Kieferorthopädie 27.03.2013

Angulationskontrolle bei Alignertherapie



Angulationskontrolle bei Alignertherapie

Inwieweit bei der Behandlung eines Prämolaren-Extraktionsfalls mithilfe des  eCligner® Systems die Angulation der Schneidezähne kontrolliert und eine maximale Verankerung erreicht werden kann, demonstrieren Prof. Dr. TaeWeon Kim, Dr. Helmut Gaugel und Dr. Nils Stucki anhand eines klinischen Fallbeispiels.

In klinischen Langzeitstudien wur­de beobachtet, dass eine alleinige Behandlung mithilfe von Alignern bei Extraktionsfällen weder die Angulation der Schnei­dezähne, noch die Tendenz eines posterior-mesialen Driftings während der Retraktion der Schneidezähne kontrollieren kann. Zudem wird darüber diskutiert, inwieweit ein labiales oder linguales Attachment als kritisch betrachtet werden sollte, wenn es darum geht, eine korrekt kontrollierte Angulation der Schneidezähne zum Behandlungsende zu erreichen. Nicht selten wurde eine festsitzende Apparatur (Brackets und Bögen) eingesetzt, um eine inkorrekte Angulation der Schneidezähne zu korrigieren und/oder ein nach mesial abwanderndes posteriores Segment zu korrigieren, welches von Anfang an durch die Alignerbehandlung bewegt worden war (Abb. 1).

Um eine mesiale Abwanderung des posterioren Segments zu verhindern, wurde die neue eCligner®-Mechanik eingesetzt. Zudem bietet ein erweitertes klinisches Handling (Einbringen von Aktivierungspunkten) die Möglichkeit, während einer ausschließlich mit Alignern erfolgenden Behandlung eine Angulationskontrolle der Schneidezähne zu realisieren. Diese mithilfe von Zangen eingebrachten Vertiefungen spielen ei­ne wichtige Rolle, um im Verlaufe der Behandlung eine Bewegung der Schneidezahnwurzeln zu erzielen. So werden vier Aktivierungspunkte (labial und palatinal oder lingual) am Aligner ober- und unterhalb des entsprechenden Zahnbereichs gesetzt, um eine Rotationsbewegung auszulösen und somit die Zahnangulation zu beeinflussen. Es wird dadurch eine distale Wurzelbewegung ausgelöst, die dem distalen Kippen der Zahnkronen entgegen wirkt (Abb. 2, 3).

Die mechanische Wirkung der Aligner auf die Zähne lässt beim ersten Tragen zunächst eine lose und dann (eine Woche später) ei­ne enge Passung der Aligner erkennen. Das bedeutet, dass die kieferorthopädische Kraft selbst bei einer losen Passung aufgrund der Kontaktpunkte mit den Zielzähnen wirkt, auch wenn die gesamte Dentition keine enge Passung aufweist. Dennoch kann die lose Passung der Aligner nicht einer mesialen Abwanderung des posterioren Segments vorbeugen. Die späte­re enge Passung hingegen richtet ein mesial gekipptes posteriores Segment wieder auf.

Eine gute Patientencompliance  ist der Schlüsselfaktor zur Vorbeugung einer mesialen Abwanderung des posterioren Segments in der späten Phase der Alignerbehandlung. Insbesondere bei unkooperativen Patienten wurde daher häufig ein mesiales Kippen des posterioren Segments in Extraktionsfällen beobachtet. Für eine erfolgreiche Alignerbehandlung ist es deshalb entscheidend, dass Patienten eine Tragezeit von 17 Stunden pro Tag einhalten (Abb. 4 bis 6). Um eine kontinuierliche Wurzelbewegung der Schneidezähne, einschließlich der Eckzähne, zu ermöglichen, wird ein digitales Set-up erstellt. Aktivierungspunkte in jedem Aligner tragen dazu bei, das Schneidezahnsegment ohne linguale Kippung zu retrahieren, während der Intrusionsvektor für eine Wahrung der Balance hinsichtlich Bogenkoordination im Ober- und Unterkiefer sorgt.

