Parodontologie 01.07.2014

Begleittherapien zu Parodontopathien



Begleittherapien zu Parodontopathien

Foto: © Sebastian Kaulitzki - Shutterstock.com

Die Reaktion auf Entzündungen ist individuell unterschiedlich stark ausgeprägt, daher sind Hygienemängel nicht für alle gleich gefährlich. Allerdings summieren sich auch die Auswirkungen an sich unbedeutender Entzündungen im Körper und verändern das Zytokinmuster und damit die Reaktionsbereitschaft auf Reize aller Art. Eine länger andauernde Gingivitis kann somit die Basis für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes bereiten.

Für viele schwer bekämpfbare Probleme wie Materialunverträglichkeiten oder Fibromyalgien ist die einzig wirkliche Hilfe, alle erreichbaren Entzündungen im Körper zu eliminieren, um das Immunsystem zu entlasten. Aus unserem Bereich zählen dazu Zahnherde – von großer Bedeutung wegen der Lage direkt im Knochen – und Parodontalerkrankungen – brisant wegen der großen Ausdehnung.

Nochmals sei hervorzuheben, dass die übliche zahnmedizinische Therapie natürlich unumgänglich ist – gründliche Reinigung durch das Therapeutenteam und den Patienten ist die Grundlage für jeglichen Erfolg. Auch eine Antibiotikastoßtherapie widerspricht nicht unseren Grundsätzen. Ebenso muss die Beseitigung von Störfaktoren und die Stabilisierung der Okklusion durch den Zahnarzt erfolgen. Die Aufgaben der Komplementärmedizin sind die Stärkung des Zahnhalteapparates, besonders des Bindegewebes, sanfte Desinfektionsmethoden und die Regulierung der Entzündungsreaktion. Die Therapie ist daher gleich, egal ob ich die einfache Schmutzgingivitis oder eine komplizierte Periimplantitis bekämpfe – ich will mit Komplementärmaßnahmen die Konstitution stärken. Diese Konstitution hat auch hohen Symbolwert, ein kräftiges Zahnfleisch vermittelt den Eindruck von Kraft und Stärke – wenig überraschend wirken ganzheitliche Therapien daher auch auf die Psyche. Wir Zahnärzte können aber auch oft am Zahnfleisch ablesen, dass etwas nicht stimmt, die Patienten gezielt nach neu aufgetretenen Erkrankungen fragen und manchmal über unsere Parodontaltherapie zur Heilung beitragen.

Hausmittel und symptomatische Therapien

Entzündlich vorgeschädigte Schleimhäute reagieren empfindlich auf verschiedenste Schadstoffe, auch manchmal auf Zahnpasten.

Empfehlenswert:

  • Speisesoda hat ideale Putz- und Massageeigenschaften und wirkt durch Entsäuerung antientzündlich. Basenpulver geht auch. Das Beifügen sinnvoller ätherischer Öle (z.B. Salbei) ist möglich.
  • Calendulatinktur wirkt beruhigend und heilend, zwei- bis dreimal spülen.
  • Salbeitee ist desinfizierend und schmerzlindernd – zweimal eine Tasse, auch Salbeitabletten.
  • Heidelbeerblättertee stärkt das Bindegewebe (enthält Kieselsäure).

Desinfizierend, bei Aphthen und Pilzbefall:

  • Grapefruitkernextrakt oder Mixtura thymi (Zimtöl, Thymianöl, Teebaumöl und Mandelöl) – fünf Tropfen auf einen Schluck Wasser zum Gurgeln.
  • Propolisgel und andere Propoliszubereitungen (Allergien sind möglich).
  • Ölziehen – ein Esslöffel Sonnenblumenöl morgens nach dem Aufstehen fünf bis zehn Minuten zwischen den Zähnen durchziehen, unbedingt ausspucken (enthält dann viele Giftstoffe).

Homöopathische Erste Hilfe:

Alle Globuli werden mit Abstand zum Essen verwendet (mindestens zehn Minuten vor oder eine Stunde nach dem Essen):

  • Arnika D2, 2 x 5 – hellrote Schwellungen, blutet leicht, wie Verletzungen
  • Equisetum D2, 2 x 5 – Zahnfleisch aufgelockert, schlaff
  • Staphisagria D12, 2 x 5 – schwammig, blutet leicht
  • Thuja D30, 2 x pro Woche 5 – Zahnfleischwucherungen
  • Lachesis D30, 2 x pro Woche 5 – dunkelrot-livide verfärbt, chronisch
  • Acidum fluoricum D12, 2 x 5 – zerstörend, Fisteln, Verhärtungen
  • Mercurius D12, 2 x 5 – Plaqueanlagerung, übel riechende Geschwüre
  • Kreosot D12, 2 x 5 – blass, destruktiv – zerfallend, Geschwüre

Links: Putzen mit Soda. Rechts: Stomatitis. © Shutterstock

Substitutionstherapie

Die Idee, Bestandteile zur Bindegewebsneubildung zuzuführen, ist natürlich richtig, wenn auch eher symptomatisch. Gezieltes Austesten der Mittel mit Biotestverfahren (Kinesiologie, Elektroakupunktur) steigert die Effizienz. Da die eingesetzten Mineralstoffe und Vitamine aber keine schädliche Wirkung haben, können sie auch ungetestet verwendet werden.

Bewährte Kombinationen:

  • Kalzium und Vitamin D: Die klassische Kombination zur Regeneration des Knochens – auch als Dauerprophylaxe bei Osteoporoseneigung eingesetzt (nachdem Hormonersatz und Biphosphonate zunehmend in Verruf geraten). Nach Dr. Bodo Köhler macht Calcium den Knochen spröde, er empfiehlt Silizium und Magnesium für den Erhalt der Elastizität. Ich setzte gerne Calciumpräparate ein, allerdings zwischendurch auch immer wieder Zink, Silizium und Magnesium, die für die Kollagenbildung benötigt werden. Kombipräparate wie Cal-D-Vita sind gut verträglich, man kann aber auch Calciumcitrat (2 x1 g) und Oleovit D3 (4–5 Tr. tgl.) empfehlen.
  • Zink und Vitamin C: Zink gibt es in Kapselform als Zinkpicolinat oder Zinkcitrat mit jeweils 30 mg, Standarddosierung 1 x 1 Kapsel, vorzugsweise abends. Vitamin C wird nicht immer gut vertragen, auch die gepufferte Version macht oft Magenprobleme. Meine bevorzugten Darreichungsformen: · Ascorbinsäure: 1 Messerspitze in 1/8 l Wasser, schluckweise über mind. eine Stunde verteilt, · Natürliches Vitamin C, 500 mg Tabl. (enthält auch weitere Flavonoide), 2 x1, · Acerola/Flavonoid (Fa. Pure Encapsulations). 1–2 x 1 Kps. mit 1 g. Diese Kombination gilt auch als Managermischung, Antistressmittel bei Knirschern.
  • Magnesium und Vitamin B: · Magnesium Verla Filmtabletten, 2 x 1–2. · Magnesiumcitratkapseln von verschiedenen Firmen. · Vitamin B-Komplex Kapseln, 1–2 x 1, eventuell Neurobion forte 2 x 1 (preisgünstiger). · Folsäure zur Oberflächenregeneration: Folate Kapseln, 2 x 1. · Lokaltherapie: Folic acid liquid (Pure Encapsulations), 2 x 5–10 Tr. · „Nervenmischung“, allgemein beruhigend und schlaffördernd. Generell sind Brausezubereitungen weniger gut verträglich. Die Kombinationen werden meist vier bis acht Wochen und häufig nacheinander oder abwechselnd eingesetzt.
  • Fertigmischungen zur Knochenregeneration wirken weniger stark als gezielt ausgesuchte Einzelpräparate, sind aber hilfreich, wenn man sich aufgrund der Anamnese und Klinik nicht für ein Präparat entscheiden kann. Ein großes Problem sind Patienten, die schon lange einen Mineralstoff einnehmen und trotzdem auch im Labor einen Mangel aufweisen. In diesen Fällen kann man von Resorptions- und Verwertungsstörungen ausgehen. Dr. Rudolf Meierhöfer (Applied Kinesiology) empfiehlt, in diesen Fällen die Originalpräparate homöopathisieren zu lassen und beide Mittel gemeinsam einzusetzen. Das ist sehr effektiv, aber ein bisschen mühsam und kostenintensiv.
  • Homöopathische Fertigpräparate, die von mir verwendet werden: · Calcium phosphoricum D6 Tabl. (Schüssler Salz Nr. 2), 2 x 2, · Zincum valerianum Hevert, 2 x 10 Tr., · Magnesium phosphoricum D6 (Schüssler Salz Nr. 11), 2 x 2. Meist gebe ich zuerst nur die Homöopathika, dann beide und dann nur mehr den Mineralstoff.
  • Silicium (Kieselerde): Schwer resorbierbarer Mineralstoff, strafft und festigt das Bindegewebe. Wichtig auch als Ersttherapie bei Rezessionen und Überlastungszeichen. Einsetzbar als Kieselerde, Biosiltropfen oder Silicium D6 Tbl. (Schüssler Salz Nr. 11), 2 x 2,
  • Coenzym Q 10: Wichtig für intrazelluläre Energiegewinnung, Mitochondrienfutter. Verbessert Durchblutung. · Gut verwertbar: Coenzym Q Gold 60 mg (Fa. Biogena). 1 Kps. tgl., · Für Lokaltherapie: Dentomit Spray (Fa. Schütze)
  • Vitamin A: Ebenfalls für Schleimhautregeneration, Vitamin A-Kapseln, z. B. Pure Encapsulations. · Die Lokaltherapeutika sind vom Markt verschwunden, weil man Vitamin A prinzipiell überdosieren kann. Will man z.B. schwer heilende Mundecken behandeln, kann man die noch erhältlichen Augentropfen (Oleovit A) sparsam verwenden. · Alternative bei Mundecken: Ferrum phosphoricum D6 Tbl. (Schüssler Salz Nr. 3), 2 x 2, für sechs Wochen.

Links: Leinsamen und Leinöl. Rechts: Homöopathische Fertigpräparate. © Shutterstock

Ursächliche Therapien

Entsäuerung

Übersäuerung ist eine Hauptursache für die Entstehung von Entzündungen und für Osteoporose (Kalzium wird als Puffer aus dem Knochen gelöst). Die einzig zielführende Therapie ist eine Ernährungsumstellung mit Reduktion von Fleisch, Zucker und Weißmehl und viel Gemüse und Kartoffeln als Basenspender. Zur raschen Entsäuerung kann man etwa vier Wochen lang Basenpulver einsetzen. Diese bestehen hauptsächlich aus Natriumbikarbonat mit Anteilen an Kalium, Magnesium ... Besonders beliebt: Basenpulver 2 nach Rauch, es geht aber auch Speisesoda oder Samarin. Anwendung: 2 x tgl. ½ KL in 1/8 l Wasser; funktioniert auch als Erstmaßnahme bei Gastritis. Die Magenwandzelle, die den Säure-Basen-Haushalt reguliert, enthält ein zinkabhängiges Enzym (Carboanhydrase) – die Gabe von Zink ist daher auch für die Säureregulation sinnvoll.

Symbioselenkung

Der Zustand der Schleimhäute ist für unseren Fachbereich in mehrfacher Hinsicht wesentlich: Der Mund ist der Anfang des Verdauungstraktes – die Schleimhaut im Mundbereich ist zwar besonders widerstandsfähig, aber gehört bereits zum Verdauungs- und Abwehrsystem. Die Schleimhäute des gesamten Körpers reagieren als Einheit – Darmentzündung, Parodontalproblem, Pansinusitis und oft auch Lungenprobleme oder Blasenentzündung unterhalten einander gegenseitig. Konservierungsstoffe in Nahrungsmitteln, Antibiotika und verändertes Milieu durch Dauerstress zerstören die physiologische Darmflora, fakultativ pathogene Keime und Pilze können sich entwickeln. Die Funktion der Darmschleimhaut leidet darunter. Die Barriere wird undicht, Toxine und zu große Nahrungsbestandteile (Allergene) können diffundieren, wichtige Nährstoffe werden aber nicht mehr (aktiv) resorbiert. Teil unserer Parodontaltherapie muss daher die Schleimhautregeneration sein:

