Branchenmeldungen 20.06.2014
Anti-Aging – More than just a pretty face
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Wer im April dieses Jahres den „Anti-Aging World Congress“ in Monte Carlo besucht hat, der ist wahrscheinlich immer noch beeindruckt von der Fülle der Veranstaltungen, dem Umfang der Industrieausstellung und den Tausenden von Besuchern aus mehr als 100 Ländern. Anti-Aging ist augenscheinlich eine erfolgreiche, boomende Branche mit offenbar unbeschränktem Wachstumspotenzial.
Eine Einschränkung muss man allerdings machen. Diese Aussagen gelten vor allen Dingen für das „Ästhetische Anti-Aging“. Plastische Chirurgie, Botulinumtoxin, Filler, Laserbehandlungen der Haut – diese Themen bildeten fachlich und ökonomisch den Schwerpunkt des Kongresses. Hier spielte ganz eindeutig die Musik. Daneben gibt es jedoch noch einen weiteren Zweig der Anti-Aging-Medizin. Dieser versteht sich im Wesentlichen als eine Präventionsmedizin gegen altersassoziierte Erkrankungen. Auch diese Medizin – und dafür sei dem Veranstalter gedankt – war Teil des Kongresses, dennoch fristete sie eher ein Nischendasein. Wenn es um die Frage der richtigen Ernährung, des Lifestyles, der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz oder Krebs ging, war die Zahl der teilnehmenden Ärzte zumeist recht übersichtlich.
Warum ist das so? Die Hälfte der europäischen Bevölkerung stirbt an Herzinfarkt und anderen Folgeerkrankungen der Arteriosklerose. Die Mortalität von Glabella- und Nasolabialfalten ist eher gering. Die Demenz droht zur Epidemie des 21. Jahrhunderts zu werden. Cellulite, mag sie auch optisch noch so unvorteilhaft sein, ist daran gemessen ein eher zweitrangiges Problem. Dennoch war der Workshop zur Cellulitetherapie deutlich mehr gefüllt als das Seminar über Neuroprotektion. Was sind die Gründe? Eine Vermutung liegt nahe: Die Ästhetische Medizin hat in den letzten Jahren eine Vielfalt von Substanzen, Techniken und Methoden entwickelt, die einen enormen Vorteil haben: sie wirken. Sie tun dies spürbar, überprüfbar und vor allem auch sichtbar. Auf der Basis dieser gesicherten Wirkung ist es innerhalb der Ästhetischen Medizin zu einem enormen Qualitätsschub gekommen. Leitlinien, Qualitätsstandards, zertifizierte Ausbildung – so etabliert sich ein seriöser Medizinzweig. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin (GSAAM) fällt es mir schwer, es zuzugeben, aber es ist leider so: Davon ist die allgemeine Anti-Aging-Medizin noch weit entfernt. Zwar haben wir über die allgemeinen Grundlagen des Alterungsprozesses in den letzten Jahren viel gelernt. Auch die Diagnostik hat sich verfeinert. Was der Anti-Aging-Medizin gegenwärtig aber vor allem fehlt, ist eines: effektive Therapien. Dass Botulinumtoxin mimische Falten glättet, sieht man nach 72 Stunden. Ob eine wie auch immer geartete Anti-Aging-Maßnahme die Lebenszeit verlängert, weiß man erst nach Jahrzehnten. Wenn überhaupt. Diese therapeutische Unsicherheit macht die Etablierung evidenzbasierter Behandlungsansätze schwierig. Umgekehrt macht es die Sache leicht für alle Arten von Paramedizinern, Quacksalbern und Scharlatanen, die mit häufig unüberprüfbaren Versprechungen ihre Produkte und Methoden anpreisen. Dennoch ist es meine feste Überzeugung: Wir brauchen eine wissenschaftlich fundierte und qualitativ hochwertige Anti-Aging-Medizin als Präventivmedizin gegen altersassoziierte Erkrankungen. Eine Präventionsmedizin, die ihren Namen verdient, muss also den Risikofaktor „biologisches Altern“ verstehen und therapieren. An dieser Stelle hat die Ästhetische Anti-Aging-Medizin einen Erfolg versprechenden Weg beschritten, dem es beispielhaft zu folgen gilt.
Denn was nutzt es am Ende des Tages, wenn wir unseren Lebensabend mit makellosen Körpern und faltenfreien Gesichtern verbringen – jedoch aufgrund der fortgeschrittenen Demenz wissen wir dann leider nicht mehr, was wir mit all der konservierten Schönheit noch anfangen sollen.