Marketing 29.09.2010

Die acht Grundpfeiler des zahnärztlichen Marketings

Die acht Grundpfeiler des zahnärztlichen Marketings

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Wie kann ich meine Zahnarztpraxis zukunftsweisend positionieren? Diese Frage ins Zentrum gerückt, hat der Autor mehrere zahnärztliche Marketingkonzepte ausführlich analysiert und die wichtigsten Methoden herausgefiltert. Die Essenz bilden acht Grundpfeiler mit Strategien für ein erfolgreiches zahnärztliches Marketing. Sie werden in diesem Beitrag erstmalig vorgestellt.

Grundpfeiler I – Emotionen: Patientensicht einnehmen und positionieren

Der Patient kann den faktischen Nutzen, den Sie ihm bieten, normalerweise nicht beurteilen. Dabei handelt es sich in der Zahnmedizin letztlich um die Qualität der zahnärztlichen Behandlung. Er muss hingegen den „virtuellen Nutzen“ spüren, den er durch Sie und Ihre Praxis erfährt. Das umfasst alles, was der Patient rund um die Behandlung erlebt: vom ersten Kontakt am Empfang über die Ansprache der Helferinnen bis hin zur Atmosphäre im Wartezimmer. Natürlich ganz zentral stehen die Wahrnehmung und Wirkung des Zahnarztes selbst. Fragen Sie sich, welche „Geschichte“ Ihre Praxis dem Patienten erzählt. Sie müssen Emo­tionen in ihm wecken, bereits vor dem ersten Besuch und in der Praxis. Dann kommt er zu Ihnen und bleibt auch bei Ihnen.

Wie Sie die Emotionen Ihrer Patienten wecken können, hängt ganz von Ihrer individuellen Positionierung als Zahnarzt ab. Legen Sie in Ihren Praxisräumen Wert auf eine gemütliche Atmosphäre? Ist Ihnen eine warmherzige Ansprache der Patienten wichtig? Oder behandeln Sie besonders schmerzarm und können einfühlsam mit Kindern oder älteren Patienten umgehen? Vielleicht sind Sie Ihren Mitbewerbern ja durch eine neue Technik voraus? Oder Sie sind Fan eines bestimmten Fußballvereins und kön-nen Gleichgesinnte durch die entsprechende Praxisgestaltung als Patienten für sich gewinnen? Die Möglichkeiten der Positionierung sind unendlich.

Versetzen Sie sich in die Rolle des Patienten: Was spricht ihn an? Was ist ihm wichtig, was veranlasst ihn, in eine bestimmte Praxis zu gehen? Was kommt in Ihrer Gegend gut an? Und dazu passend: Was sind die Zukunftstrends in Ihrer fachlichen Ausrichtung? Welche Entwicklung nimmt die Zahnmedizin insgesamt?

Positionieren Sie sich mit Ihren Stärken und Ihrer Persönlichkeit so, dass Sie die Emotionen der Patienten wecken können. Und dann richten Sie Ihre Praxis entsprechend ein und aus. Schwören Sie Ihre Mitarbeiter auf Ihre Positio­nierung ein.

Der Merksatz lautet hier: Qualitätsarbeit am Kopf, Emotionen im Kopf.

Grundpfeiler II – Marktführerschaft: Der Beste sein und die Nr. 1 werden

Egal, womit Sie sich positionieren: Streben Sie die Marktführerschaft an. Seien Sie die Nr. 1! Werden Sie „Der Kinderzahnarzt“ in Ihrer Stadt. Oder „Der beste Zahnarzt, bei dem man keine Angst vor Schmerzen haben muss“, „Die einfühlsamste Zahnärztin“, „Der professionellste Implantologe“ und so weiter. Vermeiden Sie es, einer von vielen, also beliebig zu sein. Solange es einen Verkäufermarkt wie in den Siebziger- jahren gab, war das egal. Heute haben wir einen Käufermarkt, jedenfalls bei Zahnärzten im städtischen Raum. Und da ist die Anstrengung, der Beste zu sein, unerlässlich für den Erfolg. Unterliegen Sie nicht dem Irrtum, der beste Zahnarzt an sich und für alles sein zu müssen. Es geht darum, mit Ihrer Positionierung zum Marktführer zu werden. Verabschieden Sie sich auch von dem Irrglauben, es jedem recht machen zu können. Erreichen Sie die Patienten, die zu Ihrer Positionierung passen, und davon die meisten.

Grundpfeiler III – Beständigkeit: Konsequent handeln und nicht nachahmen

Wenn Sie Ihre Positionierung erarbeiten (vergleiche Grundpfeiler I), beachten Sie dabei das wettbewerbliche Umfeld. Es ist beispielsweise schwierig, in einem kleinen Ort als weiterer Kinderzahnarzt die Marktführerschaft zu erreichen, wenn es dort bereits einen gut ein­geführten Kollegen mit entsprechender Ausrichtung gibt.