1. Reinigung von alten Schlackenstoffen (nicht immer nötig, nach langer Obstipation) z.B. mit Leinsamen, Glaubersalz ...
2. Aufbau einer physiologischen Flora: · Milchsäurekeime für den Dünndarm, z. B. Hylak, Acidophilus, Symbioflor 1 ... · Bifidus und Coli für den Dickdarm, z. B. Antibiophilus, Colibiogen, Symbioflor 2 ... · Kombipräparate: Omniflora, Bioflorin, Omnibiotic 10, Symbioflor cp. ... · Zur Parodontaltherapie Präparate etwas im Mund behalten (Kapseln öffnen), dann erst schlucken. · Die Präparate werden nacheinander verwendet, zuerst Dünndarmkeime, dann Mischungen, dann eventuell Dickdarmpräparate, jeweils vier Wochen. · Ein Wiederaufbau dauert meist drei bis sechs Monate, manchmal auch noch länger.
3. Regulation der Entzündung: Omega-3-Öle wie Leinöl (ein Esslöffel), Fischöl (2 x 1–2 Kps.) – die Öle wirken gleichzeitig stark entgiftend z. B. für Schwermetalle, Chemogifte (Insektizide u.ä.).
4. Stabilisierung der Membranen (v. a. bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten): · L-Glutamin 500-mg-Kapseln, 2 x 1, zehn Minuten vor dem Essen. Mineralstoffe und Vitamin B1 werden meist zusätzlich benötigt. Alle Maßnahmen werden parallel durchgeführt, die Patienten bekommen also z.B. Leinsamen, Hylak. Leinöl, Glutamin und Zink, nach vier bis sechs Wochen ändert sich die Therapieliste.

Die Symbioselenkung soll nach Möglichkeit an Allgemeinärzte delegiert werden, wenn dies nicht möglich ist, kann sie ohne Weiteres vom Zahnarzt durchgeführt werden.

Nebennierenstützung

Die Nebennierenrinde produziert die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortison, aber auch Mineralocorticoide. Bei einer Bindegewebsschwäche sinkt die Niere im Stehen etwas ab beziehungsweise bewegt sich nicht mehr rhythmisch auf und ab. Die Nebenniere bleibt oben in der Nierenloge. Die Gefäße werden gezerrt, die Durchblutung sinkt. Dieses Phänomen („Wanderniere“) betrifft besonders viele Frauen, diese haben in einer Schwangerschaft ab dem 4. Monat besonders viel Energie, da der kindliche Organismus Nebennierenhormone für die Mutter mitproduziert, die Nachkommen haben aber dann eine geschwächte Energielage.

Therapiemöglichkeiten:

  • Nierenhebung durch Physiotherapeuten oder Osteopathen, es gibt auch Selbsttherapie, die von den Physiotherapeuten gezeigt wird.
  • Homöopathisch: · Glandulae suprarenales comp. Wala, 2 x 5 Glob., · Phytocortal ( Bellis perennis, Chelidonium, Dioscorea), 2 x 20 Tr., · Phytohypophyson C (Basilicum, Juniperus, Viscum album), 2 x 20 Tr.

Das alles mag auf den ersten Blick weit über Zahnheilkunde hinausgehen, sollte aber niemanden abschrecken. Als Beginn kann man ja ein oder einige Einzelmittel empfehlen oder z.B. einen kompetenten Allgemeinarzt zur Unterstützung heranziehen. Die Erfolge sind auch bei Verwendung einiger Globuli oder Mineralstoff- und Vitaminkapseln deutlich erkennbar, ernsthafte Nebenwirkungen gibt es nicht.

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