Branchenmeldungen 17.10.2008

Warum bekommen Frauen häufiger Karies als Männer?

Warum bekommen Frauen häufiger Karies als Männer?

Foto: © Shutterstock.com

 

Anthropologe John Lukacs beschäftigt sich mit historischen Aufzeichnungen, findet Verbindungen zu Fruchtbarkeit, Hormonen und Fortpflanzungsverhalten

 

Die Notwendigkeit sich fortzupflanzen und die steigende Fruchtbarkeit erklären, weshalb die Zahngesundheit bei Frauen rapider abgenommen hat als bei Männern. Die Entwicklung vom Jäger- und Sammlertum zu bäuerlichem Leben und Sesshaftigkeit spielen nach Meinung des Anthropologen der University of Oregon eine entscheidende Rolle.

 

Die Erkenntnis basiert auf umfassender Prüfung von Dokumentationen über die Häufigkeit dentaler Kavitäten in sowohl prähistorischen wie auch in der heute lebenden Bevölkerung, welche aus der ganzen Welt zusammengetragen wurden. Ein wichtiger Faktor war die starke Veränderung der weiblichen Hormone, berichtet John R. Lukacs, Professor für Anthropologie, spezialisiert auf Zähne, Skelett und Ernährung.

 

Seine Erkenntnisse wurden in der Oktober-Ausgabe von „Current Anthropology“ veröffentlicht. Die Studie prüfte die geschlechtsspezifische Häufigkeit von Karies und zeigte, dass Frauen eine mangelhaftere Zahngesundheit aufweisen als Männer. Laut Lukacs deuten zwei weitere in diesem Jahr veröffentlichte klinische Studien auf die gleichen Schlussfolgerungen hin und könnten den Prozess erklären, auf den die biologischen Unterschiede zurückzuführen sind.

 

Die veränderte Ernährungssituation durch die landwirtschaftliche Entwicklung wurde mit einem Anstieg von Karies in Verbindung gebracht. Anthropologen führen die Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Zahngesundheit auf geschlechtsspezifische Verhaltensmuster zurück, einschließlich unterschiedlicher Arbeitsverteilung und bevorzugter Ernährung.

 

„Der Einfluss geschlechtsspezifischer Faktoren wurde von Anthropologen bestritten, allerdings gestehen sie dem hier dargestellten Modell große Bedeutung zu, denn die Einführung der Landwirtschaft ist verbunden mit Sesshaftigkeit und somit gesteigerter Fruchtbarkeit“, sagt Lukacs. „Die Ausweitung der Landwirtschaft förderte die Fruchtbarkeit der Frauen und auch den negativen Einfluss der veränderten Ernährung auf deren Mundgesundheit. Die Kombination aus gesteigerter Fruchtbarkeit, veränderter Ernährungsweise und anderer Arbeitsbedingungen während des Aufkommens der Landwirtschaft begründet die erhöhte Kariesrate bei Frauen bis in die heutige Zeit.“

 

Lukacs' Metaanalyse bezieht sowohl frühgeschichtliche anthropologische als auch aktuelle gesundheitliche Aufzeichnungen ein. Wiederholt zeigte sich der Anstieg von Karies hauptsächlich bei erwachsenen Frauen. Lukacs' Forschungen ergaben, dass die höhere Kariesrate von Frauen hauptsächlich auf drei Faktoren zurückzuführen ist:

 

  • Weibliche Geschlechtshormone. In einer eigenen Studie von 2006 stellte Lukacs fest, dass diese Hormone und die mit ihnen verbundenen physiologischen Faktoren das Aufkommen von Karies signifikant beeinflussen können. Eine bereits 1954 veröffentlichte Studie mit Tieren zeigte, dass das weibliche Östrogen, nicht aber das männliche Androgen, mit dem Auftreten von Karies verbunden ist. Laut Lukacs stimmen die Erkenntnisse darin überein, dass sowohl veränderte Ernährungsgewohnheiten als auch eine vermehrte Östrogenproduktion, besonders während Pubertät und Schwangerschaft, Karies fördernd wirken.
  • Die biochemische Zusammensetzung und Menge des Speichels. Frauen produzieren weniger Speichel als Männer. Speichel trägt dazu bei, Nahrungsreste von den Zähnen zu entfernen. Während einer Schwangerschaft verändert sich die chemische Zusammensetzung des Speichels und seine antimikrobielle Wirkung wird herabgesetzt.
  • Gesteigerter Appetit, Immunabwehr und Abneigungen gegen bestimmte Nahrung während Schwangerschaften. Viele Frauen bevorzugen während der ersten drei Monate energiereiche süße Nahrungsmittel und haben eine Abneigung gegen Fleisch.

 

Nach Lukacs’ Ansicht sind die Zusammenhänge der Faktoren bezüglich eines höheren Kariesrisikos während des Älterwerdens bei Frauen noch nicht vollständig dokumentiert oder verstanden. „Wenn allerdings hormonelle und physiologische Faktoren unabhängig voneinander oder gemeinsam arbeiten, könnte ihr Einfluss auf die weibliche Mundgesundheit bedeutend sein. Die Tatsache, dass Karies bei Frauen im Alter stärker ansteigt als bei Männern, zeigt sich in verschiedenen ethischen Gruppierungen mit verschiedenen ökologischen und kulturellen Hintergründen und unterstützt somit diese Interpretation.“

 

Quelle: University of Oregon, John R. Lukacs, Professor der Anthropologie, College of Arts and Sciences, 17.10.2008


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