Branchenmeldungen 05.09.2008
Engpass an radioaktiven Isotopen bedroht Krebs-Patienten
In deutschen Krankenhäusern gibt es einen dramatischen Engpass an radioaktiven Isotopen, die für die Krebsbehandlung und -diagnostik dringend benötigt werden.
Produziert werden diese Isotope europaweit in nur vier Reaktoren. Alle vier Anlagen in Frankreich, den Niederlanden und Belgien sind zur Zeit ausgefallen: Die beiden Reaktoren in Frankreich sind wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet, der Reaktor in den Niederlanden konnte nach einer Routineüberprüfung wegen technischer Probleme nicht mehr hochgefahren werden und die belgische Anlage meldete am Freitag einen schweren Störfall mit dem Austritt von Radioaktivität.
Nach Einschätzung der Gesellschaft für Nuklearmedizin in Göttingen bedeutet der Versorgungsengpass für Betroffene eine akute Gefahr. Besonders bei schnell wachsenden Tumoren könne eine fehlende Therapie lebensbedrohend sein.
Manfred Gaillard, Geschäftsführer des Berufsverbands der Nuklearmediziner, versicherte im Gespräch mit der Rheinischen Post, dass eine Notfallversorgung weiterhin gewährleistet sei.
Nach Angaben von Bio Cis Berlin, einer von drei Firmen in Deutschland, die Generatoren für die Erzeugung von Technetium 99 herstellen, steht momentan nur noch 40 Prozent des normalerweise benötigten radioaktiven medizinischen Materials zur Verfügung. Laut Bundesverband der deutschen Nuklearmediziner müssen deshalb Routine-Untersuchungen oder -Diagnostik von mutmaßlich langsam wachsenden Tumoren zurückgestellt werden. Nuklearmedizinische Praxen und Kliniken erstellen bereits Notfallpläne für ihre Patienten. Mit einer Normalisierung wird erst in etwa vier Wochen gerechnet.
Die nuklearmedizinische Diagnostik spielt insbesondere bei der Untersuchung von Tumoren, Brustkrebsoperationen, Chemotherapien und Transplantationen, aber auch bei Herzoperationen eine Rolle. In Deutschland werden derzeit jährlich drei Millionen Untersuchungen mit radioaktiven Kontrastflüssigkeiten (Szintigrafien) und 100.000 Therapien durchgeführt. Pro Woche müssen nach Angaben der Nuklearmediziner ab sofort etwa 60.000 Untersuchungen und 2000 Therapien ausfallen.
Derzeit beliefert nur noch ein Reaktor in Südafrika Deutschland mit dem radioaktiven Isotop Molybdän 99, das für die Herstellung von Technetium 99 benötigt wird. Weil das Molybdän 99 nur rund drei Tage gelagert werden kann, gibt es weltweit keine Bestände, die angezapft werden könnten. Zwar wird Molybdän 99 auch in anderen Ländern hergestellt, doch besitzt das Material dort keine Zulassung nach deutschem Recht.
Quelle: Rheinische Post, Düsseldorf, Meldung vom 05.09.2008, www.rp-online.de