Implantologie 02.03.2011

Allogener Knochen - Option bei der Auflagerungsplastik



Allogener Knochen -  Option bei der Auflagerungsplastik

Kieferkammaugmentation mittels Schalentechnik

Um einen massiv atrophierten Kieferkamm verlässlich mit Implantaten zu versorgen, stehen eine Vielzahl von Augmentationsmöglichkeiten zur Verfügung. Ein Ansatz ist der laterale Aufbau mittels Kortikalisschalen und einem granulärem Augmentat, die sog. „Schalen- oder Blocktechnik“. Dabei gibt es durchaus eine Alternative zum autogenen Knochen:  allogenes Material, d.h. humaner Spenderknochen.

Bei der Schalentechnik ist die Verwendung von autogenem Knochen am weitesten verbreitet. Dieser definiert sich dadurch, dass Spender und Empfänger das gleiche Individuum sind und bildet aufgrund von osteo­genetischen, osteoinduktiven und osteokonduktiven ­Eigenschaften den derzeitigen „Goldstandard“. Autogener Knochen erfordert aber einen zusätzlichen chirurgischen Eingriff, verbunden mit allen dazugehörigen Risiken, möglichen Komplikationen und Entnahmemorbiditäten. Aus solchen Zweiteingriffen resultiert ebenso zwangsläufig eine Zunahme der Dauer der Operation und natürlich der entstehenden Kosten.1–4

 

Wird zudem Knochen aus dem Beckenkamm verwendet, zeigen sich Nachteile bezüglich der Volumenkonstanz im Vergleich zu anderen Knochenersatzmaterialien. Eine vorzeitige und unkontrollierte Resorption (bis zu 55% während den ersten sechs Monaten) kann das Ergebnis erheblich beeinträchtigen.5 Resistenter gegen Resorptionen ist intraoral entnommener Knochen, wobei die entnommenen Mengen in einigen Fällen quantitativ nicht ausreichend sind. Die genannten Nachteile bleiben jedoch bestehen.

Eine Alternative – Allogener Knochen

Eine Alternative, die sich bei uns über viele Jahre sehr gut bewährt hat, ist die Verwendung von allogenem Knochen.6,7 Allogener Knochen entstammt nicht von demselben Individuum, aber von derselben Spezies. In zahlreichen Studien wurde die erfolgreiche Anwendung von allogenem Knochenersatzmaterial dargelegt, u.a. auch in Fällen limitierter Verfügbarkeit von autologem Knochen.1,8,9 Von großem Vorteil ist die Disponibilität. Jegliche Quantität und Darreichungsform kann verwendet werden. Zusätzlich wird die Dauer der Operation verkürzt (im Schnitt 30 Minuten weniger10), der Blutverlust vermindert (im Schnitt 15% weniger11) und, im Vergleich zu einem Beckenkammtransplantat, die Möglichkeit einer alleinigen lokalen Anästhesie ermöglicht. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass neun Monate post OP kein signifikanter Unterschied zu autologem Knochen bezüglich der Einheilung besteht.11

 

Die Reduktion der Morbidität aufgrund des Wegfallens der Entnahmestelle, die einfache Handhabung sowie die deutliche Reduktion der Kosten für den Patienten lassen uns die Verwendung von allogenen Knochentransplantaten als Neuinterpretation des Goldstandards sehen.

In Deutschland sind allogene Zell- und Gewebetransplantate als Arzneimittel reguliert und zulassungspflichtig, d. h. die Gewinnung und Verarbeitung, die biologische Sicherheit und die klinische Anwendung unterliegen der ständigen Kontrolle der deutschen Behörden. Immer wieder wird in der Literatur auf ein Rest­risiko hinsichtlich der Übertragung von Infektionskrankheiten und antigener Abwehrreaktionen des Empfängers hingewiesen. Wir beziehen unser Produkt vom Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG, deutscher Vertrieb über ARGON Medical, Bingen am Rhein). Das Ausschlaggebende an diesem Spenderknochen ist das besondere Sterilisationsverfahren. Die Herstellung der Transplantate beinhaltet eine Peressigsäure-Sterilisation (PES), welche 1985 an der Berliner Charité entwickelt wurde. Eine Studie des Robert Koch-Instituts in Berlin validierte die Wirksamkeit dieser Methode auf alle relevanten Viren, Bakterien, Pilze und Sporen. Durch diese verlässliche Sterilisationsmethode sind die oft angeführten Nachteile durch eine mögliche Krankheitsübertragung praktisch nicht existent.8,12

