Lifestyle 11.10.2016
Künstlerische Reise durch den Körper
Mit ihrem Projekt „Histologische Pop-Art-Kunst“ hat sich die medizinisch-technische Assistentin Anne Kerber auf neue künstlerische Wege begeben – so entstand HistoPopArt.
Anne Kerber ist 46 Jahre und arbeitet seit 25 Jahren als medizinisch-technische Assistentin in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum des Saarlandes. Hier leitet sie das dermatopathologische Labor. Zu ihrer täglichen Aufgabe gehört die Aufarbeitung von menschlichen Gewebeproben zur Diagnostik unterschiedlicher Hauterkrankungen. Hierzu werden hauchdünne Schnitte eines Gewebes angefertigt, angefärbt und unter dem Mikroskop begutachtet. Mit Kunst hat dies bisher noch nicht viel zu. Allerdings ist Anne Kerber als künstlerisch ambitionierter Mensch schon immer fasziniert von den Strukturen der menschlichen Gewebe, die sie tagtäglich sieht.
Durch ihr Hobby, die Fotografie, ist sie mit unterschiedlichen Bearbeitungsprogrammen vertraut. Auf die unkonventionelle Idee, ungewöhnliche Methoden zur Bearbeitung auch einmal an Fotos von menschlichen Geweben auszuprobieren, ist sie rein zufällig gekommen. Wichtig ist der Künstlerin hierbei, dass sie für ihre fotografischen Pop-Art-Experimente ausschließlich gesunde menschliche Gewebe verwendet, pathologische Präparate schließt sie komplett aus. Erste Ergebnisse, am Anfang noch von Gewebe vom Schweineohr, waren für Anne Kerber absolut verblüffend. Haare, Drüsen und Blutgefäße konnten so in den Pop-Art-Stil umgewandelt werden, dass tatsächlich so etwas wie ein kleines Kunstwerk entsteht.
Die einzelnen Strukturen der Gewebe bleiben für den Mediziner immer noch deutlich zu erkennen und beeindrucken durch die gewählte Pop-Art-Farbgebung. Die erste Ausstellung im Rahmen eines dermatologischen Kongresses trug somit auch den klangvollen Namen „Pig Ear goes Pop Art“ und zeigte diverse Bilder der Strukturen eines Schweineohres.
Ab diesem Zeitpunkt gab es kein Halten mehr. Bereits in einigen namhaften wissenschaftlichen nationalen und internationalen Zeitschriften gab es Berichte über Anne Kerber und ihre histologische Pop-Art, beispielsweise als „Reise durch den menschlichen Körper“ im Rahmen einer dreiteiligen Serie in einer dermatologischen Patientenzeitschrift, worin die einzelnen Strukturen der Haut und deren Funktion für Laien verständlich erklärt wurden. Denn nicht nur Mediziner sind begeistert von der HistoPopArt, wie Anne Kerber ihre ganz eigene Kunstform inzwischen nennt. Gerade auch medizinische Laien sind fasziniert von den einmaligen und ungewöhnlichen Einblicken in den menschlichen Körper, den diese Bilder dem Betrachter ermöglichen.
Kürzlich gab es zwei Ausstellungen, die auf großen quadratischen Bildern Ansichten fast aller menschlichen Organe zeigten. Von den Betrachtern war zu hören, dass sie an einsame Inseln oder den Urlaub in Schweden erinnert wurden, diese vielfältigen Assoziationen haben zum Titel der aktuellen Ausstellung „Atolle, Fjorde und einsame Inseln“ im Rahmen von „Kunst in der HNO“ am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg geführt.
Anne Kerber ist immer wieder fasziniert, was die Besucher in ihren Bildern alles entdecken. Ebenso interessiert sind die Betrachter auch an den zugrunde liegenden Geweben und deren Funktionen im menschlichen Organismus. Aus diesem Grund gibt es zu allen ausgestellten Bildern immer kleine Hinweistafeln mit Erklärungen. Erst im Juni lief eine Ausstellung in der Sektion für Klinisch Funktionelle Anatomie an der Medizinischen Universität in Innsbruck. Dort wurden die Bilder als schwebende und begehbare Installation in einem (unbenutzten) Seziersaal gezeigt. Diese absolut ungewöhnliche Art der Präsentation kam bei den Besuchern sehr gut an.
Für Anne Kerber ist es ein regelrechtes Geschenk, ihre ausgeprägten künstlerischen Ambitionen sogar in Kombination mit ihrer Arbeit ausleben zu dürfen. Sie liebt ihren Beruf und ist medizinisch-technische Assistentin aus Leidenschaft. Ihre Werke schmücken inzwischen Wände in der Klinik für Dermatologie, der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und einer Pathologie in Luxemburg. Immer wieder kommen auch Anfragen aus anderen Kliniken und, was die Künstlerin besonders freut, auch von Privatpersonen, die mit HistoPopArt ihren Wohnraum verschönern möchten.
Quelle: Cosmetic Dentistry Ausgabe 3/16