Branchenmeldungen 21.02.2011
Umstrittener Kunststoff Bisphenol A
Vorsichtige Entwarnung für Dentalkunststoffe
Die Debatte um den umstrittenen Kunststoff Bisphenol A (Bis-A) erreicht jetzt auch die Zahnmedizin: Speichelenzyme lösen das Bis-A aus manchen Dentalkunststoffen (sog. Kompositen) – während der Füllungstherapie und bis zu vier Stunden danach. Dies berichtet der wissenschaftliche Informationsdienst „Zahnmedizin Report“ in seiner Oktober-Ausgabe. Die Vorteile dieser Dentalkunststoffe wiegen die Aufnahme von Bis-A zwar auf, Füllungen mit Bis-A-haltigen Kunststoffen sollten während einer Schwangerschaft aber nicht appliziert werden, fordern Wissenschaftler.
Schädigende Wirkung von Bisphenol-A auf heranwachsendes Leben?
Bisphenol-A und andere verwandte Moleküle stehen unter anderem im Verdacht, eine schädigende Wirkung auf das heranwachsende Leben hervorzurufen. Es sind hormonähnliche Effekte bekannt: Die Chemikalie hat Wirkungen wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Nach dem Verbot der Chemikalie in einigen Ländern wie Kanada und Dänemark und einer Warnung des Umweltbundesamtes über mögliche Gesundheitsschäden fordern Umweltverbände ein Verbot der Chemikalie bei Produkten, mit denen Babies und Kleinkinder in Kontakt kommen können.
Wenn auch in einigen Dental-Kompositen nur Derivate, vor allem Bis- GMA und Bis-DMA eingesetzt werden, sind Spuren von Bis-A doch drei Stunden nach dem Legen einer Füllung im Mund nachweisbar. Das schreiben Wissenschaftler der Harvard University, die toxikologische Daten der vergangenen zehn Jahre untersuchten, um die Verwendung von bisphenolhaltigen Dentalwerkstoffen bei Kindern zu untersuchen.
Die US-Wissenschaftler geben vorsichtige Entwarnung: Zahnärzte können Komposite weiterhin verwenden. Die überwältigenden Vorteile dieser Dentalkunststoffe wiegen die Aufnahme von Bis-A auf, urteilen sie. Sie raten Zahnärzten aber, besser Komposite mit dem Inhaltsstoff Bis-GMA zu verwenden, das wohl schlechter vom Speichel gelöst wird und weniger östrogene Effekte aufweist als Bis-DMA. Als weitere Vorsichtsmaßnahme drängen die US-Forscher darauf, dass Kunststoffe auf Basis von Bis-A während der Schwangerschaft nicht appliziert werden sollen.[1] Ähnlich hatte der Regensburger Wissenschaftler Prof. Dr. Gottfried Schmalz auf dem renommierten AADR-Kongress 2010 in Washington D.C. argumentiert: Seiner Meinung nach ist das Risiko durch Bisphenol in der Zahnmedizin nach heutigem Erkenntnisstand akzeptabel. [2] Trotzdem sollten die Hersteller besser über die chemischen Strukturen informieren und nach Alternativen suchen. Türkische Wissenschaftler hatten bereits im Jahr 2008 bei einer Analyse von Kompositen zahlreiche undeklarierte Inhaltsstoffe gefunden. [3]
Quelle: Zahnmedizin Report 10/2010 - www.zahnmedizin-report.de
[1] A F Fleisch et al.: Bisphenol A and Related Compounds in Dental
Materials. Pediatrics (2010), online veröffentlicht 6. September 2010
[2] G Schmalz: Bisphenol A in Dentistry – an Unacceptable Biological Risk? AADR Annual Meeting, Washington D.C., 3.-6. März 2010
[3] Zahlreiche nicht dokumentierte Acrylate und Rückstände in Kompositen. Zahnmedizin Report Nr. 11/2008, S. 2