Prophylaxe 04.01.2016
Das Wissen um Zahnprophylaxe ist erschreckend gering
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Vor Kurzem bekam ich eine Anfrage, Apothekern etwas über Zahnprophylaxe zu erzählen. Eine Herausforderung. Meine Erfahrungen aus über zehn Jahren Einführungsveranstaltungen zur Zahnprophylaxe mit Präsentation und praktischen Übungen in Apotheken und Drogerien haben mir gezeigt, wie wenig Wissen über das Thema rund um den Zahn selbst dort vorhanden ist.
Leider werden die Themen Zahn und Mundgesundheit im Studium oder in der Ausbildung nur ein wenig gestreift. In Basel hatte ich bei den Pharmaziestudenten ein paar Semester dafür die Möglichkeit. Nach der Bologna-Reform wurde der Ausbildungsteil leider gestrichen. In den ÜKs der Prophylaxeassistentinnen hatte ich die Gelegenheit, das Thema orale Gesundheit und Mundhygiene einzuführen, bedauerlicherweise aber nicht schweizweit. Meine Aufgabe ist simpel: Es geht darum, so einfach wie möglich zu erklären, wie wichtig es ist, das Thema Mundgesundheit auch in der Apotheke zu platzieren, Zusammenhänge zu erkennen und das Interesse zu wecken, die Zähne als Teil des Körpers zu betrachten und die orale Gesundheit ernst zu nehmen.
Explain it simple
Als Dentalhygienikerin arbeite ich in der Praxis nach dem Prinzip der Individualprophylaxe, iTOP. Die Prophylaxe ist das allererste und wichtigste. Ich kann keine Zahn- und Interdentalbürste oder eine Putzmethode empfehlen, wenn ich die Gegebenheiten nicht kenne. Ich muss in den Mund schauen, meinen Kunden kennen. Ist er gesund? Nimmt er Medikamente? Welche Konstitution hat er? Der Entwickler der iTOP Philosophie, Jiri Sedelmayer, zitiert immer gerne Einstein: „If you can’t explain it simply, you don’t understand it well enough.“ Gingivitis oder Karies, die Ursache ist immer Plaque. Aber reden wir mit den Kunden nicht über Plaque, Gingivitis oder Parodontitis, sondern beispielsweise über „Schmutz“, Zahnfleischentzündung und die Entzündung der „Karosserie“. Die Pharma-Assistentinnen wussten, dass Parodontitis Schlimmeres sein könnte und mit den Zähnen zu tun hat; was Gingivitis ist, war dann schon nicht mehr so klar. Die Empfehlung in der Apotheke läuft dann oft auf eine Zahnpaste, ein CHX-Gel oder eine Zahnspülung hinaus. Der Patient in der Praxis: Er weiss schon, dass er eine Parodontose oder Parodontitis hat, aber weiss er auch, dass der Grund dafür eine chronische Zahnfleischentzündung war? Er hat doch seine Zähne immer gründlich geputzt und war regelmässig in Kontrolle. Letztendlich haben wir ihn alleine gelassen. Idealerweise kommt er zwei Mal im Jahr für die Zahnreinigung zu uns und 363 Tage sollte er selber pflegen und kritisch beobachten.
Die Kunst des Zähneputzens
Zum Vergleich: Ich staune, wie am Wochenende schon um 8 Uhr morgens die Autos vor der Waschanlage anstehen und wie dort anschliessend innen und aussen alles exakt gereinigt und poliert wird. Felgen inklusive. Der Schmutz muss weg! Ich habe dann mal dort die fleissigen Autoputzer gefragt, ob ihre Zähne auch so genau angeschaut und so kritisch gepflegt werden … Die hohe Kunst des Zähneputzens kann man erlernen. Es braucht einen Coach, Training und Repetition! Eine Verletzung an der Hand, eine Blutung, bemerken wir sofort. Wir desinfizieren die Wunde, pflegen und kontrollieren die Heilung, ja, wir gehen sogar zum Arzt. Warum? Weil wir Angst haben, dass es eine schlimmere Infektion geben könnte! Wie sieht das aber im Mund aus? Kontrollieren wir das Zahnfleisch genauso? Was ist, wenn das Zahnfleisch entzündet ist, spüre ich das? Wie geht es weiter, wird es eine chronische Entzündung geben? Ist es eine offene Wunde? Heilt es? Könnte der Halteapparat angegriffen werden? Warum ist das schlimm? Solche einfache Fragen sind in der Praxis zu beantworten.
Gesund beginnt im Mund
Ich kann Ihnen versichern, dass für viele Ihrer Patienten und unserer Kunden dies nicht klar ist. Es ist aber doch so einfach, im Mund zu zeigen, dass die Gingiva entzündet ist. Nicht mit der Sonde, aber mit einer kleinen feinen Interdentalraumbürste kann man verdeutlichen, was passiert, wenn ich sie einführe und herausnehme. Mit etwas Geduld, Licht und Handspiegel lernt der Patient/Kunde seine Zähne kennen, ich kann auf die offene Wunde hinweisen und ihm erklären, dass die Bakterien sich mit dem Blut vermischen und so durch den ganzen Organismus = Körper verteilt werden. Hat der Kunde festgestellt, dass sein Zahnfleisch immer wieder blutet, ist es einfacher zu erklären, dass es sich um eine chronische Entzündung handelt. Und er wird schneller verstehen: Wenn es Schwachstellen im Körper gibt, wie z. B. eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (wofür er Medikamente braucht), es sehr wichtig ist, die Mundhygiene zu optimieren, die chronische Entzündung zu bekämpfen, den Kreislauf von unnötiger Belastung zu befreien! Wir sollten als Dental-Coach helfen, das Ziel zu erreichen. Dazu gehört, die ganzheitliche Motivation zu verbessern, die Technik mit praktischen Übungen zu optimieren, die Akzeptanz zu fördern, die Effektivität durch individuelle Prophylaxe zu steigern. Don’t leave the patient alone!