Branchenmeldungen 21.02.2011
Gesundheitskarte könnte 14,1 Mrd. Euro kosten
Am 1. Oktober 2009 soll die elektronische Gesundheitskarte eingeführt werden, mit drei Jahren Verspätung. Es ist das ehrgeizigste IT-Projekt der Bundesregierung. Doch die Entwicklungsfirma der Gesundheitskarte geht inzwischen von einer Verdoppelung der ursprünglich geplanten Kosten aus. Im Worst-Case-Szenario gehe man zudem von einer vollständigen Funktionsfähigkeit erst in acht bis zehn Jahren aus, so der Pressesprecher der Firma Gematik, Daniel Poeschkens gegenüber der Sendung MONITOR. Die Gesamtkosten könnten dann sogar auf 14,1 Milliarden Euro anwachsen.
Regierungsberater fordert Moratorium
Scharfe Kritik an der geplanten Einführung der elektronischen Gesundheitskarte hat unterdessen der Regierungsberater Prof. Jürgen Wasem geübt. Gegenüber MONITOR erklärte er, die Karte werde „primär aus politischen Gründen“ an den Start gehen: „Ökonomisch wird sie ein Minusgeschäft sein, das letztlich die Versicherten zahlen“, so Wasem, der einer der wichtigsten Berater von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ist. Wasem ist Vorsitzender des Bewertungsausschusses für ärztliche Leistungen und des „Wissenschaftlichen Beirats“ zum Risikostrukturausgleich. Da die Karte nicht alle Leistungen erbringe, solle auf den geplanten Start zunächst verzichtet werden, so Wasem.
Gravierende Mängel bei Flächentest
Ein zweijähriger Test der Karte mit 10 000 Patienten in der Modellregion Bochum-Essen förderte gravierende Mängel bei der technischen Anwendung zutage. So beklagen die teilnehmenden Ärzte, das elektronische Rezept benötige doppelt so viel Zeit wie das handschriftliche Ausstellen. Auch die digitale Kommunikation zwischen den Ärzten stehe nicht zur Verfügung. Die Eintragung von Notfalldaten sei zu kompliziert und zeitaufwändig. Die Ministerin bleibt bei der geplanten Einführung am 1. Oktober.
Drohende Kostenexplosion
Kritiker verweisen überdies auf eine drohende Kostenexplosion. So kalkuliert das Bundesgesundheitsministerium nach wie vor mit Kosten von 1,4 Milliarden Euro. Eine von der Entwicklungsfirma Gematik in Auftrag gegebene Studie der Beratungsfirma „Booz Allen Hamilton“ prognostiziert allerdings Kosten von 2,8 Milliarden bei einer fünfjährigen Einführungsphase, im Worst-Case-Szenario sogar von 14,1 Milliarden.
Quelle: WDR Westdeutscher Rundfunk, 01.07.2009