Parodontologie 28.02.2011

Initiale, minimalinvasive Therapie der Periimplantitis

Galt bis vor wenigen Jahren das Augenmerk der Komplikationen bei der Implantat-Therapie im Wesentlichen im Erreichen oder Ausbleiben der Osseointegration, zeigen die Implantate heute selbst in schwierigen Indikationen eine hohe primäre Erfolgsquote. Dies bedeutet jedoch, dass ein nicht ausreichendes krestales Knochenangebot oder apikale Dehiszensen zu einem frühen Auftreten von periimplantären Erkrankungen führen kann. Besonders wenn die kostenintensive prothetische Versorgung abgeschlossen ist, ist die Bereitschaft der Patienten, das Implantat entfernen zu lassen, stark eingeschränkt.

Die Periimplantitis ist in der Regel eine rezidivierende Erkrankung, die dadurch eine wiederholte Anwendung oder gar dauerhafte Anwendung der klassischen Chemotherapeutika erfordert. Diese medikamentösen Therapien unterscheiden sich im jeweiligen Wirkstoff und der angewendeten Dosis. Eine systemische Antibiotikagabe bei einer umschriebenen periimplantären Entzündung, wie diese in der Parodontologie favorisiert wird, erfährt zunehmend Ablehnung vonseiten der Patienten. Aufgrund der allgemeinen Nebenwirkungen sollte diese Therapie nur bei extremen Verläufen angewendet werden. Die lokale Applikation von Antibiotika wird in der Literatur kontrovers diskutiert, besonders sind hier die systemisch nachgewiesenen Konzentrationen zu würdigen, die in den niedrigen Dosen besonders für eine Resistenzbildung, aber auch für das Ausbilden von allergischen Reaktionen verantwortlich gemacht werden.

Die Applikation der desinfizierenden Medien wie zum Beispiel Chlorhexidin in Form von Depotspeichern lässt sich oftmals auch nicht verwirklichen, da aufgrund der im Vergleich zum Parodontalhalteapparat narbig strukturierten Weichgewebe am Implantat die Taschen eine nicht ausreichende Dimension aufweisen. Ferner zeigen Zellkulturuntersuchungen eine zelltoxische Reaktion, was auch eine eingeschränkte Regeneration von periimplantären Defekten erklären könnte.

Zudem gilt es zu beachten, dass in der Mundhöhle über 500 verschiedene Bakterienspezies vorhanden sind, die sich in unterschiedlichen Clustern organisieren. Bei einer antimikrobiellen Therapie ist es notwendig, dass die bakterielle Besiedlung so reduziert wird, dass sich wieder ein physiologisches Mundmilieu ausbilden kann. Dazu ist es notwendig, dass die besonders pathogenen Keime in ihrem jeweiligen Cluster erreicht werden und nicht durch die unspezifische Wirksamkeit des angewendeten Präparats einzelne pathogene Keime, die für Entwicklung einer pathologischen Mundflora verantwortlich sind, nicht erreicht werden.

Die bisherige Klassifikation der periimplantären Erkrankung orientiert sich im Wesentlichen am Grad des periimplantären Knochenverlustes. Diese Einteilung korreliert mit der Indikationsstellung zur radikalen Periimplantitistherapie mittels Explantation. Diese Klassifikation schränkt aber die Möglichkeiten einer konservativen und erhaltenden Therapie ein. Die Progredienz der Periimplantitis ist durch die Taschentiefe und den Verlauf der Erkrankung gegeben. Bei einer lediglich im periimplantären Weichgewebe lokalisierten Entzündung, ohne relevanten Knochenabbau, ist von einer Mukositis auszugehen. Diese zeigt in der Regel eine antimikrobielle Besiedlung mittels Anaerobier, die ohne Therapie progredient in einen Verlust des periimplantären Gewebes mit einhergehendem Knochenabbau führt. Daher ist es wichtig, bereits in diesem Initialstadium, in dem es häufig zu einer Sondierungsblutung kommt, einzuschreiten. Der Blutungsindex, der sich in der Parodontologie als der prognostische Faktor für den künftigen Attachmentverlust etabliert hat, ist auch bei der Diagnostik der Periimplantitis anzuwenden. Das therapeutische Ziel bei der Mukositis stellt die Reduktion der bakteriellen Besiedelung in der periimplantären Tasche dar, damit die Entzündung ausheilen kann.

Bei einer Osseoseparation, d. h. dem Verlust des periimplantären Knochens, gilt es, die Taschentiefe zu reduzieren, um die Rekolonisation mit einem pathogenen Milieu zu vermeiden. Dies kann durch eine Augmentation von trichterförmigen Taschen oder durch die Reduktion der Weichgewebsmanschette erfolgen. Hier finden die verschiedenen Diodenlaser ihre Anwendung, da das hyperplastische Gewebe chirurgisch reduziert und desinfiziert werden kann.

Die initiale Therapie der Periimplantitis lässt sich am einfachsten durch die antimikrobielle fotodynamische Therapie erreichen. Nach der mechanischen Reinigung des infizierten Areals erfolgt die Anwendung der antimikrobiellen fotodynamischen Therapie. Zunächst wird ein Phenothiazinfarbstoff (Helbo Blue, Helbo, Grieskirchen, Österreich) als Fotosensibilisator in das entzündete Areal eingebracht. Dieser färbt die vorhandenen Bakterien an. Dann erfolgt die Aktivierung des Fotosensibilisators durch nichtthermisches kohärentes Licht, die zur Bildung von Singulett-Sauerstoff führt. An den angefärbten Bakterien erfolgt durch den gebildeten Singulett-Sauerstoff eine Lipid-Oxidation der Bakterienmembran, die zu einer letalen Schädigung der Bakterien führt. Da die Anfärbung der Bakterien unspezifisch ist, werden alle Keime, die in der Mundhöhle existieren, erreicht. Dadurch ist es möglich, dass eine Rekolonisierung eines physiologischen Mundmilieus erreicht werden kann, sofern Taschen über 4 mm ausgeräumt werden konnten. Je nach Taschentiefe und bakterieller Infektion sind hier in der Regel ein bis zwei Sitzungen ausreichend.


Abb. 1-3 Zustand sechs Monate nach prothetischer Versorgung. Der Implantation war eine Kieferkammaugmentation in Regio 2-2 mit retromolarem Knochentransplantat vorausgegangen. Abb. 1 Zahnfilm zur Kontrolle auf im Sulkus retinierte Superfloss-Fadenreste bei seit vier Wochen persistierender periimplantärer Blutung. Abb. 2 Abnahme der Krone und Reinigung des Sulkus bei festem Gewebe und sonst unauffälligem Befund. Abb. 3 Applikation des Fotosensibilisators im Sulkus mit feiner Systemkanüle.

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Klinisches Vorgehen
Nach Ausschluss einer nichtbakteriell bedingten Periimplantitisursache, wie z.B. prothetische Passgenauigkeit, Zementreste, Lockerung der Aufbauteile, eingeschränkte Reinigungsmöglichkeit, erfolgt die mechanische Reinigung im Sinne einer geschlossenen Kürettage. Je nach Entzündungsgrad erfolgt die APT ohne die Anwendung von Lokalanästhetika, da durch die Laserbestrahlung keine direkten Schmerzen entstehen. Bei starker Entzündungsreaktion empfiehlt sich die Anwendung der fotodynamischen Therapie am Folgetag, damit ein Einbringen des Fotosensibilisators in die Tasche für mindestens 60 Sek. möglich ist. Wird durch eine starke Blutung der Fotosensibilisator vorzeitig ausgespült, ist keine vollständige Anfärbung des infizierten Areals zu erreichen, die zu einer unvollständigen Dekontamination führt. Nach der Einwirkzeit, die auch auf drei Minuten verlängert werden kann, erfolgt das Spülen der Tasche, um das überschüssige Material zu entfernen. Dies ist notwendig, damit die fotochemische Reaktion direkt an der Bakterienzellmembran stattfinden kann, und nicht die Energie des Laserlichts durch eine hohe Schicht des Fotosensibilisators absorbiert wird. Je Implantat sollte in der Tasche zirkulär die Bestrahlung für eine Minute erfolgen. Dies kann auch erweitert werden, sofern die Taschentiefe mehr als 6 mm beträgt. In der Abfolge sollte der Patient kontrolliert werden. Hier sind die wichtigsten Symptome eine Reduktion der Entzündungszeichen, vor allem der hyperplastischen Schleimhaut und der Blutung auf Sondierung. Bei Persistenz der Problematik gilt es zu überprüfen, ob Konkremente als Reservoirs für die bakterielle Besiedlung oder größere Areale infizierten Gewebes, z.B. auch nekrotische Knochenanteile, nicht erkannt wurden und entfernt werden müssen. Dies ist im Sinne einer offenen Kürettage zu erbringen. In der Regel reicht die geschlossene Anwendung aus, da durch die schonende Dekontamination die pathologischen Keime ausgeräumt werden konnten.
 

