Branchenmeldungen 28.02.2011
Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise auf deutsche Zahnarztpraxen aus?
In der Maiausgabe 2009 der ZWP hat sich Prof. Dr.-Ing. Thomas Sander erstmalig mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf deutsche Zahnarztpraxen auseinandergesetzt. Im Februar 2010 wurde eine erneute Bestandsaufnahme durchgeführt und die Stimmungslage in den Praxen erfragt. Das „Konjunkturbarometer“ zeigt, dass die deutschen Zahnärzte (noch) nicht in der Krise angekommen sind und darüber hinaus auch für 2010 keine Einschnitte erwartet werden.
Im Frühjahr 2009 wurde auf der Basis einer Blitzumfrage festgestellt, dass eine besondere Kaufzurückhaltung bei der Inanspruchnahme von zahnmedizinischen Leistungen anders als bei anderen langlebigen Wirtschaftsgütern nicht auszumachen war. Viele Zahnärzte berichteten sogar von deutlichen Umsatzzuwächsen, was wiederum in Verbindung mit verstärkten Marketingaktivitäten gebracht wurde.
Diese scheinbare Diskrepanz wurde unter anderem damit begründet, dass das zahnmedizinische „Produkt“ eine Sonderstellung bei den Konsumgütern einnimmt. Im Gesundheitsbereich insgesamt sei eine überproportionale Nachfragesteigerung zu erwarten. Hinzu kommt, dass die sogenannte Preiselastizität der Nachfrage bei Zahnersatz vermutlich negativ sei, was zur Folge habe, dass die Nachfrage unabhängig von den wirtschaftlichen Randbedingungen tendenziell eher konstant bliebe. Schließlich wurde die Prognose gewagt, dass sich die Krise vorerst vermutlich nicht gravierend negativ auf die Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen auswirken würde.
Abb. 1: Umsatzentwicklung 2009 gegenüber 2008.
Blitzumfrage Anfang 2010
Im Februar 2010 wurde erneut eine (nicht repräsentative) Blitzumfrage in zufällig ausgewählten Zahnarztpraxen aus ganz Deutschland durchgeführt. Es wurde zunächst gefragt, wie die Praxisinhaber das Jahr 2009 – den Umsatz betreffend – gegenüber 2008 einschätzen. Sie konnten wählen zwischen den Aussagen „gleich“, „gestiegen“, „deutlich gestiegen“, „zurückgegangen“ und „deutlich zurückgegangen“. Zu beachten ist hierbei, dass den meisten Praxen der Jahresabschluss noch nicht vorlag; es handelte sich daher eher um „gefühlte“ Einschätzungen. Wie prognostiziert, ist der Umsatz lediglich in circa 17 Prozent der befragten Praxen zurückgegangen beziehungsweise deutlich zurückgegangen. In 29 Prozent der Praxen blieb der Um-satz konstant, bei 54 Prozent ist er so-gar gestiegen oder deutlich gestiegen (vgl. Abbildung 1).
Krisenstabile Zahnmedizin
Dieses klare Ergebnis, nach dem bei deutlich mehr als 80 Prozent aller Praxen die Krise nicht zu einem Umsatzrückgang geführt hat, stützt die oben genannten Thesen zum Konsumverhalten der Verbraucher bei zahnmedizinischen Leistungen. Zu beachten ist allerdings auch, dass entgegen den allgemeinen Prognosen von Beginn des Jahres 2009 die tatsächliche allgemeine Anschaffungsneigung von Januar bis September 2009 angestiegen war.
Insgesamt hat der private Konsum mit einer Steigerung von 0,4 Prozent die Wirtschaftsentwicklung 2009 gestützt.1 Auf der anderen Seite sparen im europäischen Vergleich vor allem die Deutschen gerade bei größeren Anschaffungen, zu denen grundsätzlich eben auch zahnmedizinische Leistungen wie zum Beispiel der Zahnersatz gehören. Es wird häufig versucht, diese Art von Investitionen zu verschieben. Bei der Zahnmedizin wird entgegen diesem Trend aber aktuell offensichtlich nicht gespart. Inwieweit die Patienten die Zahnmedizin bei einer deutlicher spürbaren allgemeinen Konsumzurückhaltung ausnehmen, bleibt noch abzuwarten.
Doch wie sieht es für 2010 aus?
Für 2010 erwartet die GfK Gruppe bei den Ausgaben der Privathaushalte eine Stagnation, wenn auch keinen Rückgang. Die Einschränkungen würden voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte zum Tragen kommen. Allerdings verändere die Wirtschaftskrise auch die Werteorientierung der Verbraucher: Danach verzichten sie auf Überflüssiges, konsumieren bewusster und setzen auf Qualität statt auf Quantität.1 Diese Einschätzung deckt sich wiederum mit den Thesen des Autors zum Verbraucherverhalten bei zahnmedizinischen Leistungen. Wenn die Annahmen zutreffen, sind für Zahnarztpraxen auch in 2010 keine gravierenden Einschnitte zu erwarten.
Die befragten Zahnärzte sehen das ähnlich: Lediglich 9 Prozent der Praxisinhaber gehen davon aus, dass es für sie schlechter wird. 53 Prozent nehmen sogar an, dass der Umsatz steigen oder deutlich steigen wird (vgl. Abbildung 2).
Abb.2: Umsatzerwartung für 2010 gegenüber 2009.
Fazit
Trotz aller Vorsicht bei der Interpretation von Angaben in Blitzumfragen kann davon ausgegangen werden, dass die Krise (noch) nicht in deutschen Praxen angekommen ist. Genaues werden die Daten der KZBV 2009 zeigen. Ob die Thesen des Autors zum Konsumverhalten bei zahnmedizinischen Leistungen so wie angegeben zutreffen, konnte leider noch nicht abschließend belegt werden. Sie können aber stabilisiert werden, wenn sich das Konsumverhalten der Verbraucher so positiv entwickelt, wie es die Zahnärzte selbst annehmen.
Quellennachweis
1 GfK Gruppe; Wann kommt die Krise beim Verbraucher an? www.gfk.com; 09.02.2010
2 GfK Gruppe: Europäische Konsumenten sparen in der Krise ganz unterschiedlich. www.gfk.com; 09.02.2010
Autor: Prof. Dr.-Ing. Thomas Sander