Branchenmeldungen 21.02.2011
80 Prozent der Bürger gegen Gesundheitsreform
Die Krankenkasse wird ab Januar erneut teurer. Danach müssen sich die Mitglieder auf wachsende Zusatzbeiträge einstellen. Der Bundestag billigte letzten Freitag mit schwarz-gelber Mehrheit entsprechende Reformpläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Doch trifft das Vorhaben nicht nur bei der Opposition und Sozialverbänden auf scharfe Ablehnung. Auch 80 Prozent der Bürger sehen sie laut ZDF-Politbarometer kritisch.
Schon am Donnerstag hatte Rösler bereits sein Arzneimittelsparpaket durchs Parlament gebracht. Damit und mit der Finanzierungsreform soll zunächst gespart werden: Die Kosten für Medikamente, Ärzte und Kliniken sollen im kommenden Jahr um 3,5 Milliarden Euro niedriger ausfallen als ohne die Gesetze. Daneben wird der Beitragssatz von 14,9 auf 15,5 Prozent erhöht. Damit zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen sechs Milliarden Euro mehr ein. Beides soll das für 2011 erwartete Defizit von neun Milliarden Euro ausgleichen. Mittelfristig wird dann die Finanzierung des Systems umgestellt.
Rösler verteidigte die Neuerung, dass wachsende Gesundheitskosten künftig nur noch über steigende Zusatzbeiträge vom Kassenmitglied allein finanziert werden. Dies bedeute, dass Ausgabensteigerungen nicht automatisch die Arbeitskosten hochtrieben. "Das ist unser Beitrag für Wachstum und Beschäftigung", sagte der Gesundheitsminister.
Erstmals werde zudem ein Sozialausgleich eingeführt und aus Steuermitteln finanziert. Damit werde "die Solidarität auf eine breitere Basis gestellt". Die Gegenvorschläge der Opposition für eine Bürgerversicherung kritisierte Rösler: "Die Bürgerversicherung ist das Gegenteil von Gerechtigkeit."
Die Opposition griff ihrerseits Röslers Reform scharf an. Das Vorhaben weise den Weg in eine Drei-Klassen-Medizin und in eine Privatisierung der Gesundheitskosten, kritisierten SPD, Linke und Grüne. "Wir werden diesen Murks komplett wieder rückgängig machen", kündigte die SPD-Vizefraktionschefin Elke Ferner für die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 an.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender sagte: "Das ist eine Reform, die verdient den Namen nicht." Linke-Fraktionschef Gregor Gysi warf Schwarz-Gelb sogar Verfassungsbruch vor. Er bezog sich auf Röslers Pläne, sogenannte Kostenerstattungstarife auszuweiten. Gysi sagte, Patienten würden künftig unterteilt in privilegierte Privatversicherte, in Kassenpatienten mit Vorkassetarif und schließlich in die ganz normalen Kassenpatienten, die sich Vorkasse nicht leisten könnten. "Das alles widerspricht dem Grundgesetz dieser Bundesrepublik Deutschland", sagte Gysi.
Die Sozialverbände VdK und AWO, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die IG Metall kritisierten die einseitige Belastung der Kassenmitglieder und das "Ende der Solidarität" im Gesundheitswesen.
Mit der Reform wird der herkömmliche Krankenkassenbeitrag nach der Erhöhung zum 1. Januar eingefroren. Künftige Kostensteigerungen werden über den Zusatzbeitrag ohne Hilfe des Arbeitgebers finanziert. Nächstes Jahr werden Zusatzbeiträge nur bei wenigen Kassen erwartet, mittelfristig jedoch flächendeckend. Der Sozialausgleich soll eine Überforderung vermeiden. Er greift, sobald der Einzelne zwei Prozent seines Einkommens für den Zusatzbeitrag aufgebracht hat. Finanziert wird der Ausgleich aus einem Sonderzuschuss des Bundes von zwei Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds.
Quelle: dpa