Wenn aber Ihre Positionierung unter Beachtung der Ausgangslage einmal feststeht und Sie gemäß Grundpfeiler II die Marktführerschaft anstreben, schielen Sie spätestens ab dann nicht mehr zur vermeintlichen Konkurrenz. Verfolgen Sie konsequent die von Ihnen entwickelte Strategie. Ahmen Sie keinen anderen Zahnarzt nach. Weder in seiner Positionierung noch in seinen Marketing- bzw. Wer-bemaßnahmen. Als Nachahmer sind Sie automatisch die Nr. 2. Und das ist verheerend. Wenn Sie aber beispielsweise der „zweite Implantologe“ sein und dem Kollegen bewusst die Marktführerschaft überlassen wollen, kann das eine zielführende Positionierung sein. Allerdings handelt es sich dann nur scheinbar um Nachahmung. Sie erfüllen mit dieser Strategie – richtig gemacht – die Anforderung von Grundpfeiler IV. Im Übrigen gilt: Ihr Wettbewerber ist nicht der Zahnarzt von nebenan, sondern der von Ihren Patienten angestrebte Sommer-Insel-Urlaub oder das neue Auto.

Grundpfeiler IV – Systemwechsel: Anders sein und Systemwechsel einleiten

Vielfach wird versucht, den Erfolg durch immer größere Kraftanstrengung zu erreichen. Das funktioniert entweder nur schwer oder meistens gar nicht. Sie wollen „Der Implantologe“ mit dem größten Marktanteil in Dentcity werden und damit den alteingesessenen Kollegen überbieten, indem Sie mit exakt derselben Positionierung immer mehr Werbung in der Tageszeitung und im Supermarkt schalten? Vergessen Sie es!

Bis in die 1970er-Jahre hinein sprangen die Athleten beim olympischen Hochsprung vorwärts über die Latte und versuchten, mit ausgefeiltem Training immer größere Höhen zu erreichen. Bis Dick Fosbury kam und zum Entsetzen aller die Latte rücklings überquerte. Der Fosbury-Flop war geboren. Das war ein klassischer Systemwechsel. Mit ihm wurde eine neue Ära des Hochsprungs mit deutlich besseren Ergebnissen eingeleitet.

Also schaffen Sie einen Systemwech-sel: Allergiefreies Implantieren, individuelle Beratung, Parodontologie vor Implantologie, neueste Technik aus den USA, Versorgung mit Entspannungsmusik, angstfreie Behandlung, neue Praxisräume mit besonderem Service, „Die Stadtteilzahnärztin“, der „Werder Bremen Zahnarzt“ oder vieles mehr. Veranstalten Sie Kindertage in der Praxis oder laden Sie das Ensemble der Staatsoper zum Essen ein. Tun Sie also Gutes und sprechen Sie darüber. Beachten Sie dazu den Grundpfeiler I. Aber machen Sie keinen Bauchladen auf: Entscheiden Sie sich für eine Kategorie.

Das gelingt aber nur, wenn Sie auch voll hinter dem Systemwechsel stehen. Alle Werbemaßnahmen müssen einzig Ihren ethischen Ansprüchen genügen. Und wenn Sie den Systemwechsel ein-geleitet haben: Grundpfeiler III beach-ten und konsequent vorantreiben.

Grundpfeiler V – Geduld haben und Geld ausgeben: Erfolg kann nicht erknausert werden

Manche Zahnärzte schalten eine Anzeige in der Sonderbeilage „Medizin“ in ihrer Regionalzeitung. Und wundern sich dann, dass kein Neupatient kommt. Warum kommt keiner? Weil eine Anzeige die gleiche Wirkung erzielt wie keine Anzeige.

Egal, welches Medium Sie wie nutzen: Nur die Wiederholung bringt es. Werbewahrnehmung funktioniert erst nach der zehnten Wiederholung. Denn selbst wenn Sie in einem potenziellen Patien-ten eine wirksame Emotion gemäß Grundpfeiler I geweckt haben, vielleicht will der erst in sechs Monaten zum Zahnarzt und dann vielleicht zu Ihnen kommen. Erinnern Sie ihn bis dahin noch ein paar Mal daran, wie gut Sie sind.

Gut Ding will Weile haben. Wenn Ihre Strategie steht und die Marketingmaßnahmen laufen, kann es ein bis zwei Jahre dauern, bis der Erfolg richtig spürbar wird. Bis dahin: Grundpfeiler III beachten und konsequent weitermachen. Und zum Schluss die bittere Pille: „Erfolg kann nicht erknausert werden“ (nach Ries & Trout, Begründer der Positionierungstheorie). Marketing kostet Geld. Deshalb geben Sie es für das Richtige aus. Lassen Sie sich hinsichtlich der optimalen Strategie von Experten beraten. Planen Sie fünf bis zehn Prozent Ihres Gesamtumsatzes für Marketing ein, und das jedes Jahr.

Grundpfeiler VI – Authentizität: Ehrlich sein und Schwächen zum Vorteil machen

Wenn Ihnen der Staubsaugerverkäufer sagt, dass das angepriesene Produkt alles kann, trauen Sie dem Braten nicht recht. Wenn er aber sagt, dass das Gerät bei hohem Flor nicht das beste ist, glauben Sie ihm. Warum? Ehrlichkeit macht glaubwürdig.

