Branchenmeldungen 28.02.2011
16. IZZ-Presseforum Zahnmedizin vor zwei unterschiedlichen Kulissen
Das Informationszentrum Zahngesundheit Baden-Württemberg (IZZ) lud am 2. Juli bereits zum 16. Mal Journalisten aus Fach- und Lokalredaktionen zum traditionellen Presseforum ein. Im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm und bei der Firma KaVo in Biberach/Riß informierten die Referenten kompetent und beeindruckend über die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten der modernen (Zahn-)Medizin.
Nach einer Begrüßung von Johannes Clausen, dem Leiter des IZZ Baden-Württemberg, und einer Einführung von Dr. Ute Maier, der IZZ-Verwaltungsvorsitzenden 2010 und der Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, begann der erste Vortragsblock zum Thema: „Die Kunst, den Menschen ihr Gesicht zurück zu geben“.
„Die Kunst, den Menschen ihr Gesicht zurück zu geben“
Prof. Dr. Dr. Alexander Schramm, Ärztlicher Direktor der Abteilung Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie am Bundeswehrkrankenhaus (BWK) Ulm, machte in seinem Vortrag deutlich, von welch großer Wichtigkeit die Zusammenarbeit von Augenärzten, HNO-Ärzten, MKG-Chirurgen und Neurochirurgen im Kopfklinikum des BWK für die Traumatologie, die chirurgische Therapie von Tumoren, die Behandlung lebensbedrohlicher Infektionen im Kopf- und Halsbereich und die Wiederherstellungschirurgie ist. Die Ulmer Kopfklinik ist in eines der renommiertesten Traumazentren in der Bundesrepublik eingebettet. Prof. Schramm verdeutlichte die Leistungen dieses interdisziplinären Teams anhand von Vorher-Nachher-Bildern verschiedener Patientenfälle auf beeindruckende Weise. Schwerste Verletzungen, hervorgerufen durch Kopfschüsse, Hundebisse oder Arbeitsunfälle entstellten die Patienten bis zur absoluten Unkenntlichkeit und zerstörten Kiefer, Nasen, Augenhöhlen, Haut und Muskeln. Das Team der Kopfklinik des BWK Ulm gab diesen Patienten in der Tat ihr Gesicht zurück.
Prof. Dr. Heinz Maier, Oberstarzt Ärztlicher Direktor des Kopfzentrums Ulm und Leiter der HNO am BWK Ulm, erläuterte , dass durch die Verwendung einer verbesserten Schutzausrüstung für Soldaten im Einsatz, vor allem von splitter- und kugelsicheren Westen, die Häufigkeit von Verletzungen im Brust- und Bauchbereich abgenommen hat. Ungeschützte Körperregionen, wie z.B. Gliedmaßen, Kopf und Hals hingegen sind durch Explosionen, Geschosse und Splitter am stärksten gefährdet, so dass die Etablierung eines Kopfzentrums am BWK Ulm von maßgeblicher Bedeutung für die Behandlung der verletzten Soldaten ist. Bei der Wiederherstellungschirurgie bei Patienten mit Krebserkrankungen und schwerverletzten Unfallopfern werden ähnliche Anforderungen an den Chirurgen gestellt wie bei der Versorgung von verletzten Soldaten und/oder Zivilisten im Einsatzgebiet, so dass die Erfahrungen mit den zivilen und soldatischen Patienten in der Kopfklinik letztlich auch und besonders der Behandlung im Einsatz verwundeter Soldaten zugute kommen. Von dieser Einrichtung profitieren jedoch nicht nur die Patienten in den Einsatzländern, sondern auch solche aus dem Großraum Ulm / Neu-Ulm, die von schweren Verletzungen, ausgedehnten Tumoren und lebensbedrohlichen Infektionen im Kopf- und Halsbereich, die einer interdisziplinären Versorgung bedürfen, betroffen sind.
