Branchenmeldungen 21.02.2011

Sind Dentallabore von der Industrie bedroht?

Sind Dentallabore von der Industrie bedroht?

Foto: © VDZI

Spätestens die IDS 2009 hat gezeigt, dass zahlreiche industrielle Lösungen zur Zahnersatzfertigung direkt in Zahnarztpraxen ansetzen. Gewerbliche Labore fragen sich vermehrt, ob ihre Position auf dem Dentalmarkt bedroht ist.

„Sowohl das Spielfeld, als auch die Spielregeln ändern sich.“ Mit diesen Worten hatte Christoph Weiss, Geschäftsführer der Bremer Goldschlägerei Wilh. Herbst GmbH & Co. KG (BEGO), im vergangenen Jahr die Zukunft einer digitalisierten Zahnheilkunde beschrieben. Teilen des Zahntechntechniker-Handwerks schwante dabei Böses. Aktuell befürchten Dentallabore deutschlandweit, dass Vertreter der Dentalindustrie moderne Arbeitsverfahren wie die CAD/CAM-Technologie oder das Lasersintern dazu nutzen, die Fertigung von Zahnersatz in großem Stil aus freien gewerblichen Laboren abzuziehen und zwischen Zahnärzten und sich selbst aufzuteilen. Nicht nur der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) rechnet damit, dass zwischen Industrie und Laboren künftig eine direkte Konkurrenz entsteht. „Wir verfolgen mit großer Sorge, dass die Industrie vermehrt Kontakt zu den Zahnärzten sucht und dabei die Labore umgeht, um dort zahntechnische Produkte zu verkaufen und zu platzieren“, sagt Jürgen Schwichtenberg, Präsident des VDZI. „Zudem stellen wir verstärkt fest, dass gefräste oder im Lasersinter-Verfahren hergestellte Produkte durch die Industrie so angeboten werden, dass die Fräsmaschinen, die die Industrie zuvor den Laboren verkauft hat, wirtschaftlich unrentabel werden.“

Unterschiedliche Wahrnehmung
Dem Verband der deutschen Dental-Industrie e.V. (VDDI) sind solche Sorgen derweil nicht bekannt. Pressesprecher Burkhard Sticklies lässt die Frage, ob die Dentalindustrie in Zukunft ein Wettbewerber der Dentallabore darstellen werde, unbeantwortet: „Das betrifft eher die Markentscheidung einzelner Unternehmen. Der VDDI versteht sich als Vertreter der Gemeinschaft und in der lassen sich solche Tendenzen nicht erkennen.“ An anderer Stelle hört man klarere Worte. Alexander Hack, Marketingleiter der BEGO-Firmengruppe, sieht den Platz der Zahntechnik in der dentalen Fertigungskette auch in den kommenden Jahren nicht gefährdet. „Wir sehen nicht, dass die Zahntechnik zum Untergang verdammt ist. Ganz im Gegenteil. Der Berufsstand des Zahntechnikers wird von uns auf keinen Fall in Frage gestellt, auch wenn sein Berufsbild sich mit dem aktuellen Wandel zweifelsohne weiter verändert.“

Doch in Anbetracht drohender Umsatzeinbusen und gefährdeter Arbeitsplätze hat sich ein gewisser Argwohn bei den Betrieben breit gemacht. Neben BEGO stehen beispielsweise Firmen wie DeguDent, Wieland oder 3M ESPE unter kritischer Beobachtung verschiedener Laborinhaber. „Firmen, die heute schon weit reichende Geschäfte mit Zahnarztpraxen machen, die werden sich wohl tatsächlich immer weniger um Labore kümmern“, sagt Dominik Kruchen, Laborinhaber und Obermeister der Zahntechniker-Innung Düsseldorf. Es gäbe Firmen, die sich an Universitäten direkt an kommende Zahnärzte wenden würden und diesen Möglichkeiten für eine Partnerschaft aufzeigten, in denen das selbstständige Dentallabor keine Rolle spiele. Ein Urteil über die gesamte Dentalindustrie sei damit jedoch nicht verbunden. So rät Uwe Bußmeier, Obermeister der Zahntechniker-Innung Münster, zu einer differenzierten Sicht auf die Dinge. „Ich habe einige Zweifel an dieser These. Viele Firmen sind sicher auch weiterhin an einer engen Zusammenarbeit mit den Laboren interessiert.“

Ende der goldenen Zeiten?
Wenig zweifelhaft scheint die Ursache für das Konzept einiger Dentalfirmen. Als ein entscheidender Faktor wird der drastische Rückgang an Zahnversorgungen aus Edelmetall genannt. „Dadurch sind etliche Unternehmen stark unter Druck geraten“, berichtet Sven Davidsmeyer, stellvertretender Obermeister der Innung Bremen. „Bis vor zwei Jahren war das für die Scheideanstalten ein rentables Geschäft. Mittlerweile wird fast 80 Prozent aus NEM hergestellt. Die Firmen haben dann versucht, diese Margen mit Keramik aufzufüllen.“

Forderung nach neuer Orientierung
Ungeachtet dessen, wieso welche Firma sich wie verhalte, hat die Suche nach dem Ausweg aus der Krise, die noch nicht einmal richtig präsent ist, längst begonnen. Dabei fallen immer wieder zwei Schlagwörter – Kooperation und Umstrukturierung. „In verschiedenen Innungen gibt es bereits Kooperationsbörsen für CAD/CAM gefertigte Zahnersatzleistungen. Die Innungen als aktiver Teil des Systems Zahntechniker-Handwerk zeigen, wie man das Problem lösen kann“, sagt Schwichtenberg. Zudem wird sich der Aufgabenbereich der Labore verändern. „Vor allem bei der implantatprothetischen Versorgung wird der Bedarf an intensiver Beratung vor Ort bestimmt noch anwachsen“, erwartet Hack. Dass sei eine Möglichkeit der Labore, ihren Platz im Markt dauerhaft zu stärken. Solche Dienstleistungen seien individuell und anspruchsvoll und müssten sicher in Zukunft auch honoriert werden.
Ähnlich denkt Laborinhaber Davidsmeyer, der den Fokus auf den steigenden Anteil an Kunststoffarbeiten und Reparaturen lenkt. „Wir müssen den Reparaturenbereich zu einem Profitcenter innerhalb des Betriebes entwickeln, um auch damit Geld verdienen zu können.“

Sensibles Gut in Gefahr?
Das Problem noch nicht ausgewachsen, die Lösungsansätze schon in der Schublade – also alles halb so wild? Eher weniger, denn ein viel abstrakteres aber kaum unwichtigeres Detail als der Laborumsatz hat bereits beträchtlichen Schaden genommen. Das fast traditionelle Vertrauensverhältnis zwischen Industrie und Laboren hat unüberhörbar gelitten. Auch Hack nimmt erste Ansätze davon wahr: „Im Kontakt mit Laborinhabern bemerken wir schon auch mal eine Unsicherheit, ob die Industrie auch weiterhin als Partner angesehen wird.“ Deutlich verschärfter ist dagegen die Wahrnehmung seitens des VDZI. „Das Verhältnis ist nicht nur gefährdet, es ist sogar gestört“, erklärt Schwichtenberg. Die Gespräche mit der Industrie müssten in nächster Zeit dazu führen, dieses Gefühl wieder zu entkräften.



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