Branchenmeldungen 15.05.2013

„Uns geht es um eine neue ­Denkrichtung in der Zahnmedizin“

Dr. Tomas Lang, Vizepräsident DGmikro, über Ziele und Aufgaben der Gesellschaft, die Bedeutung der Mikroskopzahnheilkunde und über Themen des 2. Symposiums.

Die Deutsche Gesellschaft für mikroin­vasive Zahnmedizin (DGmikro) ist eine Gemeinschaft von qualitätsorientierten Zahnärzten, die in ihren Praxen die ­Vorteile eines Dentalmikroskopes zu schätzen gelernt haben. Dr. Lang, warum sind Dentalmikro­skope heute aus einer qualitätsorientierten Praxis nicht mehr wegzudenken?

In der Zahnmedizin beobachten wir eine ähnliche Entwicklung wie Mitte des letzten Jahrhunderts in der HNO, der Augenheilkunde und später der Neurochirurgie. In allen diesen Fachgebieten war das Operationsmikroskop zunächst bei wenigen Operateuren im Einsatz. Durch den Einsatz wurden Operationstechniken entwickelt, welche ohne dieses Hilfsmittel undenkbar gewesen wären. Hieraus entwickelte sich die Disziplin der Mikrochirurgie. Diese ist aus der minimalinvasiven Chirurgie hervorgegangen. In der Zahnmedizin können wir durch mikroinvasive Operationstechniken Zahnhartsubstanz erhalten und Eingriffe gewebeschonend mit geringen Risiken und kurzen Heilzeiten realisieren.

Welche therapeutischen Möglichkeiten eröffnet das Dentalmikroskop?

Vor einer Therapie steht die Diagnose. Bereits hier ist das Operations­mikroskop sehr hilfreich. Es erlaubt eine schattenfreie Ausleuchtung unter gleichzeitiger Vergrößerung, z.B. von Approximalräumen oder Zahnfissuren. Des Weiteren ermöglicht es eine sehr detaillierte Kontrolle von Restaurationsrändern, oder bei der Diagnose von feinen Rissen in der Zahnhartsubstanz.  Ist die Indikation zur Therapie ­gestellt, dient es als ein wichtiges Hilfsmittel z.B. bei der Kariestherapie, hier ist u.a. die Tunnelpräparation zu nennen. Auch beim Auffinden ­zusätzlicher Wurzelkanäle im Rahmen einer endodontischen Therapie, insbesondere wenn nur auf kleinstem Raum gearbeitet werden kann, wie das z.B. bei mehrwurzeligen Prämolaren der Fall ist, ist das Operationsmikroskop ­es­senziell und nicht mehr wegzudenken.

Gibt es darüber hinaus weitere zahn­medizinische Disziplinen, in denen das Dentalmikroskop Vorteile für Anwender und Patienten bietet?

Wichtig zu nennen sind hier die ­chirurgischen Disziplinen: Bei Wurzelspitzenresektionen können bei der retrograden Kanalaufbereitung bessere Ergeb­nisse erzielt werden als ohne den Einsatz des Mikroskops. Dies ist aktuell durch eine Metaanalyse auf hohem Evidenzgrad wissenschaftlich abgesichert worden. Auch in der Implantologie ist die Operationstechnik des Mikro-Sinuslifts entstanden, mit deutlich geringerem Trauma für den Patienten.

Wann und mit welchem Ziel wurde die Deutsche Gesellschaft für mikroinvasi­ve Zahnmedizin (DGmikro) gegründet?

Die DGmikro wurde 2009 gegründet. Zunächst als Gesellschaft für mikroskopische Zahnheilkunde e.V. In 2012 ­erkannten wir, dass wir den Gedanken weiterfassen sollten und haben die Gesellschaft in die Deutsche Gesellschaft für mikroinvasive Zahnmedizin e.V. umbenannt. Hiermit wollten wir signalisieren, dass es uns nicht nur um die Anwendung des Operationsmikroskops als reines Hilfsmittel, sondern um eine neue Denkrichtung in der Zahnmedizin geht.

Gibt es einen Austausch von Mikroskopanwendern in Europa, beispielsweise mit der European Society of ­Microscope Dentistry (ESMD)?