Silke Lewan, Oralchirurgin am Fachzahnärztlichen Zentrum am BWK Ulm, war als Sanitätsoffizier in Afghanistan im Einsatz und berichtete den interessierten Pressevertretern von den Erfahrungen, die sie vor Ort gemacht hat. Zu ihren Aufgaben im Lager in Feyzabad gehörte die zahnmedizinische Schmerz- und Notfallbehandlung der Soldaten, die Beratung bzw. Unterstützung der zahnmedizinischen Kollegen in den anderen Feldlagern, die dentoalveoläre Chirurgie und die Traumatologie, Diagnostik, Erstversorgung, Stabilisierung; u.U. endgültige Versorgung. Im Lager wird auch die afghanische Zivilbevölkerung behandelt, allerdings müssen die zivilen Patienten, die nur unter strengen Sicherheitsvorschriften das Lager betreten dürfen, die Kosten der Behandlung selbst tragen.
Das besondere am zahnmedizinischen Einsatz in Afghanistan, so Frau Lewan, ist, dass die Patienten immer sofort körperlich und auch psychisch wieder voll einsatzbereit sein müssen und erschwerte klimatische und hygienische Bedingungen herrschen. Dazu kommt, dass sich die ISAF aus insgesamt 43 verschiedenen Nationen zusammensetzt und Sprachbarrieren zum Teil Einfallsreichtum bei der Kommunikation erfordern. In diesem Zusammenhang erhielt Frau Lewan auch einen Einblick in die zahnmedizinische Versorgung in anderen Ländern und fasste als Fazit zusammen, dass der hohe Standard von Deutschland nicht überall selbstverständlich ist. Die Zeit des Einsatzes verglich sie mit dem Eintauchen in eine völlig andere Welt. Besonders der Verzicht auf Privatsphäre und Komfort, der streng geregelte Tagesablauf ohne viel Abwechslung, das permanente Tragen der Waffe und die Trennung von der Familie kennzeichnen das Lagerleben.
Der Vortrag von Dr. Elmar Ludwig, Konsiliarzahnarzt am Universitätsklinikum Ulm, zum Thema „Alterszahnmedizin und Defektprothetik: Kooperation zwischen Praxis und Krankenhaus“ beeindruckte mit dem Engagement und Erfindungsreichtum, mit dem Dr. Ludwig und sein Team Defekte im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich nach der Resektion von Tumoren versorgten. Diese Defekte lassen sich in vielen Fällen mit Hilfe von zahnärztlichen Methoden und Materialien im Sinne von Defektprothesen für den Patienten herausnehmbar verschließen. Sind auch äußere Gesichtspartien betroffen, so kommen meist künstliche Gesichtsteile, sogenannte Epithesen, zum Einsatz. Anhand verschiedener Patientenfälle zeigte Dr. Ludwig auf, wie wichtig es für Lebensqualität und -freude der Patienten ist, perfekt sitzende und optisch unauffällige Versorgungen zu erhalten und wie diese Prothesen und Epithesen mit viel Geschick und zum Teil auch dem nötigen Erfindungsreichtum gefertigt werden. Dr. Ludwig vermittelte auch mehr als einen Eindruck davon, dass bei der Versorgung von multimorbiden und zumeist pflegebedürftigen Menschen ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen nötig ist, das zum einen mit einer erhöhten Kooperationsbereitschaft der Patienten und zum anderen mit großer Dankbarkeit honoriert wird.
Die erdversenkte Anlage des Bundeswehrkrankenhauses
Am Ende dieses ersten Vortragsblockes im Rahmen des 16. IZZ-Presseforum bekamen die Gäste des BWK Ulm die seltene Gelegenheit, die erdversenkte Anlage des Krankenhauses kennen zu lernen. Für den Fall des Ausbruchs des kalten Krieges wurde unter dem BWK Ulm ein zweigeschossiger Bunker installiert, der 1.000 Personen, also Patienten, Ärzten, Pflegepersonal und Technikern des Krankenhauses, 90 Tage ein Überleben ermöglicht hätte. Der B/C-Bunker wurde komplett mit Operationssaal, Behandlungsräumen, Schlafräumen, Küchen und sanitären Einrichtungen ausgestattet und verströmte, trotzdem ein Großteil des Mobiliars bereits entfernt worden waren, den Geruch des kalten Krieges und der permanenten Alarmbereitschaft der 70er und 80er Jahre.
