Branchenmeldungen 15.03.2024
Zahnseide vs. Interdentalbürsten? Was sagt die Forschung?
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Anhand einer populationsbasierten Kohortenstudie, der Study of Health in Pomerania (SHIP-TREND), konnte unsere Arbeitsgruppe* zeigen, dass es sich lohnt, trotz aller Anwendungsschwierigkeiten auf Zahnseide bzw. Interdentalbürstchen nicht zu verzichten. In der Studie wurden insgesamt 2.224 Teilnehmer über einen Zeitraum von sieben Jahren nachverfolgt. Es zeigte sich, dass die regelmäßige Anwendung von Zahnseide und Interdentalbürstchen mit reduzierten Folgeuntersuchungswerten für Plaque sowie weniger Zahnfleischbluten und -taschen assoziiert war. Den größten Effekt hatte Zahnseide, gefolgt von Interdentalbürstchen.
Studienergebnisse
Die Studienlage zum Nutzen der Interdentalhygiene ist aktuell eher unbefriedigend. So konnten randomisierte klinische Studien zeigen, dass die Verwendung von Interdentalreinigungshilfen zusätzlich zum regelmäßigen Zähneputzen Plaque und Zahnfleischbluten stärker reduzieren kann als das Zähneputzen allein. Jedoch ist die daraus resultierende Evidenz bezüglich der Fragestellung, ob diese Maßnahmen zu einer geringeren Parodontitisprogression oder weniger Zahnverlust beitragen, nur gering, da diese Studien nur die kurzfristigen Auswirkungen untersucht haben und die meisten Teilnehmer bei Studienbeginn ein niedriges Niveau der Zahnfleischentzündung hatten. Zudem gab es begrenzte Belege für die Wirksamkeit bei fortgeschrittenen oralen Erkrankungen wie (interproximale) Karies und Parodontitis. Hier kommen populationsbasierte Studien ins Spiel. Während verschiedene populationsbasierte Querschnittsstudien eine Assoziation zwischen der Interdentalhygiene und verschiedenen oralen Erkrankungen zeigen konnten, wurden langfristige, aus gut designten Kohortenstudien abgeleitete Effekte bisher kaum publiziert. In unserer Studie konnten wir verschiedene Aspekte verbinden, die es so in bisherigen Beobachtungsstudien nicht gab.
Breiterer Praxisbezug
Obwohl SHIP-TREND quasi ein Spiegelbild der vorpommerschen Allgemeinbevölkerung ist, können die Ergebnisse aus unserer Sicht, wenn auch nur eingeschränkt, auf die gesamte deutsche Bevölkerung übertragen werden. Somit haben die Ergebnisse einen sehr starken Praxisbezug. Anhand der Studienergebnisse kann geschlussfolgert werden, dass die Verwendung von Interdentalreinigungsmitteln über die regelmäßige häusliche Mundhygiene (zweimal tägliches Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta und Verwendung einer elektrischen Zahnbürste) hinaus einen Nutzen bezüglich der interdentalen Plaqueentfernung als auch der Reduzierung von Zahnfleischbluten und -taschen hat. In Kombination mit der professionellen Plaqueentfernung könnten Interdentalreinigungsmittel somit einen wesentlichen Beitrag zur Kontrolle der supragingivalen Plaque, und somit auch zur Prävention von Karies, Gingivitis und Parodontitis leisten.
SHIP-TREND kompakt:
- Langzeitstudie mit Follow-up von sieben Jahren
- Untersucht wurden: Langzeiteffekte auf interproximale Plaque, interproximale Zahnfleischblutungen, Parodontitis, interproximale Karies und Zahnverlust
- Bei der Erfassung der Interdentalhygienemittel wurde zwischen Hölzchen, Interdentalbürstchen und Zahnseide differenzier
Zahnseide vs. Interdentalbürsten?
Die Entscheidung für Zahnseide oder Interdentalbürstchen hängt von der Größe der zu reinigenden Zahnzwischenräume, der Adhärenz und den manuellen Fähigkeiten des Patienten, die jeweilige Technik richtig umzusetzen, ab. Die Empfehlung ist, mit Zahnseide den interproximalen Bereich zu reinigen, wenn die Interdentalpapillen primär gesund sind. Wichtig ist, dass die Zahnseide nur durch den Kontaktpunkt horizontal hin und her bewegt, dann an die mesiale und distale Approximalfläche adaptiert wird und diese Flächen durch mehrere Auf- und Abbewegungen der Zahnseide gesäubert werden. Liegen hingegen interdental schon parodontale Schäden vor, so kann in der Regel ein Interdentalbürstchen hin und her bewegt werden, ohne dabei die Gingiva zu traumatisieren, da diese Patienten im Allgemeinen größere Interdentalräume aufweisen. Interdentalbürstchen sind in diesen Fällen einfach effektiver als Zahnseide. Außerdem können durch Interdentalbürstchen konkave Zahnoberflächen, wie beispielsweise die Mesialflächen der ersten oberen Prämolaren, besser gereinigt werden. Auf alle Fälle sollten die Patienten nicht nur in der Auswahl der geeigneten Hilfsmittel, sondern auch in deren richtiger Anwendung durch uns unterstützt werden!
*Neben Dr. Birte Holtfreter gehörten Elena Conrad, Prof. Dr. Thomas Kocher und Prof. Dr. Alexander Welk zur Greifswalder Arbeitsgruppe, die für ihre Studie den ersten Platz beim Wrighley Prophylaxe Preis 2023 belegte.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.