Wissenschaft und Forschung 11.07.2011
Neuer Wirkstoff gegen Allergien
Wer
heute ein Medikament braucht, geht einfach zur nächsten Apotheke.
Selbstverständlich, möchte man meinen. Doch selbstverständlich ist das
nicht. Bis heute gibt es für eine Vielzahl von Erkrankungen keinerlei
Therapie. „Lediglich für die Hälfte der bekannten menschlichen
Krankheiten hat die Medizin heute ein geeignetes Arzneimittel parat“,
sagt Dr. Carlo Pergola von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der
Bedarf an neuen effizienten Medikamenten sei nach wie vor groß, so der
Pharmazeut weiter. Doch die Suche nach Wirkstoffen und die Entwicklung
neuer Medikamente sind mühsam, kostspielig und langwierig: Von 5.000 bis
10.000 Substanzen, die als mögliche Wirkstoffe erforscht werden,
schafft es im Schnitt lediglich eine einzige als Medikament auf den
Markt.
Dr. Pergola ist es jetzt gemeinsam mit Kollegen aus Jena, Tübingen und
Neapel (Italien) gelungen, einen neuen Wirkstoff-Kandidaten zur
Behandlung von Allergien und Entzündungen ausfindig zu machen. Dafür ist
der Jenaer Nachwuchswissenschaftler mit dem diesjährigen
internationalen Forschungspreis der italienischen Nunzio
Pascale-Stiftung ausgezeichnet worden. Der 30-jährige Pharmazeut erhielt
einen der beiden mit insgesamt 3.000 Euro dotierten ersten Preise in
der Kategorie Pharmazie. Die Nunzio Pascale-Stiftung in Neapel würdigt
jährlich herausragende wissenschaftliche Arbeiten in den Bereichen
Biologie, Medizin und Pharmazie.
Überzeugt haben die Jury die aktuellen Forschungsarbeiten, die der
Italiener, der seit Mitte 2010 an der Jenaer Universität forscht, in der
aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Pharmacology and
Experimental Therapeutics“ veröffentlicht hat (DOI:
10.1124/jpet.111.180794). Darin weisen die Jenaer Pharmazeuten und ihre
Kollegen die Wirksamkeit eines Zimtsäureesters gegen Entzündungen nach.
Das synthetisch hergestellte
Cinnamyl-3,4-Dihydroxy-alpha-Cyanocinnamate, abgekürzt CDC, hat sich in
dieser vorklinischen Analyse als äußerst vielversprechende Substanz
erwiesen. „CDC hemmt sehr effektiv ein Enzym, das im Entzündungsprozess
eine zentrale Rolle spielt“, erläutert Prof. Dr. Oliver Werz, an dessen
Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie die Arbeiten
angesiedelt sind. „Dadurch wird die Entzündungsreaktion gedrosselt.“
Sollte sich dieser Effekt auch in klinischen Tests bestätigen, ließen
sich mit CDC beispielsweise allergische und andere entzündliche
Erkrankungen, wie Asthma, behandeln.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Wie die Studie der Jenaer
Pharmazeuten zeigt, wirkt CDC nicht nur im Reagenzglas. „Wir konnten
seine Wirksamkeit bereits an Zellmodellen und auch in vivo in
Tierversuchen belegen“, sagt Dr. Pergola. Damit habe CDC bereits die
erste Hürde der Entwicklung als neues Medikament genommen. Nun sollen
toxikologische Studien folgen, danach wäre eine klinische Erprobung
denkbar. „Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg“, dämpft Dr. Pergola
zu optimistische Erwartungen. Bis ein Wirkstoff-Kandidat tatsächlich in
die Apotheken kommt, vergehen durchschnittlich 10 bis 12 Jahre.
Original-Publikation:
Pergola C. et al. Cinnamyl-3,4-Dihydroxy-alpha-Cyanocinnamate Is a
Potent Inhibitor of 5-Lipoxygenase, Journal of Pharmacology and
Experimental Therapeutics, Juli 2011, 338(1): 205-213
Quelle: Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena