Lifestyle 23.06.2010
Arbeiten und leben ohne Rückenschmerzen
Beim Arbeiten im Sitzen die richtige Körperhaltung einzunehmen, fällt vielen Menschen schwer. Diese Haltung einen Arbeitstag lang durchzuhalten, ist für manche eine Qual. Denn bei einer einseitigen Sitzposition sind Rücken- und Nackenprobleme schon vorprogrammiert. Zahntechniker verbringen oft lange Zeit am Labortisch und gehören damit zur Risikogruppe. Doch nicht nur die Haltung bereitet Probleme. Auch der wachsende Druck und die steigenden Anforderungen sowohl im Beruf als auch im Alltag können sich negativ auf unsere Muskulatur auswirken.
Der Beruf des Zahntechnikers ist sehr anspruchsvoll und erfordert hohe Konzentration. Einerseits handelt es sich um sehr filigrane Arbeiten, die viel Fingerspitzengefühl, Präzision und gestalterisches Geschick verlangen; andererseits sollte die Arbeit rasch über die Bühne gehen, denn der Kunde ist bekanntlich König und möchte nur ungern auf seinen Zahnersatz warten.
Überdies ist die körperliche Belastung, insbesondere für die Wirbelsäule nicht zu unterschätzen, denn der Zahntechniker sitzt meist in unnatürlicher, leicht vorn übergebeugter oder seitlich geneigter Haltung. Laut einer Studie der Gmünder Ersatzkasse im Jahre 2004 klagten etwa 70% der befragten Zahntechniker über Schulter- und Nackenbeschwerden, 55% über häufige Rückenschmerzen. Das dürften heute noch ein paar Prozente mehr sein, denn der Druck auf die zahntechnischen Labore ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Grund dafür ist u.a. die wirtschaftliche Lage, die einen starken Konkurrenzkampf und damit verbunden Existenzängste und Leistungsdruck hervorrufen können, die Spuren an so mancher Psyche hinterlassen. „Seelische Nöte wirken sich negativ auf den ganzen Körper aus“, erklärt Dr. Reinhard Schneiderhan, Orthopäde aus München und Präsident der Deutschen Wirbelsäulenliga. „Davon bleibt der
Rücken nicht verschont. Bedrückte Menschen lassen regelrecht die Schultern hängen. Resultat: Verspannungen und Schmerzen.“ Überdies bekunden niedergeschlagene Menschen seltener Interesse an sportlichen Aktivitäten und belasten ihre Wirbelsäule umso mehr. Die Studie belegt, dass immerhin 68% aller Befragten unter Erschöpfungszuständen leiden; fast die Hälfte berichtet von Nervosität und innerer Unruhe.
Auch die Hand-Arm-Vibration wurde von diversen Wissenschaftlern als Belastungsfaktor bei zahntechnischer Tätigkeit dargestellt. Hauptsächlich ging es hier um die Prüfung von Antrieben hinsichtlich auftretender Schwingbeschleunigungswerte. Neben der Vibration seien Lärm, Absaugluft und die schon erwähnte „Zwangshaltung“ negative Begleiterscheinungen zahntechnischer Arbeit.
Zusätzliche Risikofaktoren sind Übergewicht und das Rauchen, was in Stresssituationen meist zunimmt. Das wiederum führt zu einer schlechteren Blutzirkulation und somit zu Schmerzen in der Muskulatur, wodurch der Zahntechniker weniger beanspruchbar und leistungsfähig ist. Der Teufelskreis ist perfekt.
Doch wie nun Abhilfe schaffen? Schließlich erledigt sich die Arbeit nicht von selbst. Wichtig ist, dass sich der Zahntechniker an seinem Arbeitsplatz wohlfühlt. Sei es durch ein angenehmes Raumklima, den guten Kontakt zu den Mitarbeitern oder aufgrund eines bequemen Arbeitsplatzes. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gab im April 2006 die Übersicht „Sicherheit und Gesundheitsschutz für Zahntechniker“ heraus, indem die Anforderungen an einen ergonomisch gestalteten Arbeitsplatz zusammengestellt wurden. Demnach wird empfohlen, dass neben einem individuell einstellbaren Stuhl auch eine höhenverstellbare Fußstütze vorhanden sein sollte. Zudem sollten zwei Armauflagen und ein Arbeitsblock integriert werden. Diese sollten variabel und entfernbar sein, damit sämtliche Tätigkeiten durchgeführt werden können. Im besten Fall sind alle Elemente funktionell und ergonomisch aufeinander abgestimmt.
Eine einfache Möglichkeit, um die Wirbelsäule zu entlasten, ist die Veränderung der Haltung. Insofern es die Arbeitsschritte zulassen, sollte immer wieder zwischen Stehen und Sitzen hin und her gewechselt werden. Den wirtschaftlichen Nutzen von integrierten Steharbeitsplätzen ermittelte das Institut für Systemergonomie und Gesundheit in einem Feldversuch. Laut der Untersuchung führe ein Haltungswechsel zu einem Effizienzgewinn durch niedrigere Fehlerquoten, kürzere Bearbeitungszeiten etc. Berechnet man nur die Einsparung von Arbeitsunfällen, ergebe sich für das Unternehmen ein geschätzter Einsparungsfaktor von 0,5 bis 3,6 Prozent.