Fallbericht (Abb. 7 bis 19)

Eine 32-jährige Patientin stellte sich mit anteriorem Engstand und vorstehenden Lippen im Ober- und Unterkiefer vor. Der Behandlungsplan sah die Extraktion der vier Prämolaren sowie eine ausschließlich mithilfe des eCligner®-Systems erfolgende Alignerbehandlung ohne zusätzliche festsitzende Apparatur vor. Die Patientin wies einen gesunden Parodontalstatus ohne systemische Erkrankungen auf (Abb. 7a–f). Im Rahmen der Behandlung wur­de empfohlen, die eCligner® Aligner 17 Stunden pro Tag zu tragen. Im nächsten Schritt trug die Patientin jede Woche einen neuen Aligner (ein Schritt beinhaltet dabei drei verschiedene Folien­aligner für drei Wochen). Alle sechs bis neun Wochen wurde die Patientin einbestellt. Um die Angulation der Schneidezähne zu überprüfen, wurden regelmäßig Röntgenaufnahmen gemacht.

Um einen leichten Zugang für die Zangen zu erhalten, wurde zwischen dem seitlichen Schneidezahn und Eckzahn eine Lücke geschaffen und bis zum Behandlungsende erhalten. Für eine ideale Okklusion im posterioren Segment wurden Klasse II-Gummizüge für die Dauer von drei Monaten in der späten Behandlungsphase (19. Monat) eingesetzt, um die Molaren in eine Klasse I-Beziehung zu überführen (Klasse II-Gummizüge, welche an mithilfe von Zangen erstellten Buttons eingehängt wurden). Die Gesamtbehandlungsdauer betrug 23 Monate, bei insgesamt 32 eCligner® Schritten.

Behandlung und Diskussion

Für die Prämolaren-Extraktionsbehandlung mithilfe des eCligner® Systems wurde für die gesamte Behandlungsdauer auf festsitzende Apparaturen verzichtet. Auf den Röntgenaufnahmen zeig­te sich eine normale Wurzelkonfiguration der Schneidezähne. Die posteriore molare Okklusion sprach für eine gute Kaufunktion und eine verbesserte Aussprache. Aus privaten Gründen der Patienten verlängerte sich die Behandlungsdauer um drei Mo­na­te. Bei jedem Recall bewies diese jedoch eine gute Mitar-beit, indem sie die Aligner für etwa 14 bis 17 Stunden täglich trug. Gegen Ende der eCligner® Behandlung spielte die Vorbeugung einer mesialen Kippung des posterioren Segments eine besondere Rolle. Die kephalometrische Analyse zeigte, dass die bimaxilläre Protrusion durch die Extraktion verbessert werden konnte. Zusätzlich wurde ein hoher Verankerungsgrad deutlich, der sich durch einen Vorteil der eCligner® Behandlung erklärt: Die komplette Einbindung der Dentition umfasst auch den Gingivalbereich.

Zusammenfassung

Mithilfe der Alignertherapie ist es möglich, Fälle mittels Prämolarenextraktion bei Angulationskontrolle und maximaler Ver­ankerung zu behandeln, sofern eine sorgfältige Fertigung unter Berücksichtigung grundlegender kieferorthopädischer Prinzipien zugrunde liegt und die Aligner 17 Stunden pro Tag durchgängig getragen werden. Die Autoren wünschen sich, dass die künftige, weiterentwickelte eCligner® Technologie noch hochwertigere Ergebnisse bei der Behandlung von Extraktionsfällen ermöglicht.

(Originalartikel erschienen in J. Compr. Dentof. Orthod. + Orthop. (COO), Umf. Dentof. Orthod. u. Kieferorthop. (UOO) No. 3-4/2012)

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