Die DGmikro ist mit internationalen Fachgesellschaften, die ähnliche Ziele verfolgen, verbunden. So haben wir 2012 zusammen mit der ESMD eine gemeinsame Tagung in Berlin organisiert. Auch zur sehr ­aktiven tschechischen Gesellschaft ProMikro o.s. sind wir in engem Kon­takt und planen gemeinsame zukünf­tige ­Aktivitäten. Und schließlich laufen Gespräche mit der Academy of Microscope ­Enhanced Dentistry (AMED),  USA, über mögliche zukünftige Kooperationen.

Welchen Stellenwert haben Vergrößerungshilfen in der Zahnmedizin in Deutschland?

Der Stellenwert wird immer höher. In den letzten Jahren sind die Verkaufs­zahlen von OP-Mikroskopen deutlich angestiegen. Ältere Kollegen, welche ohne Sehhilfen gearbeitet haben, schließen ihre Praxen. Junge Kollegen, welche schon währen des Studiums die Vorteile der optischen Vergrößerungshilfen wahrgenommen haben, rücken nach. Ich habe mich als Lehrbeauftragter bereits vor 14 Jahren dafür eingesetzt, dass ­Studierende ab dem 2. Semester eine Lu­penbrille verpflichtend besitzen müssen. Die ersten Erfahrungen mit Operationsmikroskopen sammelten meine Studenten bereits im Rahmen der vorklinischen Ausbildung in den ersten Semestern.

Die Zahnheilkunde hat sich in den letzten Jahren verändert. Minimalinvasive Behandlungen erfordern neben speziellen Fertigkeiten und Ausstattungen eine gewisse Art von Vergrößerung, um einen hohen Behandlungsstandard zu erreichen. Wird es in Zukunft notwendig sein, die Lupe oder ein Mi­kroskop zu verwenden, um ein erfolgreicher Zahnarzt in Europa zu sein?

Das kommt darauf an, wie man ­Erfolg definiert. Wenn Erfolg bedeutet, Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und mit geringen operativen Risiken langlebig und gewebeschonend zu behandeln, dann würde ich bereits zur jet­zigen Zeit feststellen, dass ein Operateur, welcher generell ohne optische Hilfsmittel ar­beitet, die Entwicklung der letzten 10 bis 20 Jahre in der Zahnmedizin nicht wahrgenommen hat und seinen Beruf nicht auf der Höhe der Zeit ausübt.

Vom 27. bis 28. September 2013 findet an der Universität Witten/Herdecke das 2. DGmikro Symposium statt. Welche Voraussetzungen sollte ein Zahnarzt mitbringen, um  von diesem Symposium zu profitieren?

Wir haben das Programm bewusst so gestaltet, dass sowohl Zahnärzte mit ­einem breiten Therapiespektrum ohne Erfahrung mit dem Operationsmi­kroskop von der Teilnahme profitieren. Zahnärzte, welche bereits Operationsmikroskope einsetzen, werden ein Update erfahren und durch den kollegialen Austausch viel Tipps, Details und Kniffe mitnehmen. Wir werden am Freitag einige Workshops anbieten und am Samstag Vorträge von internationalen Experten aus den unterschiedlichen Disziplinen der Zahnmedizin hören.

Welche Referenten werden zu welchen Hauptthemen sprechen?

Bei den internationalen Referenten freuen wir uns sehr über die Beiträge von Prof. Peter Kotschy, Wien, welcher mit seiner mikroinvasiven Strahltechnik außerordentliche Pionierarbeit sowohl in der restaurativen Zahnmedizin als auch der Parodontologie geleistet hat. Mit Dr. Maxim Belograd, Ukraine, haben wir einen zweiten international anerkannten Referenten, welcher über sehr viel praktische Erfahrung mit mikro­invasiven Zugangskavitäten im Rahmen von endodontischen Therapien verfügt. Ein weiteres Highlight dürfte der Vortrag von Giovanni Olivi aus Rom zur Laseranwendung  unter dem OPM sein. Natürlich haben wir weitere Re­ferenten, wie Prof. Peter Gängler, ­Witten/Herdecke, Patrick Kleemann, Dinslaken, und Marc Semper, Köln, ­eingeladen. Das ausführliche Programm können  Interessierte über die Vereinshomepage www.dgmikro.de herunterladen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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