Lässt die Arbeit einen Haltungswechsel nicht zu, sollte sich der Zahntechniker wenigstens in regelmäßigen Abständen ausgiebig strecken, um so die Muskeln zu lockern. Wie bereits erwähnt, ist Sport natürlich die beste Medizin gegen Verspannungen. Doch nicht jeder hat die Zeit dafür. Um dennoch präventiv etwas zu tun, gibt Dr. Reinhard Schneiderhan sieben Tipps, um die Wirbelsäule bei alltäglichen Aufgaben zu entlasten und sie für den Job zu stärken.
1. Beim Einkauf die Balance halten
Schwere Einkaufstüten belasten den Rücken sehr. Um Schäden zu vermeiden, sollten die Waren gleichmäßig auf zwei Taschen und beide Hände verteilt werden. Rucksäcke bieten die beste Möglichkeit, Einkäufe sicher und rückenschonend nach Hause zu transportieren.
2. Wasserkisten: Beinarbeit schont Rücken
Gerade beim Heben von Wasserkisten und anderen schweren Gegenständen kommt es häufig zu einem Hexenschuss. Verhindern lässt sich dies durch die richtige Technik: Mit geradem Rücken in die Hocke gehen und die Kiste so nah wie möglich zu sich heranziehen. Dann aufstehen und die Wirbelsäule weiterhin gestreckt halten. Auch in anderen Situationen gilt dieses Prinzip. Ob Stift aufheben oder Schuhe zubinden – die Hockstellung mit einem kleinen Schritt nach vorn überträgt die Kraft auf die Beinmuskulatur und entlastet dadurch das Rückgrat.
3. Gesunde Ernährung stärkt die Wirbelsäule
Um Wirbel, Bandscheiben und Muskulatur zu kräftigen, benötigt der menschliche Körper eine ausgewogene Ernährung. Vitamin D und Kalzium unterstützen den Knochenaufbau und beugen somit Osteoporose vor. Während bei Vitamin D vor allem Sonnenlichteinstrahlung die Bildung unterstützt, nimmt der Mensch Kalzium in erster Linie durch Milchprodukte, frisches Obst und Gemüse sowie Getreideprodukte auf. Koffein und Alkohol behindern dagegen die Aufnahme des Mineralstoffes. Darüber hinaus benötigen Muskeln und Bandscheiben regelmäßig Kupfer und Zink – unter anderem in Fisch enthalten – sowie Vitamin C, um das Eiweiß-Kollagen stabil zu halten.
4. Gerader Rücken beim Hausputz
So manch einer führt geradezu akrobatische Übungen aus, um beim Hausputz alle Stellen zu erreichen, was oft zulasten der Wirbelsäule geht. Mit den richtigen, auf die Körpergröße abgestimmten Geräten, gelingt es leichter. Teleskopstiele an Besen oder Staubsauger lassen sich auf die Körpergröße einstellen und ermöglichen so eine aufrechte Haltung.
5. Beim Abwaschen auf die richtige Höhe achten
Rückenbeschwerden bei Arbeiten im Stehen sind meist auf die falsche Höhe der Arbeitsfläche zurückzuführen. Etwa fünfzehn Zentimeter Abstand zwischen Ellenbogen und Arbeitsfläche haben sich als ideal erwiesen. Lässt sich die Höhe nicht einstellen, entlastet eine leichte Schrittstellung den Rücken. Ebenso bietet es sich an, einen Fuß leicht erhöht zu stellen und das Gewicht entsprechend zu verlagern.
6. Schreibtisch richtig einrichten
Auch zu Hause verbringen viele Menschen einige Stunden am Schreibtisch, bspw. mit Rechnungen schreiben oder im Internet surfen. Ebenso wie im Labor empfiehlt es sich, der Einrichtung des Platzes besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn die Unterarme flach aufliegen und mit den Oberarmen einen rechten Winkel bilden, hat der Tisch die richtige Höhe. Darüber hinaus lohnt es sich, auch für den privaten Gebrauch einen ergonomischen Schreibtischstuhl anzuschaffen, der die Wirbelsäule ausreichend stützt. Dynamisches Sitzen mit gelegentlichem Wechsel der Sitzposition verhindert einseitige Belastung von Wirbeln und Bandscheiben.
7. Gesund schlafen und schmerzfrei aufwachen
Morgens erholt und gestärkt aufstehen entspricht leider nicht immer der Realität. Stattdessen leiden viele unter morgendlichen Kreuzschmerzen. Häufige Ursachen: falsche Matratze, Lattenrost oder Kissen. Am besten eignen sich Matratzen mit mittlerem Härtegrad. Spezielle Nackenkissen, welche den Abstand zwischen Ohr und Schulter ausfüllen, sorgen für eine Entlastung der Halswirbelsäule. Bauchschläfer sollten ganz auf ein Kissen verzichten. Leiden Sie bereits unter Verspannungen helfen zudem Massagen und Fangopackungen. Schlimmere Schmerzen können in einer Rückenschule behandelt werden. Viele Krankenkassen bieten ihren Versicherten entsprechende Kurse kostenfrei an oder bezuschussen diese.
Ein Appell an die Laborinhaber: Richten Sie die Arbeitsplätze Ihrer Mitarbeiter sinnvoll und rückenschonend ein, sorgen Sie für ein gutes Raum- und Arbeitsklima inklusive Pausenzeiten. Ihre Mitarbeiter werden es Ihnen danken und sich in Form von besserer Arbeit und weniger Ausfall revanchieren.
Autorin: Claudia Schellenberger