei hängt der beste Phasenübergang vom jeweiligen Feilenquerschnitt ab. M-Wire, eine metallurgisch weiterentwickelte NiTi-Variante, reduziert bei Feilen mit gleichem D0-Durchmesser, Querschnitt und Konizitätswert erwiesenermaßen die zyklische Ermüdung um 400%.17 Dieses Merkmal der dritten Generation trägt wesentlich zur insgesamt hohen klinischen Sicherheit und Leistungsfähigkeit der PTN-Feilen bei.

Das dritte Designmerkmal von PTN ist der exzentrische Querschnitt. Eine derart versetzte Rotationsmasse bietet bei kontinuierlich rotierenden Feilen drei wichtige Vorteile:13

  • 1. Ein exzentrischer Querschnitt erzeugt eine mechanische Wellenbewegung entlang des Schneidebereichs der Feile. Dieser Welleneffekt minimiert das Eingreifen der Feile in das Dentin, im Vergleich zu Feilen mit einheitlicher Konizität und zentrierter Rotationsmasse (Abb. 9). Ein weniger starker Eingriff verringert unerwünschte Effekte wie Taper-Lock, Hineinschrauben und zu hohes Drehmoment der Feile.
  • 2. Feilen mit exzentrischem Design bieten im Querschnitt mehr Platz, sodass sie effektiver schneiden, sich mit Spänen füllen und diese besser aus dem Kanal transportieren als Feilen mit zentrierter Masse und Rotationsachse (Abb. 9). Häufig brechen Instrumente infolge zu starker Auffüllung des Schneidebereichs mit Debris. Vor allem aber verringert ein exzentrisches Design das Risiko, dass die Feile Debris seitlich verdichtet und so das Wurzelkanalsystem verstopft (Abb. 6).
  • 3. Feilen mit exzentrischer Rotationsmasse führen eine mechanische Wellenbewegung aus, analog zur Oszillation einer Sinuswelle (Abb. 10). Infolgedessen kann eine PTN-Feile mit einem größeren „Envelope of Motion“ schneiden als eine Feile ähnlicher Größe mit symmetrischer Masse und Rotationsachse (Abb. 6). Der klinische Vorteil ist, dass sich mit einer feineren und flexibleren PTN-Feile eine ebenso große Präparation erzielen lässt wie mit einer stärkeren und steiferen Feile mit zentrierter Masse und Rotationsachse (Abb. 9).

Fazit
Jede neue Generation von Wurzelkanalfeilen hatte etwas zu bieten, wurde unterschiedlich beschrieben und stellte einen Fortschritt gegenüber ihren Vorgängern dar. Ein System der fünften Generation verbindet nun die bewährtesten Leistungsmerkmale früherer Generationen mit den neuesten technischen Innovationen. Das System wird die maschinelle Wurzelkanalaufbereitung vereinfachen, da in der Regel deutlich weniger Feilen als bisher erforderlich sind und sogenannte Hybridtechniken unnötig werden. Klinisch erfüllt PROTAPER NEXT die drei heiligen Grundsätze der Wurzelkanalaufbereitung: Sicherheit, Effizienz und Einfachheit. Wissenschaftlich wird noch evidenzbasierte Forschung nötig sein, um die potenziellen Vorteile dieses Systems zuüberprüfen.

Danksagung
Die Autoren möchten Dr. Michael J. Scianamblo für seine Arbeit auf dem Gebiet der Critical Path Technology danken, die zur Entwicklung von PROTAPER NEXT führte.

Kontakt
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info@dentsply.com

Autoren: Clifford J. Ruddle, Pierre Machtou, DDS, John D. West, DDS

Die Literaturliste finden Sie hier.

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