Oralchirurgie 08.06.2011
Effizient ergonomische WSR nach dem Kaiserswerther Algorithmus
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Die WSR gilt als Standardverfahren bei chronisch apikalen Ostitiden nach erfolgloser endodontischer Therapie in der Oralchirurgie und gilt als letzter „Rettungsanker“ vor der Extraktion. Um die Rezidivrate nach erfolgter WSR zu senken und die Erfolgsrate und damit den Benefit für den Patienten zu erhöhen, haben sich moderne Verfahren, Materialien und chirurgische Techniken bewährt. Im folgenden Fallbericht wird das Protokoll nach dem „Kaiserswerther Algorithmus“ dargestellt.
Die chirurgische Revision und Behandlung von endodontisch versorgten Zähnen bietet aufgrund minimalinvasiver Techniken wie der Ultraschallchirurgie und zuverlässiger Füllungsmaterialien deutlich bessere Prognosen als noch vor zehn Jahren. Da es sich bei der Wurzelspitzenresektion (WSR) um einen chirurgischen Eingriff handelt, welcher zum Teil aufgrund der Zugänglichkeit zum OP-Feld für den Chirurgen eine Herausforderung darstellt, ist zur Instrumentierung im OP-Gebiet eine sichere, ergonomische und einfache Technik zwingend notwendig. In diesem Fallbericht wird ein System anhand von zwei klinischen Fällen zur Applikation des retrograden Füllmaterials vorgestellt.
Fall 1
Im ersten Behandlungsfall wies ein 34-jähriger Neupatient unserer Praxis im OPTG als Zufallsbefund apikale Transluzenzen im Bereich der insuffizient endodontisch behandelten Zähne 16, 36 und 46 auf, welche sich klinisch als symptomlos darstellten und in der Diagnose als chronisch apikale Ostitiden imponierten (Abb. 4). Nach Rücksprache mit dem Patienten planten wir eine WSR an Zahn 36 mit retrograder Wurzelfüllung und die spätere Entfernung der Zähne 16 und 46 aufgrund der Nichterhaltungswürdigkeit.
Nach ausführlichem Beratungs- und Aufklärungsgespräch erfolgte der Eingriff in infiltrierender Lokalanästhesie. Eine Leitungsanästhesie ist in unserem Protokoll bei 98% aller chirurgischen Eingriffe im Unterkiefer nicht notwendig und minimiert das Risiko einer iatrogenen Nervschädigung. Nach Zahnfleischrandschnitt mit mesio-distaler Entlastungsinzision wurde ein Full-Flap gebildet zur ausreichenden Darstellung des OP-Gebietes.
Mit dem Piezotome II (Fa. Acteon, Deutschland) wurde ein bukkales Knochenfenster in ausreichender Schichtdicke osteotomiert, um einen Zugang zur apikalen Region des zu resizierenden Zahnes 36 zu schaffen. Bei der Präparation ist es hilfreich, eine unterschnittige Präparation zu kreieren, um sich die spätere Entnahme des Knochenblockes zu erleichtern. Durch den Verzicht auf rotierende Instrumente und den vasokonstringierenden Effekt der Ultraschallchirurgie imponiert das OP-Feld blutungsarm und damit sehr übersichtlich. Der Knochenblock wird zur Lagerung in Ringerlösung aufbewahrt, damit er später wieder reponiert werden kann (Abb. 6). Nach Darstellung der zu resizierenden Wurzelspitzen wurden diese ebenfalls ultraschallchirurgisch resiziert (Abb. 5). Nach Resektion erfolgt nach unserem Protokoll eine gründliche Entfernung allen Weichgewebes mittels Handinstrumenten und abschließend mithilfe eines Diodenlasers zur vollständigen Dekontamination des Zystenlumens. Hier ist darauf zu achten, dass der Laseraufsatz nicht in direktem Knochenkontakt ist. Die retrograde Aufbereitung der Wurzelkanäle erfolgt ebenfalls ultraschallbasiert und dauert nur wenige Sekunden mit dem Piezotome.