Seit 1985 wurden weit über 150.000 PES-sterilisierte allogene Knochentransplantate der Charité und DIZG verwendet, bisher aber über keine Infektion berichtet. Die spenderspezifischen Oberflächenantigene werden durch das intensive Prozessing zerstört. Bis heute wurde keine Immunreaktion im Sinne einer Abstoßung festgestellt.

Fallpräsentation

In den folgenden zwei Fallpräsentationen berichten wir über erfolgreiche Knochenaugmentationen mit der Schalentechnik und allogenem Knochen. Verwendet wurden dabei allogenes Knochengranulat (Osteograft® Corticalis Granulate, ARGON Medical), allogene Kortikalis-Blöcke (Osteograft® Corticalis Block, ARGON Medical) sowie resorbierbare, porcine Kollagenmembranen (OsteoGide®, ARGON Medical). Der Block wird dabei als Schale verwendet, das allogene Granulat mit Eigenblut (Abb. 1 und 2) und, falls vorhanden, partikulierten Eigenknochen als eigentliches Augmentat vermischt. Die hier verwendeten Membranen geben zusätzliche Sicherheit bei der Wunddeckung und weisen eine lange Standzeit von 14 bis 16 Wochen auf.

Der erste Fall (Abb. 3 bis 8) beschreibt eine Augmentation in Regio 46 und 47. Das OPG zeigt eine genügende vertikale Knochenhöhe, die DVT enthüllt die schmale transversale Breite des Knochens, die eine Augmentation für eine sichere Implantation notwendig macht. Der zweite Fall (Abb. 9 bis 14) zeigt eine ausgedehnte Atrophie des Unterkiefers. Auch hier ist eine Augmentation für eine sichere Implantation unumgänglich: im OPG wieder genügend vertikale Höhe, in der DVT aber der messerschneideartig schmale Knochen. Im Zuge der Operation wurden alle Zähne im Oberkiefer entfernt.

Operatives Vorgehen
Operativ erfolgte eine krestale Inzision bis auf den Knochen. An angrenzenden Zähnen wurde die Inzision intrasulkulär erweitert, eine vertikale Entlastung erfolgte in das Vestibulum. Es schloss die Bildung eines Mukoperiostlappens und die Darstellung der zu augmentierenden Knochenoberfläche an. Eine Konturierung der Knochenschale wurde vorgenommen, um eine Passung an den Alveolarkamm zu gewährleisten, sowie Ecken zur Vermeidung von Irritationen abzurunden. Die Knochenschale sollte dabei sehr grazil ausgedünnt werden. Eine Perforierung des Alveolarkammes ist dabei optional. Vorbohrungen in die Schale außerhalb des Mundes erleichtern die spätere Fixierung. Nach Anbringung des Augmentats erfolgte die Fixierung an den Alveolarkamm mit Schrauben. Von entscheidender Wichtigkeit ist, dass das Transplantat lagestabil fixiert wird, d.h. die Verschalung muss absolut bewegungsfrei einheilen können. Nach einer hoch im Vestibulum erfolgten Periostschlitzung fand der spannungsfreie und dichte Wundverschluss statt. Bei solch ausgedehnten Augmentationen ist eine peri- und postoperative antibiotische Abschirmung unerlässlich. Belastungen des Augmentats, z.B. durch vorhandene Prothesen, sind strikt zu vermeiden.

Resümee

Augmentationen mit allogenem Knochen funktionieren und können unserer Meinung nach teilweise besser ausfallen als bei der Verwendung von autologem Knochen. Es kann die gleiche Einheilung bei deutlich mehr zur Verfügung stehendem Volumen resultieren. Die erzielte Qualität des Knochens ist nach Remodeling gleichwertig und es existiert praktisch keine Resorption in der Einheilungszeit. Durch die Verfügbarkeit jeder Quantität kann eine ideal konturierte Schale zur Ummantelung des Augmentats hergestellt werden.

Die vollständige Literaturliste gibt es hier.

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