Abb. 4 Zustand nach Spülen des Fotosensibilisators und Aktivierung mittels HELBO TheraLight Laser. Abb. 5 Wiedereingliederung der Krone mit geringen Farbstoffresten im Gewebe. Abb. 6 Wiedervorstellung nach drei Monaten, Verlust der vestibulären Kontur mit ansonsten klinisch unauffälligem Befund, keine weitere Blutung auf Sondierung.
 
Diskussion
Ein neuer therapeutischer Ansatz zur Prophylaxe der Periimplantitis stellt die antimikrobielle fotodynamische Therapie mittels lokal applizierten Fotosensibilisators dar. An lokal applizierbaren fotoaktiven Wirkstoffen stehen heutzutage vorwiegend Aminolävulinsäure (ALA) oder Thiazinfarbstoffe zur Verfügung. Bei ALA handelt es sich um eine Vorstufe des aktiven Fotosensibilisators, welcher erst nach der intrazellulären Aufnahme im Rahmen des Hemsynthese-Stoffwechsels zu dem aktiven Substrat Protoporphyrin IX synthetisiert werden muss. Dieser Prozess dauert mehrere Stunden, sodass eine Anwendung der ALA im Rahmen der Periimplantitistherapie nicht praktikabel erscheint. Bei den Thiazinfarbstoffen, wie zum Beispiel Phenothiazin, handelt es sich hingegen bereits um den aktiven Wirkstoff, der in geeigneter Form zubereitet, als Fotosensibilisator ohne toxische Gewebsreaktionen angewendet werden kann. Für die Aktivierung des fotochemischen Prozesses ist es notwendig, dass das eingesetzte Licht in Bezug auf die Wellenlänge, die Leistungs- und Energiedichte auf das Absorptionsspektrum und die fotochemischen Eigenschaften des Fotosensibilisators abgestimmt sind. Bei einer Aktivierungswellenlänge von 670 nm treten neben der Absorption durch den Fotosensibilisator nur geringe direkte Absorptionseffekte im Weichgewebe auf, jedoch sind sowohl Reflexionseffekte als auch Schwächungen durch unterschiedliche Gewebsabsorption vor allem am knöchernen Lager zu berücksichtigen. Durch eine geeignete optische Anordnung mit Lichtleitsystemen kann dies ausgeglichen werden.

Problematisch ist eine starke Blutung im infizierten Areal, da hierdurch der Fotosensibilisator rasch ausgeschwemmt werden kann. Um dies zu verhindern, ist diese Region mit einem mit Fotosensibilisator getränkten Gazestreifen auszutamponieren oder die desinfizierende Therapie am Folgetag nach der Kürettage durchzuführen. Die Selektivität der fotodynamischen Reaktion beruht auf der relativ kurzen Einwirkzeit des Fotosensibilisators, sodass der Farbstoff nur in die oberflächlichsten ein bis zwei Zelllagen des Weichgewebes hinein diffundieren kann. Somit wird die fotochemische Reaktion an der Oberfläche und in den obersten Zellschichten ausgelöst, wo sich gegebenenfalls auch die Bakterien befinden bzw. die Bakterienkontamination am höchsten ist. Eine Schädigung tiefer Gewebeschichten kann daher nicht erfolgen, sodass ein negativer Einfluss der antimikrobiellen fotodynamischen Therapie auf die Wundheilung ausgeschlossen werden kann. Bisher sind keine Nebenwirkungen oder Einschränkungen der Therapie wie allergische Reaktionen, Resistenzbildungen oder Resistenzen bekannt, sodass die Therapie auch wiederholt angewendet werden kann.

Neuere Studien belegen die fotobiologische Wirkung der Laserbestrahlung. So konnte tierexperimentell gezeigt werden, dass eine höhere Osteoblastenaktivität bei der Implantateinheilung im Vergleich zur nicht bestrahlten Gruppe auftritt. Auch trägt die fotobiologische Wirkung zu einer Reduktion des Schmerzempfindens bei, wie dies in einer kieferorthopädischen Studie bei der Bebänderung von Zähnen gezeigt werden konnte. Die fotodynamische Therapie scheint ein neuer und viel versprechender Ansatz für die Prävention und besonders die initiale Therapie der Periimplantitis zu sein.

Autor: OA Dr. Jörg Neugebauer/Köln

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