Nach Spülung mit Chlorhexidindigluconat-Lösung und Natriumhypochlorit-Lösung werden die retrograd aufbereiteten Endokanäle mit Papierspitzen getrocknet. In unserer Praxis hat sich das seit Jahren auf dem Markt befindliche MAP-retro-System (PD, Produits Dentaires SA, Vevey, Schweiz) bewährt (Abb. 1, 2). MAP steht für Micro Apical Placement und wird in einer sterilisationsfähigen Metallbox geliefert. Die 3-fach angulierten Endo-Aufsätze erleichtern die Aufnahme und Applikation des Materials enorm und erlauben durch den Spritzenhub eine „Injektion“ des Materials in den Retro-Endokanal von mehreren Millimetern. Durch die gezielte Applikation des Materials bleibt das OP-Feld übersichtlich (Abb. 7). Nach erfolgter Applikation von Pro-Root MTA (Fa. Dentsply Maillefer, Schweiz) wurde nach Aushärtung des Materials die Oberfläche des Resektionsquerschnittes mit diamantierten Ultraschallaufsätzen geglättet und poliert und der Knochendeckel nach Befüllen des Resektionslumens mit einem härtenden Knochenzement (VitalOs, PD, Produits Dentaires SA, Vevey, Schweiz) reponiert (Abb. 8). Das postoperative Röntgenbild zeigt den Situs nach erfolgter Resektion und retrograder Wurzelfüllung (Abb. 9). Der Patient erhielt postoperativ Amoxicillin 750mg und Ibuprofen 600mg, zur Schwellungsprophylaxe wurde Arnica C30 rezeptiert. Der postoperative Verlauf gestaltete sich als komplikationslos und nach acht Tagen erfolgte die Nahtentfernung. Eindrucksvoll ist auch hier zu bemerken, dass die Schwellung minimal war und der Patient nahezu keine Schmerzen nach dem Eingriff hatte.
Fall 2
Im zweiten Fall handelt es sich um eine 65-jährige Patientin, welche alio loco an Zahn 14 fünf Jahre zuvor eine WSR erhielt, welche sich jedoch als Rezidiv bei der Patientin infolge Reinfektion darstellte. Die Patientin gab im Bereich des Zahnes 14 einen Aufbiss- und Perkussionsschmerz an. Nach Anfertigung einer digitalen Kleinbildaufnahme konnte man deutlich den resizierten Wurzelbereich, die beiden wurzelgefüllten Kanäle und ein zystische apiko-zirkumferente Aufhellung erkennen (Abb. 15). Da es sich hier um einen Zweiteingriff handelte, wurde dieselbe Schnitttechnik gewählt wie vom Vorbehandler, nämlich im Sinne einer halbmondförmigen Pichler-Inzision (Abb. 10). Auch hier erfolgte das gleiche Procedere wie in Fall 1 beschrieben. Nach retrograder ultraschallbasierter Aufbereitung (Abb. 11) erfolgte das Anmischen von Pro-Root MTA und die Applikation mithilfe des MAP-Systems (Abb. 12, 13). Die saubere und effiziente Applikation und das kontrollierte Handling erlauben auch eine deutliche Reduktion der OP-Zeit und damit auch der postoperativen Beschwerden (Abb. 14). Das postoperative Röntgenbild zeigt die effiziente retrograde Füllung beider Kanäle nach Revision des Zahnes 14, durch den Strahlengang verursacht erscheinen die Bereiche als para-canaliculär, sind jedoch klinisch exakt in den jeweiligen Kanälen.
Fazit
Die Wurzelspitzenresektion als Standardeingriff in unserer Praxis hat sich durch den Einsatz von Ultraschallchirurgie, Laser und dem MAP-System als zuverlässig, prediktabel und einfach bewährt und ermöglicht vielen Patienten den Erhalt der eigenen Zähne. Als Implantologe sehe ich keinen Widerspruch zu diesen Therapieformen, sondern eine Ergänzung mit dem Wunsch, auch verloren geglaubte Zähne langfristig zu erhalten.
Eine Literaturliste ist beim Verfasser erhältlich.