Branchenmeldungen 21.02.2011

Nachgefragt: Exklusives Interview mit Dr. Peter Engel

Nachgefragt: Exklusives Interview mit Dr. Peter Engel

Foto: © BZÄK / Pietschmann

Die deutsche Zahnärzteschaft erwartet für ein tragfähiges zahnmedizinisches Versorgungskonzept die rasche Umsetzung der Koalitionsziele von der neuen Bundesregierung. Dental Tribune Deutschland sprach exklusiv mit dem Präsidenten der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, über notwendige Veränderungen für 2010.

Sehr geehrter Herr Dr. Engel, wie zufrieden sind Sie mit den bisher realisierten Reformen der neuen Bundesregierung?

Soweit mir bekannt, ist noch keine wichtige Reform tatsächlich verabschiedet worden, die unsere Profession beträfe.

Welche Aufgaben sehen Sie als die vordringlichsten in 2010 an?

Neben zahlreichen Herausforderungen für die Profession haben natürlich die überfälligen Novellierungen der Approbationsordnung für Zahnärzte (AO-Z) sowie der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) oberste Priorität. Beiden kommt elementare Bedeutung für die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung und die Zukunft unseres Berufsstandes zu.

Der neue Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler beabsichtigt eine Umstrukturierung des Gesundheitssystems. Zukünftig sollen etwa die Beitragszahler den gleichen Krankenkassenbeitrag zahlen – die sogenannte Kopfpauschale. Was halten Sie von dem Plan?

Die Diskussionen um Einheitsmedizin und Gesundheitsfonds werden leider ausschließlich unter ideologischen Gesichtspunkten geführt. Für den Erhalt der Stabilität muss dringend eine generelle Umorientierung erfolgen, die den demografischen Hintergrund und die medizinische Entwicklung berücksichtigt. Die Richtung bleibt derzeit leider noch offen, das mag mit den anstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen zusammenhängen.

Die geltende Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) soll „zum letzten Mal Geburtstag feiern“, so Ihre Forderung zur raschen Reform der inzwischen 22 Jahre alten Honorarordnung. Wann erwarten Sie die Neuauflage der Gebührenordnung?
 

Nach Abschluss der dafür notwendigen Verhandlungen,des angekündigten konstruktiven Dialogs. Es ist gut, dass die Politik grundsätzliche Gesprächsbereitschaft signalisiert. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass ich hier keine Fristen nenne. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich alle Beteiligten um eine rasche Lösung dieses Problems kümmern und wir im Laufe des Jahres zu einem Ergebnis kommen.

Wird eine Neuregelung der GOZ höhere finanzielle Belastungen für die Krankenkassen bzw. den einzelnen Patienten bedeuten?

Die Medizin und die Zahnmedizin haben in den vergangenen knapp zweieinhalb Jahrzehnten keinen Stillstand produziert. Da ist es geradezu logisch, dass auch der Leistungskatalog umfangreicher wird, um sich an die innovative Medizin anzugleichen. Eine Bewertung muss sich am betriebswirtschaftlichen Umfeld orientieren, um eine Praxis überhaupt wirtschaftlich stabilisieren zu können. Ob das eine höhere Belastung für die Kassen bedeutet, kann man so nicht abschätzen, da viele Leistungen heute schon nach Analogpositionen abgerechnet werden.

Die derzeitig gültige Approbationsordnung, nach der die Studenten ausgebildet werden,stammt aus dem Jahr 1955. Was sind Ihre wichtigsten Forderungen, die in einer Novellierung der Ordnung umgesetzt werden sollten?

Zunächst gilt es hier die Initiative von Bundesgesundheitsminister Rösler zu loben, der die Länder und hier die Kultusministerkonferenz zur Aufgabe der angestrebten Kostenneutralität aufgefordert hat. Grundsätzlich sollte die AO-Z eine verstärkte Angleichung des Studiums an die Medizin realisieren, ebenfalls nötig sind Implementierungen der in den letzten 55 Jahren erfolgten Innovationen in der Medizin und Zahnmedizin.

Was denken Sie: Wird das Staatsexamen als Studienabschluss erhalten bleiben?

Ja, und zwar unter strengster Beibehaltung der einstufigen Ausbildung mit dem Staatsexamen als Abschluss.

Anlässlich des Deutschen Zahnärztetages 2009 in München begrüßten Sie zusammen mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) das im Koalitionsvertrag bekräftigte Bekenntnis zur Freiberuflichkeit des Zahnarztes. Doch Lippenbekenntnisse reichen bekanntlich nicht aus. Wie wird sich die BZÄK als Vertretung der gesamten Zahnärzteschaft Normierungen und Reglementierungen sowie einer Vergewerblichung des Berufsstandes entgegenstellen?

Wir werden uns dem massiv entgegenstellen. Es handelt sich hier um eine professionsfremde Ökonomisierung, die dem Anspruch der Freiberuflichkeit und der damit verbundenen Verantwortung dem Patienten gegenüber diametral entgegenläuft. Befundung, Diagnose und Therapie sind originäre Aufgaben der zahnärztlichen Profession. Normierung, Standardisierung und damit einhergehende Schablonenmedizin vor dem Hintergrund mangelnder Ressourcen laufen dem berechtigten Anspruch des Patienten auf individuell abgestimmte Behandlung zuwider.

Wie beurteilen Sie die Zukunft der Kammern in einem wachsenden Europa? Welche Gefahren sehen Sie in der Intention Brüssels, in Europa ein einheitliches Gesundheitssystem einführen zu wollen?

Ein einheitliches Gesundheitssystem wird nicht den individuellen Gegebenheiten der Mitgliedsländer gerecht. Wir müssen in der nationalen Hoheit bleiben, um diese Gegebenheiten in den Ländern ebnen zu können. Die Kammern spielen dabei als Mittler zwischen Staat und Ärzten wie Zahnärzten eine wichtige Rolle.

Und eine Frage zum Schluss, Dr. Engel: Was wünschen Sie sich für die deutsche Zahnärzteschaft am meisten für das neue Jahr?

Einen konstruktiven Dialog mit der Politik, bei dem die Einsicht für die notwendigen Veränderungen größer sein muss als die ideologisch geprägten Wunschträume. Nur an der Realität ausgerichtet können wir gemeinsam Fortschritte im Sinne unserer freiberuflichen Profession erreichen.

Vielen Dank für das konstruktive Gespräch!

Die gesundheitspolitischen Positionen der Bundeszahnärztekammer sind in einem Positionspapier veröffentlicht worden und können unter www.bzaek.de eingesehen werden.

Quelle: J. Enders, Dental Tribune Deutschland für ZWP online, 07.02.2010


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