Branchenmeldungen 19.09.2023
Bewusster Agieren für mehr Nachhaltigkeit in der Endodontie
Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Menschen allgemein, seit einiger Zeit die Zahnheilkunde ganz besonders. So hat Dentsply Sirona als Hersteller von Dentalprodukten vor zwei Jahren eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie unter dem Namen „BEYOND“ veröffentlicht. Welche Verbindung dies zur Endodontie hat, erklärt Dr. Luca Moranzoni aus Bath im Vereinigten Königreich. Er arbeitet dort als Endo-Spezialist in der Praxisklinik „Circus Dental“, ist ein erfahrener Referent auf Kongressen und Ausbilder in Endo-Kursen.
Dr. Moranzoni, Nachhaltigkeit beschäftigt Zahnärzte sowohl privat als auch beruflich. Was bedeutet nachhaltige Zahnmedizin für Sie persönlich?
Sie sprechen damit ein großes Thema an. Mir geht es darum, umweltfreundlich und sozial verantwortlich zu arbeiten. Das sind die Schlüsselwörter, die für mich Nachhaltigkeit definieren. Ich glaube, dass wir als Zahnärzte uns zunehmend bewusst werden, was wir produzieren und wie sich unser Tun auf alles um uns herum auswirkt. Als Praxisinhaber weiß ich, dass ich die Gesellschaft beeinflussen kann. Wir sind ein Team aus acht Chirurgen und weiteren 45 Mitarbeitern. Unser Einfluss ist also ziemlich groß. Für uns ist Nachhaltigkeit relevant und wichtig, und wir entdecken praktisch täglich neue Dinge auf dieser Reise.
Inwieweit spielt die Nachhaltigkeit in der Endodontie eine Rolle? Ist es anders als in anderen Disziplinen?
Die Zahnheilkunde als Ganzes produziert eine Menge Materialien, die verpackt werden müssen. Das ist ein sehr wichtiger Faktor, über den wir u. a. auch mit Dentsply Sirona schon gesprochen haben: Gerade in der Endodontie haben wir es bei den Feilen mit sehr kleinen Produkten zu tun, die teilweise einzeln verpackt werden. Wenn Sie eine Behandlung planen, fällt auf, wie viel Plastik dabei anfällt, und wir fragen uns immer häufiger: Muss das sein? Sicherlich arbeiten wir auch unter außergewöhnlichen Bedingungen – wir brauchen hygienisch einwandfreie Instrumente. Doch die Frage ist, was können wir hier im Sinne der Umweltfreundlichkeit besser machen? Wir werden uns dessen aber immer mehr bewusst und sind mit Herstellern im Gespräch. So fängt es an.
Das Bewusstmachen ist ein erster Schritt, nicht wahr?
Ganz genau. Und wir schauen uns nicht nur diese eine Behandlungsart, sondern die gesamten Praxisabläufe an. Welche Materialien sind recycelfähig, wo können wir weniger stromintensiv arbeiten? Wir haben beispielsweise die Beleuchtung komplett auf LED umgestellt und Bewegungsmelder und eine Umkehrosmoseanlage, die das Wasser bei der Verwendung an unseren Behandlungseinheiten effektiv aufbereitet, eingebaut. Oder denken Sie an das Thema Röntgen: Die Umstellung auf digitale Bildgebung schon vor Jahren war ein großer Schritt in Sachen Nachhaltigkeit. Überhaupt die Digitalisierung. Scannen statt konventionell abzuformen, spart viel Material. Es ist eben die Summe der vielen kleinen Schritte, die zusammen eine Wirkung zeigen.
Aus einer weltweiten Studie, die Dentsply Sirona letztes Jahr durchgeführt hat, wissen wir, dass Zahnärzte daran interessiert sind, ihre Praxen nachhaltiger zu gestalten. Aber sehr oft wissen sie einfach nicht, wie. Was wären die ersten Schritte, die Sie empfehlen würden?
Ja, wir alle haben gute Absichten und brauchen Unterstützung, um alle nötigen Informationen zu bekommen. Ich interessiere mich sehr dafür und habe mir bereits das erste Modul des Nachhaltigkeits-Curriculums von Dentsply Sirona angesehen. In unserer Praxis haben wir ein monatliches Treffen eingerichtet, auf dem wir gemeinsam schauen, was wir besser machen können. Wir haben eine Person benannt, die sich ganz besonders dafür verantwortlich fühlt, dass wir als Praxis „grüner“ werden. Ich fände es toll, wenn die Unternehmen in der Branche in diesem Punkt noch mehr unterstützen könnten, aber wir sind bereits auf einem sehr guten Weg.
Sie haben bereits beschrieben, wie weit Sie in Ihrer Zahnarztpraxis gekommen sind. Was sind Ihre nächsten Ziele?
Wir wollen täglich ein kleines Stück vorankommen. Ich beobachte gespannt, welche Innovationen es bei Unternehmen gibt, um Verpackungen zu sparen oder sie aus Materialien herzustellen, die biologisch abbaubar sind. Und dann schauen wir bei uns in der Praxis, wie wir uns noch umweltfreundlicher verhalten können, etwa durch Fahrgemeinschaften, um zur Arbeit zu kommen, mehr Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen – wir sind da wirklich sehr motiviert.
Sie haben es indirekt schon angesprochen: Fahrtwege zu reduzieren kann ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit sein. Wie sieht das auf Patientenseite aus? Wie verändert sich die Zahnheilkunde, wenn Patienten nicht mehr so oft in die Praxis kommen wollen und vielleicht aufgrund besserer Prävention auch gar nicht müssen?
Interessante Frage, die uns seit COVID-19 auch sehr beschäftigt. Für eine Behandlung können wir auf den persönlichen Kontakt nicht verzichten, ich brauche den Patienten auf dem Stuhl. Aber es spricht einiges dafür, die Erstkonsultation und Beratung, gerade bei Überweiser-Praxen, über eine digitale Plattform durchzuführen. Es wird interessant sein, die Entwicklung an dieser Stelle weiter zu beobachten.
Dieses Interview ist unter dem Originaltiel: „Überlegter und bewusster Agieren für mehr Nachhaltigkeit in der Endodontie“ im EJ Endodontie Journal erschienen.
Autorin: Britt Salewski