Zweiter Teil des Presseforums bei KaVo
Der zweite Teil des Presseforums wurde in der Firma KaVo in Biberach/Riß ausgerichtet. Nach einer Firmenbesichtigung stellte Christian Artmann, Vice President Marketing Global, den Anwesenden das Unternehmen, das im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag feiern konnte, kurz vor. Das baden-württembergische Dentalunternehmen ist weltweit für technische Innovationen bekannt. Es setzt, ebenso wie die Ulmer (Zahn-)Mediziner, in der Behandlung und Versorgung von Patienten bundesweit Standards. Während der Führung durch das Unternehmen wurde deutlich, mit welcher Präzision die Hand- und Winkelstücke am Standort gefertigt werden und welche aufwändigen Prozesse dafür nötig sind.
Im Anschluss referierte Dr. Susann Forschner aus Biberach / Riß zum Thema „Hypnose in der (Zahn-)Medizin – Humbug, Magie oder Segen?“ über eine Möglichkeit, sich und den Patienten das Leben leichter zu machen. Sie stellte die lange Geschichte der immer noch für viele exotisch anmutenden Methode vor und erläuterte, bei welchen Indikationen der Einsatz von Hypnose hilfreich sein kann. Die Aufmerksamkeit eines Menschen in Hypnose sei nach innen gerichtet, wodurch die äußere Realität für den Patienten in den Hintergrund tritt. Laut Forschner würden die meisten Menschen gut auf Hypnose ansprechen und damit die Hypnose für das angestrebte Therapieziel nutzbar machen. Dr. Forschner bedauerte, dass die Kosten für Hypnotherapie von den gesetzlichen Krankenkassen nur in Ausnahmefällen übernommen werden.
Zum Abschluss des thematisch so abwechslungsreichen Tages sprachen Dr. Bernhard Jäger, stellvertretender Präsident der Landeszahnärztekammer BW und Dr. Hans Hugo Wilms, Öffentlichkeitsreferent Kassenzahnärztliche Vereinigung BW, über Innovation in der Zahnarztpraxis und Investition bei der zahnärztlichen Existenzgründung. Sie stellten fest, dass sowohl der Zahnarztberuf als auch das Gesundheitssystem permanenten Veränderungen unterliegen, die der demografischen Entwicklung der Patienten und Ärzte, der Feminisierung der Ärzteschaft und dem medizinisch-technischen Fortschritt geschuldet sind. Als Ergebnis dieser Entwicklung hat die Zahnmedizin große Fortschritte gemacht und ist für den Zahnarzt heute deutlich vielseitiger geworden. Die Geräte-Anforderungen an ein modernes Behandlungskonzept sind komplexer geworden, und eine professionelle Praxisführung gewinnt an Bedeutung. Dr. Jäger machte deutlich, welch großen Wirtschaftsfaktor zahnärztliche Investitionen darstellen: So wurden in den Jahren 2006/2007 durch zahnärztliche Existenzgründer Investitionen in Höhe von schätzungsweise 1,0 Mrd. Euro getätigt und mit diesen Mitteln über 20.000 Arbeitsplätze neu geschaffen bzw. erhalten. Dr. Wilms bot mit aufschlussreichen Statistiken einen detaillierten Einblick zur Existenzgründung und zog das Fazit, dass die Einzelpraxisübernahme mittlerweile die dominierende Niederlassungsform sei. Allerdings gäbe es auch einen starken Trend zur Kooperation, besonders bei jungen Existenzgründern. Bei der Einzelpraxisneugründung und Übernahme stellte er ein steigendes Finanzierungsvolumen fest.
Die Veranstaltung schloss mit einem Schlusswort von Dr. Udo Lenke, Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Insgesamt beeindruckte das 16. IZZ Presseforum mit seinem breiten Themenspektrum vor zwei so unterschiedlichen Kulissen wie dem BWK Ulm und der Firma KaVo. Besonders hervorzuheben ist der Fokus auf die Möglichkeiten, die die Medizin mit einer interdisziplinären Zusammenarbeit und dank der modernen Technologien für die Patienten bietet.
Kristin Jahn für ZWP online, 09.07.2010