Branchenmeldungen 11.02.2016

Intraligamentäre Anästhesie: Richtige Technik, große Wirkung

Intraligamentäre Anästhesie: Richtige Technik, große Wirkung

Foto: © Heraeus Kulzer/picture alliance/Erichsen

Nur ein Teil der praktizierenden Zahnärzte wendet die intraligamentäre Anästhesie (ILA) bei ihren Patienten an. Für Prof. em. Dr. Eike Glockmann, Friedrich-Schiller-Universität Jena, und Dr. Ralf Kulick, niedergelassener Zahnarzt in Jena und Vize-Präsident der Zahnärztekammer Thüringen, bedarf es daher dringender Aufklärung. So zeigen sie bereits seit 2009 regelmäßig bei Fortbildungen von Heraeus Kulzer in Theorie und Praxis, wie die ILA richtig anzuwenden ist.

Ganz nach der Devise „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“ sollten Anwender der intraligamentären Anästhesie (ILA) handeln. „Entscheidend ist die richtige Technik: eine geduldige Injektion von 0,2 ml Anästhetikum in mindestens 20 Sekunden mit anschließendem Verweilen der Kanüle im Sulkus für weitere 20 Sekunden“, betont Prof. Glockmann mehrmals in seinem Vortrag. Dieses Vorgehen ist erforderlich, da das Anästhetikum zu seiner Ausbreitung im Knochen erst den Gewebsdruck im Desmodont überwinden muss. Dafür erfolgt die Schmerzausschaltung sehr schnell. Insgesamt bedingt die ILA sogar eine Zeitersparnis, da keine weitere Latenzzeit zu erwarten ist. Bei mehrwurzligen Zähnen ist eine Injektion pro Wurzel ausreichend, bei Zähnen mit nur einer Wurzel sind zwei Applikationen empfehlenswert. Die ILA kann prinzipiell an jedem Einzelzahn angewendet und sowohl als primäre als auch sekundäre Anästhesiemethode eingesetzt werden. Allgemein haben sich für Lokalanästhetika 4-prozentige Articainlösungen mit Adrenalinzusatz im Verhältnis von 1:200.000 bewährt, ebenso für die ILA. Bei Verwendung eines vasokonstriktorhaltigen Lokalanästhetikums ergibt sich eine durchschnittliche Wirkdauer von ca. 20 bis 30 Minuten – bei einem länger andauernden Eingriff kann, an einer anderen Einstichstelle nachdosiert oder in begründeten Fällen von Beginn an, ein höherer Adrenalinzusatz von 1:100.000 eingesetzt werden.  

Aufgrund der geringen Menge an pro Zahn benötigtem Lokalanästhetikum wird das Herz-Kreislauf-System weniger belastet, so dass sich die ILA für viele Patientengruppen, inklusive Kinder und Risikopatienten, eignet. Entscheidender Vorteil für einen hohen Patientenkomfort ist die begrenzte Wirkung der intraligamentären Anästhesie: Der Patient verspürt kein Taubheitsgefühl der umgebenden Gewebe und hat keine über die Behandlung hinausgehende mastikatorische oder artikulatorische Beeinträchtigung.

Auch die Patientenaufklärung über mögliche Alternativen und Risiken der Lokalanästhesie ist heute aktueller denn je. Das Patientenrechtegesetz regelt in § 630 BGB, dass Zahnärzte ihre Patienten über sämtliche Risiken und die in Betracht kommenden Optionen einer Maßnahme aufklären müssen. Bei einer notwendigen zahnärztlichen Lokalanästhesie muss also die ILA, insofern indiziert, als Alternative besprochen werden – ein Grund mehr, die Technik sicher zu beherrschen. Zu seiner rechtlichen Absicherung sollte der Zahnarzt sowohl die Aufklärung über die Maßnahme und die Behandlungsalternativen als auch die im Einverständnis mit den aufgeklärten Patienten getroffene Entscheidung entsprechend dokumentieren.

Praxiserfahrung entscheidend

Trotz langer Bekanntheit von über 100 Jahren, wird die ILA in Praxen häufig nicht eingesetzt. „Als Hauptgrund dafür sehen wir die fehlende Praktik aufgrund einer teilweise unzureichenden Ausbildung und die damit verbundene Scheu vor der intraligamentalen Injektion gegen den Gewebswiderstand des Desmodonts“, schildert Dr. Kulick. Bei zu schneller Injektion mit zu hohem Druck oder dem Einsatz ungeeigneter Kanülen drohen unnötige Schmerzen und Elongationsgefühl für den Patienten. Da mittlerweile moderne Injektionsapparate, bruchsichere Carpulen und spezielle ILA-Kurzkanülen von 12 bis 16 mm mit besonders kurzem Schliff zur Verfügung stehen, kann die ILA sicher praktiziert werden. Im einleitenden Vortrag gaben die Referenten wertvolle Hinweise zur Handhabung und Durchführung der ILA:

