Branchenmeldungen 21.02.2011

Die Krankenkassen tricksen bis zuletzt

Die Krankenkassen tricksen bis zuletzt

Foto: © Shutterstock.com

Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) garantiert allen den ungehinderten Zugang zum medizinischen Grundangebot. Alle Kassen sind verpflichtet, jeden aufzunehmen, egal ob es sich um eine 82-jährige Pflegeheimbewohnerin oder um einen kerngesunden 21-Jährigen handelt. So weit der Buchstabe des Gesetzes.

In der Praxis beweisen die Kassen auch 15 Jahre nach Einführung des KVG immer neuen Einfallsreichtum, um zu einer günstigen Versichertenpopulation zu gelangen. Junge, gesunde Versicherte verursachen keine Kosten und sind eine attraktive Kundschaft für die gewinnträchtigen Zusatzversicherungen.

Das Prinzip der Kostenminimierung ist meist simpel: Patienten, die hohe Kosten verursachen, wird der Weg zur Versicherung beschwerlich gestaltet — sei es beim Beitritt oder bei der Kostenerstattung. So funktioniert auch der jüngste Trick der Intras. Wem der Arzt Medikamente verschreibt, der muss diese in der Apotheke zuerst selbst bezahlen. Wer dreimal im Jahr einen Heuschnupfenspray für 35 Franken bezieht, wird dies in Kauf nehmen und sich zur Freude der Kasse überlegen, ob er die Rechnungen an die Kasse schicken will. Wer monatlich Medikamente für Tausende Franken benötigt, ist bei dieser Kasse schlecht bedient.

Es lockt die Einheitskasse

Dass ausgerechnet eine Kasse der CSS-Gruppe zu einer solchen Risikoselektion greift, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn die CSS verlangt seit Jahren am lautesten, die Jagd nach günstigen Versicherten mit einem besseren Risikoausgleich zu unterbinden. Dem von der CSS besoldeten Ökonomen Konstantin Beck ist es unter anderem zu verdanken, dass das Parlament auf 2012 einer Verfeinerung des Ausgleichsmechanismus zustimmte und diesen in einem weiteren Schritt nun nochmals verbessert. In einigen Jahren sollten Kassen keine finanziellen Nachteile mehr haben, wenn sie viele HIV-Patienten oder Diabetiker versichern. Anstelle des Wettbewerbs um gute Risiken (gesunde Versicherte) tritt der Wettbewerb um die besten Behandlungsangebote für chronisch Kranke. So lassen sich die Kosten und Prämien im Griff halten. Billigkassen haben in diesem System keine Zukunft mehr, weil gesunde und junge Versicherte hohe Ausgleichszahlungen an andere Kassen zur Folge haben.

Es hat fast 15 Jahre gedauert, bis sich Bundesrat und Parlament davon überzeugen liessen, dass der Wettbewerb mit hohen Franchisen, Prämienrabatten und originellen Produkteverpackungen kein Rezept gegen steigende Gesundheitskosten ist. Das ist kurzfristige Symptombekämpfung für den einzelnen Versicherten. Denn wer heute zur Kasse mit den tiefsten Prämien wechselt, zahlt drei Jahre später vielleicht die höchste Prämie, weil die Kasse von den Sozialdiensten mit kranker Kundschaft versorgt wurde.

Trügerischer Nutzen

Die wilden Prämienausschläge und Tricks haben den Verdruss über den Kassenwettbewerb gefördert und die Einheitskasse populär gemacht. Falls der Risikoausgleich die Versicherer nicht dazu bringt, in Managed Care und Prävention zu investieren, wird die Einheitskasse mehrheitsfähig.

Deren Nutzen wäre allerdings genauso trügerisch wie die Versprechen mancher Billigkassen. Die Einheitskasse könnte allenfalls die Verwaltungskosten um einige Prozent verringern. Es handelte sich aber um einen Einmaleffekt, der bald verpufft sein würde. Die Einheitskasse à la SP bietet jedoch keine Anreize zu einem Qualitätswettbewerb und einer sparsamen Verwendung der Mittel.

Dass eine Kasse der CSS-Gruppe zu dieser Risikoselektion greift, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Quelle: Tages-Anzeiger, 22.10.2010


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