Branchenmeldungen 21.02.2011
Schmidt vorläufig auf Rückzug
Nach Tagen voller Kritik, Spott und Häme ziehen die SPD und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt Konsequenzen - zumindest ein bisschen, verbunden mit der Hoffnung, dass am Ende doch alles wird wie früher. Im «Kompetenzteam» von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wird Schmidt zunächst nicht vertreten sein. «Wir sind übereingekommen, dass sie solange nicht Mitglied dieses Teams sein wird, solange die Vorwürfe nicht vollständig aufgeklärt sind», sagte Steinmeier am Mittwochnachmittag am Rande der SPD-Klausur in Potsdam.
Damit vollzieht die SPD eine Kehrtwende. Immer lauterer Kritik zum Trotz hatten Schmidt und ihr Ministerium stets betont, alles sei in Ordnung. Nun sagte Steinmeier, die notwendigen Unterlagen seien dem Bundesrechnungshof zugegangen. Er hoffe, dass man sie dort sehr schnell prüfe.
Vor malerischer Kulisse am Inselhotel auf der Halbinsel Hermannswerder versuchte Steinmeier den Fehlstart in die heiße Wahlkampfphase mit Humor zu nehmen. «Mit dem Dienstwagen, das ist so eine Sache», hob Steinmeier an. «Eben auf dem Weg hierher ist tatsächlich unser Dienstwagen zusammengebrochen, mit Motorschaden.» Er lobte das «Regierungsteam», das am Donnerstag offiziell präsentiert werden soll, machte eine Kunstpause und kündigte dann «einige Sätze zu den Vorwürfen gegen die Gesundheitsministerin Frau Schmidt» an.
Ein bisschen hörte es sich an wie eine Würdigung zum Abschied, was der Außenminister über seine Kabinettskollegin zu sagen hatte: «Sie hat gestanden im Kampf gegen viele Lobbygruppen, die Reformen in diesem Bereich so unendlich schwer machen», sagte Steinmeier. «Das ist der Grund dafür, dass wir heute im Gesundheitswesen deutlich besser dastehen als noch vor einigen Jahren.» Dann näherte er sich dem entscheidenden Punkt: «Es gibt Vorwürfe rund um die Nutzung eines Dienstfahrzeugs, öffentliche Diskussionen darüber.»
Mit Schmidt habe er gesprochen - das Ergebnis ist der vorläufige Verzicht auf die Rolle in dem Team. Das schließt freilich nicht aus, dass die 60-Jährige doch noch in das SPD-Team nachrückt. Aufmerken ließ allerdings die Tatsache, dass die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carola Reimann, in Potsdam dabei war. Beobachter spekulierten darüber, ob sie Schmidts Platz in dem Team einnehmen könnte.
Noch zwei Tage zuvor hatte die Ministerin die Aufregung um ihren Dienstwagen als «Theater im Sommerloch» bewertet. «Es gibt keinen Skandal. Denn es ist wirtschaftlicher, wenn ich meinen Dienstfahrzeug nutze, als einen Dienstwagen inklusive Fahrer hier zu mieten», sagte Schmidt. Doch scheibchenweise kamen immer neue Begründungen und das eine oder andere Detail ans Licht. Fakt ist: Schmidt ließ ihren Fahrer den Dienst-Mercedes in ihren Urlaubsort Denia an der spanischen Costa Blanca bringen. Als der Wagen geklaut wurde, kam die Geschichte ins Rollen.
Formal schien an Schmidts Verhalten bis zuletzt nichts zu beanstanden zu sein. Ein Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien war Schmidt nicht nachzuweisen. Und auch die Summen, die angeblich durch die Fahrt des Autos nach Spanien verschwendet worden sein sollen, wurden selbst von Kritikern im Grunde als «Peanuts» eingestuft.
Doch die Vielzahl der nach und nach gelieferten Begründungen für die Dienstauto-Benutzung erschien unglücklich. Zwei kleinere dienstliche Termine wurden ins Feld geführt. Allerdings habe Schmidt als Ministerin jedes Recht auf auch private Dienstauto-Nutzung, sagte dann ihre Sprecherin. Dies sei wirtschaftlicher, als vor Ort einen entsprechenden Wagen zu mieten - allerdings bezifferte ihr Ressort die Kosten zunächst auf 500 Euro, dann auf 3200 Euro. Schmidts Staatssekretär begründete den Einsatz des Dienstfahrzeugs in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zudem mit dem Hinweis, damit sei die für die Ministerin notwendige «Büromindestausstattung» an den Urlaubsort transportiert worden.
Schmidt ist Ärger gewohnt. In den acht Jahren ihrer bisherigen Amtszeit als Gesundheitsministerin schaltete sie in brenzligen Situationen stets am liebsten auf Offensive. Ob ihr das nach dem Teilrückzug weiter gelingt, bleibt zunächst offen.
Quelle: dpa, 29.07.2009
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