  • Um einer Nekrose durch zu viel Druck im Gewebe vorzubeugen, muss der Injektionsdruck durch die langsame Applikation kontrolliert werden.
  • Eventuelle Nachinjektionen dürfen nicht in einen bereits benutzten Injektionskanal erfolgen. Zwei Applikationen für eine Wurzel können mesial und distal durchgeführt werden.
  • Der Einstich im Winkel von 20 bis 30 Grad zwischen Kanüle und Zahnachse dient dazu, den Zahnäquator zu umgehen und die Kanüle somit präzise in den Desmodontalspalt applizieren zu können.
  • Unerwünschte Effekte spielen mit etwas Erfahrung kaum eine Rolle: Der Initialschmerz kann durch vorangehende Oberflächenanästhesie, die mögliche Gefahr einer Bakteriämie durch Desinfektion des Sulkus, abgeschwächt werden.

Die aufgefrischten Kenntnisse konnten direkt vor Ort im Anschluss an die Theorie von den Teilnehmern angewendet werden. So wurde im praktischen Teil der Fortbildung an einem Schweinekiefer u.a. mit der speziell für die ILA entwickelten Spritze SOPIRA® Citoject® sowie speziellen 12 mm ILA-Kanülen (SOPIRA® Carpule® Free Flow Kanülen) die sichere Anwendung der intraligamentären Anästhesie geübt. Um das richtige Fingerspitzengefühl zu bekommen, standen den 20 Teilnehmern die Referenten zur Seite und zeigten zusätzlich eigene Videoaufnahmen von der Anwendung am Patienten. „Der Kurs zeigt die fachgerechte Anwendung und gibt Sicherheit in der Praxis“, fasst die Teilnehmerin Dr. Seids-Ortner aus Wiesbaden ihre Eindrücke zusammen.

Total lokal

Wie wichtig die lokal begrenzte Verabreichung von Wirkstoffen, gerade im Hinblick auf Risikopatienten (z.B. multimorbide Patienten) sowie Kinder und Menschen mit Behinderung ist, hob Dr. Kulick in seinem Vortrag hervor. Insbesondere bei diesen Patienten ist ein patientenschonendes Vorgehen besonders wünschenswert. Daher wird es, wann immer möglich, in der zahnärztlichen Behandlung eingesetzt.

So macht auch der Einsatz von Lokalantibiotika Sinn, wenn an einzelnen Zähnen nach systematischem Scaling und Root Planing Entzündungszeichen bei Taschentiefen von größer gleich 5 mm zu erkennen sind. Eine systemische Antibiotika-Zugabe ist in solchen Fällen nicht notwendig. In der unterstützenden Parodontitistherapie hat sich das 14-prozentige Doxycyclingel Ligosan® Slow Release, welches direkt in die Taschen appliziert wird, bereits nachweislich bewährt.1 Die Verabreichung des Antibiotikums kann, insofern nur wenige Zähne betroffen sind, lokal erfolgen. „Durch die Applikation mit passendem Equipment erzielen wir lokal in der Zahnfleischtasche, wie gewünscht, eine sehr hohe Antibiotika-Konzentration. Mögliche Nebeneffekte und die Belastung für den Gesamtorganismus werden auf ein Minimum reduziert“, erklärt Dr. Kulick. Auch hier ist das richtige Handling das A und O. Die Teilnehmer der Fortbildung nutzten daher die Gelegenheit am zur Verfügung gestellten Schweinekiefer umfassend zu üben, um in der eigenen Praxis das Erlernte sicher anwenden zu können.

Weitere Fortbildungen mit Prof. Eike Glockmann und Dr. Ralf Kulick

Deutschlandweit sind dieses Jahr noch bei drei Veranstaltungen Termine frei:

  • Do, 15.04.2016 in Hartenstein
  • Fr, 09.09.2016 in Hamburg
  • Sa, 10.09.2016 in Berlin

Die Veranstaltungen finden nach den Leitsätzen und der Punktebewertung von Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Deutscher Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) statt. Teilnehmende Zahnärzte erhalten acht Fortbildungspunkte. Informieren und anmelden können sich Interessierte bei Janice Hufnagel, Tel. 06181–9689-2585, oder via E-Mail an janice.hufnagel@kulzer-dental.com.

1 Eickholz P et al., J Clin Periodontal 2002; 108-117: Non-surgicl periodontal therapy with adjunctive topical doxycycline: a double-blind randomized controlled multicenter study.

Mit Wissen zum Erfolg
Mehr News aus Branchenmeldungen

ePaper