Patienten gehen zu einem Zahnarzt in dem Glauben, dass sie bei ihm bestens versorgt werden. Sie reagieren jedoch schnell skeptisch, wenn er sich als zahnmedizinischer Alleskönner präsentiert. Seien Sie ehrlich … Nutzen Sie Ihre Stärken und verstärken Sie diese. Stellen Sie diese heraus (vergleiche Grundpfeiler I). Aber: Bekennen Sie sich auch zu dem, was Sie nicht so gut können oder nicht so gern machen. Vermarkten Sie Ihre Schwächen nach dem Motto: „Bei uns kann nicht jeder alles, aber wir haben für alles einen Spezialisten.“ Oder: „Sie haben Angst vor dem Bohren? Ich auch. Deshalb kann ich Sie so gut verstehen und werde Sie besonders schmerzarm behandeln.“
Ehrlich währt am längsten. Das gilt auch für das Marketing. Seien Sie authentisch. Dadurch wird Ihre Glaubwürdigkeit, die gerade für Mediziner so wichtig ist, noch verstärkt.

Grundpfeiler VII – Zahlengefahr: Controlling richtig machen und Zahlen vergessen

„Was ist mein Stundenkostensatz?“, „Habe ich heute das monetäre Praxisziel erreicht?“, „Stimmen die Zahlen?“, „Ich muss dringend schneller werden.“, „Ich muss eine halbe Helferin entlassen, der Gewinn muss rauf.“ Machen Sie sich auch manchmal so verrückt? Gewiss: Ein geeignetes Maß an Controlling ist für die moderne Praxis unerlässlich. Wer sich aber nur von Zahlen leiten lässt, wird bald von ihnen beherrscht. Und das lässt Sie verzweifeln. Schauen Sie nicht täglich oder gar stündlich auf die Zahlen, sondern maximal wöchentlich. Machen Sie sich nicht zum Skla-ven Ihrer Zahlen. Das Entscheidende ist, dass die Linie stimmt. Und dabei beachten Sie ausschließlich die hier erwähn-ten Grundpfeiler und die daraus entwickelte Strategie. Beim Controlling ist vor allem eines wichtig: der gesunde Menschenverstand.

In Ihrem Geschäft müssen, wie in an­deren übrigens auch, weniger ertragreiche Prozesse durchgeführt werden, damit profitablere Leistungen überhaupt erst angeboten werden können. Das ist und bleibt so. Lassen Sie sich nichts anderes erzählen. Es sei denn, es handelt sich dabei um Ihre Strategie gemäß Grundpfeiler I und IV. (Es gibt Positionierungen, bei denen beispielsweise ausschließlich implantiert wird. Die normale Praxis wird in der Regel aber nicht ohne geringer honorierte Basisleistungen auskommen.) Wenn Sie in Ihrem Kopf pausenlos die Kosten kreisen lassen, laufen Sie ohnehin Gefahr, Ihr bestes Erfolgsrezept zu übersehen: Ihre Persönlichkeit. Also vergessen Sie die Zahlen. Nicht immer, aber immer öfter.

Grundpfeiler VIII – Augen auf: Vorsicht vor Prognosen und Erfolglosen

„Das zeitraubende Hin- und Hergeschiebe von Papier wird im Büro der Zukunft durch Informationsverarbeitung mit Computern ersetzt.“ (Prognose des Palo Alto Research Center, 1970er- Jahre). Irgendwie nachvollziehbar, aber ein Irrtum: Der Papierverbrauch stieg in den Folgejahren an. Von diesen falschen Prognosen gab es viele und wird es viele geben. Das Prob­lem mit Prognosen ist, dass sie die Vergangenheit als Vorlage haben. Anders geht es nicht. In die Zukunft kann nach wie vor niemand richtig schauen. Mög­liche Systemwechsel erschweren die Sicht noch zusätzlich.

Welche Konsequenz hat das für Sie? Trauen Sie keiner der Prognosen von den vielen selbsternannten Experten der zahnmedizinischen Zukunft. Machen Sie sich selbst ein Bild und be­sprechen dieses mit Menschen Ihres Vertrauens. Idealerweise reden Sie da-bei mit den Erfolgreichen. Vermeiden Sie Kontakt zu den erfolglosen und oft besonders mitteilungsbedürftigen Zeitgenossen. Aber Achtung: Meistens meinen gerade die Erfolglosen, die Zukunft sicher vorhersehen zu können. Miss­trauen ist angebracht: Das haben sie bisher nicht gekonnt, und sie können es auch jetzt nicht (das ist eine ziemlich sichere Prognose). Aufmerksam zuhören: Was passiert in der Welt, was sind die Trends? Versetzen Sie sich in die Welt der Patienten (vergleiche Grundpfeiler I). Nutzen Sie das hier beschriebene Marketingrezept und vertrauen Sie ansonsten nur auf sich selbst. Denn Sie sind für Ihre Praxis der Erfolgsfaktor Nr. 1.

Autor: Prof. Dr. Thomas Sander


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