Branchenmeldungen 24.03.2016
Vorbeugen statt Bohren: Zahnärzte als Coaches für Zahngesundheit
Länderübergreifender Forschungsverbund soll europaweit zahnärztliche Versorgung verbessern
Derzeit liegt der Fokus der zahnärztlichen Versorgung vor allem darauf,
geschädigte Zähne zu reparieren oder die Patienten mit entsprechendem
Zahnersatz zu versorgen. Das soll sich nun ändern: Ein internationaler
Forschungsverbund, der von der Europäischen Union ins Leben gerufen
wurde und vier Jahre lang mit insgesamt sechs Millionen Euro gefördert
wird, soll neue Konzepte der zahnärztlichen Versorgung entwickeln, die
in erster Linie den Erhalt der Mundgesundheit durch Prävention zum Ziel
haben. Wissenschaftler der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde des
Universitätsklinikums Heidelberg werten dazu Routinedaten der
zahnärztlichen Versorgung aus sechs europäischen Ländern dahingehend
aus, wie effektiv die zahnärztliche Versorgung in Europa momentan ist,
welche Ansätze zu mehr Prävention es gibt, wie sie sich bewähren und
anhand welcher Indikatoren sich die Qualität der zahnärztlichen
Versorgung beurteilen lässt. Insgesamt beteiligen sich an dem EU-Projekt
ADVOCATE (Added Value for Oral Care) elf Kooperationspartner aus sechs
europäischen Ländern.
Zahnbehandlungen verursachen nach aktuellen Schätzungen europaweit
Kosten von rund 79 Milliarden Euro pro Jahr. Mit geeigneten
Vorsorgemaßnahmen wäre ein Großteil der Erkrankungen jedoch weitgehend
vermeidbar. „Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählen Erkrankungen
im Zahn-, Mund- und Kieferbereich und dabei insbesondere Karies weltweit
zu den häufigsten chronischen Erkrankungen – dagegen wollen wir
angehen“, so Privatdozent Dr. Dr. Stefan Listl, Projektleiter am
Universitätsklinikum Heidelberg „Unser Verbundprojekt ADVOCATE hat zum
Ziel, die Prävention in der zahnärztlichen Praxis systematisch zu
fördern und so die Mundgesundheit in Europa nachweislich zu verbessern.
Die zahnärztliche Versorgung in Europa ist hervorragend, aber es gibt
noch Verbesserungspotentiale im Bereich von Gesundheitsförderung und
Prävention.”
In den nächsten vier Jahren werden die Wissenschaftler anonymisierte
Patientendaten aus mehreren europäischen Ländern auswerten. Dabei
entwickeln sie zunächst Indikatoren, mit denen zukünftig Zahnärzte und
ganze Gesundheitssysteme in Bezug auf ihre Vorsorgeleistung hin bewertet
werden können. Diese Indikatoren sollen ein Maß dafür sein, wie gut es
gelingt, die Mund- und Zahngesundheit der Patienten möglichst lange zu
erhalten. „Wir hoffen, dass dies sowohl einzelnen Praxen als auch den
Gesundheitssystemen der Länder einen Anreiz bietet, sich kontinuierlich
zu verbessern, und eine Bewegung hin zu einer mehr präventiv
ausgerichteten zahnärztlichen Versorgung in Gang setzt“, sagt der
Heidelberger Zahnmediziner. Ebenfalls berücksichtigt werden
Einschätzungen von Patienten zu ihrer jeweiligen Behandlung.
Das EU-Projekt wird von der Universität Leeds, Großbritannien, in
Zusammenarbeit mit dem Academic Center for Dentistry Amsterdam,
Niederlande und der Heidelberger Poliklinik für Zahnerhaltungskunde
geleitet. An ADVOCATE beteiligen sich insgesamt sechs Universitäten und
neun Versicherungen aus England, Deutschland, den Niederlanden, Irland,
Dänemark und Ungarn. „Dieses Verbundprojekt ist ein Paradebeispiel für
die Zusammenarbeit von Universitäten, dem öffentlichen und dem privaten
Sektor, mit dem Ziel, die Zahngesundheit eines gesamten Kontinents zu
verbessern. Wir hoffen, damit einen Impuls zur Verbesserung von
Gesundheitssystemen weltweit geben zu können“, sagt Projektkoordinatorin
Professor Dr. Helen Whelton, Dekanin der Leeds Dental School an der
Universität Leeds.
Quelle: Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg