Wissenschaft und Forschung 04.07.2011
Mini-Stimulator im Oberkiefer schaltet Kopfschmerzen ab
Auf dem Internationalen Kopfschmerzkongress in Berlin (23. Bis 26. Juni 2011) hat Prof. Dr. Jean Schoenen, Koordinator der Kopfschmerz-Forschungseinheit an der Universität Lüttich (Belgien), positive Studienergebnisse eines Neurostimulators zur Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen vorgestellt. Entwickler des neuartigen Implantatsystems zur Behandlung schwerer Kopfschmerzen ist Autonomic Technologies, Inc. (ATI).
Prof.
Dr. Arne May, Neurowissenschaftler am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (UKE) und Präsident der Deutschen Migräne- und
Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), ist an der Studie beteiligt: „Bisher gab
es für Cluster-Kopfschmerzpatienten nur wenige Behandlungsoptionen. Die
gängigen Ansätze umfassten die präventive Medikation und abortive
Therapien zur Akutbehandlung wie z.B. teure injizierbare Substanzen und
das Inhalieren von Sauerstoff. Diese Behandlungsformen können jedoch bei
manchen Patienten nicht angewendet werden, z.B. wenn kardiovaskuläre
Risikofaktoren vorliegen; bei anderen Patienten treten erhebliche
Nebenwirkungen auf. Ich hoffe, dass sich dieser neue therapeutische
Ansatz weiterhin bei vielen Cluster-Patienten als chancenreich erweist.“
Cluster-Kopfschmerz ist eine neurologische Erkrankung mit äußerst
intensivem, stechendem Schmerz, der einseitig um das Auge auftritt.
Außer den Schmerzen kann es auch zu tränenden Augen und Schwellungen
sowie einer verstopften Nase kommen. Diese Art von Schmerz wird auch
„Selbstmord-Kopfschmerz“ bezeichnet und zählt zu den schlimmsten
Schmerzformen beim Menschen. Die Attacken können mehrmals täglich
auftreten und dauern zwischen 15 Minuten bis 3 Stunden an. Man schätzt,
dass mindestens 1 von 1.000 Menschen an Cluster-Kopfschmerz leidet.
An der Pathway CH-1 Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit des ATI
Neurostimulators untersucht, nehmen bislang 22 Personen teil; insgesamt
sind für die Studie rund 40 Patienten vorgesehen. Von 7 dieser 22
Patienten liegen Stimulationsdaten aus der Titrationsphase vor. Eine
Schmerzlinderung innerhalb von 15 Minuten -primärer Endpunkt der Studie-
wurde bei 66 Prozent der behandelten Kopfschmerzattacken (n=57)
erreicht. Gleichzeitig hat sich mit der Stimulation die Häufigkeit der
Kopfschmerzen bei der Mehrheit der Patienten verringert; im Vergleich zu
dem 4-Wochen-Zeitraum vor Beginn der Studie sank die
Kopfschmerz-Häufigkeit während der Studie bei 70 Prozent der Patienten
um mindestens 50 Prozent ab.
„Die Ergebnisse sind sehr ermutigend“, sagte Prof. Dr. Schoenen.
„Chronischer Cluster-Kopfschmerz verursacht schwerste Beeinträchtigungen
und starke Schmerzen, die es den Betroffenen oft unmöglich machen, ein
normales Leben zu führen. Gemeinsam mit den Studienärzten freue ich mich
auf die Fortsetzung der Forschungsarbeit zu dieser neuartigen
Kopfschmerz-Therapie sowie auf die künftige Erforschung dieses
Therapieansatzes bei schwerer Migräne.“
Ben Pless, Präsident und CEO von Autonomic Technologies, kommentierte
die Studienergebnisse so: „Wir sind mit diesen vielversprechenden ersten
Daten äußerst zufrieden und sind gespannt auf den weiteren Verlauf
unserer Studien mit dieser neuen Technologie für die Behandlung von
Cluster-Kopfschmerz und Migräne. Es ist unsere Hoffnung, dass sich durch
unsere Arbeit eines Tages das Leiden von Millionen von Menschen lindern
lässt.“
Das ATI Neurostimulationssystem
Das in der Erprobungsphase befindliche Neurostimulationssystem besteht
aus einem neuartigen implantierbaren Mini-Stimulator. Er ist etwa
mandelgroß und wurde für die Behandlung starker Kopfschmerzen
einschließlich Cluster-Kopfschmerz und Migräne entwickelt. Dieser
Neurostimulator wird ohne sichtbare Narben oder kosmetische
Beeinträchtigungen in das Zahnfleisch implantiert. Die Spitze des
Implantats wird an dem als Ganglion sphenopalatinum (GSP) oder
Meckel-Ganglion bezeichneten Nervenbündel hinter dem Wangenknochen
platziert. Schon seit Jahren konzentriert man sich in der Klinik bei der
Behandlung starker Kopfschmerzen auf das GSP, um dort vor allem
Lidocain oder sonstige Substanzen zu injizieren, um so die
Nervenblockade auszulösen.
Nach Implantation des Mini-Stimulators kann der Patient über eine
externe Fernsteuerung, die einem großen Mobiltelefon ähnelt, bei Bedarf
die Stimulation auslösen, die zur Linderung des Kopfschmerzes führt.
Nach Behandlung der Schmerzen wird das Fernsteuergerät einfach wieder
von der Wange genommen und die Stimulationstherapie damit ausgeschaltet.
Die Pathway CH-1 Studie
An der Pathway CH-1 Studie, die die Sicherheit und Wirksamkeit des ATI Neurostimulators untersucht, nehmen bislang 22 Personen teil; insgesamt sind für die Studie rund 40 Patienten vorgesehen. Von 7 dieser 22 Patienten liegen Stimulationsdaten aus der Titrationsphase vor. Eine Schmerzlinderung innerhalb von 15 Minuten -primärer Endpunkt der Studie- wurde bei 67 Prozent der behandelten Kopfschmerzattacken (n=48) erreicht. Gleichzeitig hat sich mit der Stimulation die Häufigkeit der Kopfschmerzen bei der Mehrheit der Patienten verringert.
Quelle: Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft