Branchenmeldungen 24.07.2012
Euro-Ranking: Deutsches Gesundheitssystem stürzt ab
Ein Sozialmediziner fordert Konsequenzen aus dem
schlechten Abschneiden des deutschen Gesundheitssystems im europäischen
Vergleich. Deutschland war vor wenigen Wochen beim Euro Health Consumer
Index (EHCI) von Rang 6 auf Rang 14 abgerutscht. Die Bundesrepublik
liege im Ranking von 34 Gesundheitssystemen nun auf dem gleichen Niveau
wie Irland und Tschechien, sagte Prof. Ulrich Keil von der Universität
Münster der Deutschen Presse-Agentur. Besonders ernst nimmt Keil die schlechte Bewertung Deutschlands bei
Krankenhausinfektionen. "Es wird geschätzt, dass dadurch jährlich bis zu
30.000 Menschen versterben. Um eine verbesserte Krankenhaushygiene
müssen wir uns daher intensiv bemühen", sagte der Epidemiologe.
Keil war Berater des schwedischen Untersuchungsgremiums "Health Consumer
Powerhouse", das seit Jahren die Gesundheitssysteme in Europa aus der
Sicht der Patienten bewertet. Laut der EHCI-Studie war auch das Wissen
der Bevölkerung zur Wirkungsweise der Antibiotika mangelhaft. "In
Deutschland wussten weniger Menschen als in vielen anderen Ländern
Europas darüber Bescheid, dass Antibiotika nur gegen Bakterien, nicht
aber gegen Viren wirksam sind. Das kann dazu führen dass in Deutschland
Antibiotika zu leichtfertig verschrieben und eingenommen werden", sagte
Keil. In den Niederlanden sei das Versorgungssystem bei der Behandlung
von Erkältungskrankheiten mit Antibiotika viel zurückhaltender. Beim
Ranking der europäischen Gesundheitssysteme liegen die Niederlande auf
Platz 1.
Auch bei der Dialysebehandlung (Blutwäsche) schneidet Deutschland nicht
gut ab. "In Skandinavien wird zum Beispiel die sogenannte Heimdialyse
wesentlich häufiger durchgeführt als in Deutschland", sagte Keil. "Die
Heimdialyse gilt unter Experten als schonender für den Patienten, da er
nicht aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen wird. Zudem ist die
Heimdialyse billiger. Da bekommt man leider den Verdacht, dass der
Faktor Einnahmen für das Krankenhaus bei der Behandlung in Deutschland
eine große Rolle spielt."
Auf dieser Linie liege auch ein weiterer Kritikpunkt des schwedischen
Untersuchungsteams - nämlich die überdurchschnittlich hohe Zahl an
Kaiserschnitten in Deutschland. "An ihnen verdient ein Krankenhaus mehr
als an einer normalen Geburt. Die hohe Rate hat aber mit großer
Wahrscheinlichkeit auch etwas mit dem Lebensstil zu tun", betonte der
Sozialmediziner. Negativ fiel Deutschland auch bei der Prävention auf,
wenn es um das Rauchen ging. "Im europäischen Vergleich ist hier noch
immer großer Nachholbedarf. In Deutschland rauchen mehr als 30 Prozent
der Erwachsenen. In Schweden sind es bei Männern zehn und bei den Frauen
15 Prozent", sagte Keil.
Der Mediziner stellte klar: "Wir dürfen das schlechte Ergebnis nicht
überbewerten. Aber bei einem so teuren Gesundheitssystem wie dem
deutschen ist ein Abschneiden im Mittelfeld doch sehr enttäuschend."
Quelle: dpa