Marketing 07.08.2009
Marken (3): Markenführung für Zahnärzte
„Meine Praxis ist in Sachen Marketing gut aufgestellt: Logo und Corporate Design sind definiert, die neue Webseite sieht schick aus, der Folder ist gedruckt, die Praxis ist in meinen Farben eingerichtet. Und jetzt? Was sind die nächsten Schritte? Was muss ich tun, um Anfangserfolge zu sichern und auszubauen?“ Im dritten Artikel dieser Serie begleiten Sie Ihren (fiktiven) Kollegen Zahnarzt Dr. Felix Fleißig dabei, wie er seine Marke erfolgreich mit Leben erfüllt.
Was bisher geschah: Zahnarzt Dr. Felix Fleißig hatte zu seinem Leidwesen erfahren, wie aufwendig es ist, als Patient den richtigen Zahnarzt zu finden. Das sensibilisierte ihn für das Thema „Zahnarzt als Marke“. Seine persönliche Wahl war auf Dr. Markus Markmann, den Spezialisten mit dem überzeugenden Auftritt, gefallen. Markmann hatte ihm vor fast zwei Jahren anschaulich erklärt, welche Vorteile er genießen könnte, wenn auch er seine Positionierung und seine Marke entwickeln würde.
Bescheidenheit ist eine Zier
Im Eisstadion fiel Felix Fleißig ein etwas nachlässig gekleideter Herr im mittleren Alter mit zerzausten Haaren auf. Der Mann erinnerte ihn fatal an eine ihm aus dem Fernsehen bekannte Figur. „Torsten Lämmer, Lokalredaktion Allgemeine, guten Tag“, begrüßte ihn sein Gegenüber. „Wir kennen uns noch nicht persönlich, Dr. Fleißig, aber ich würde gerne ein paar Minuten mit Ihnen sprechen.“ „Fünf Minuten nehme ich mir“, erwiderte Felix Fleißig mit Blick auf seine dezent edelstahlglänzende Schweizer Uhr. „Danke, Dr. Fleißig, Sie waren doch derjenige, der dem kasachischen Eishockeyspieler aus unserem Lokalteam damals so schnell mit seinen Zähnen geholfen hat. Tolle Aktion! Meine Kollegen haben das ja drei Tage als Aufmacher gebracht.“ – „Das war selbstverständlich“, erwiderte Dr. Fleißig, „sehen Sie, in meiner regelmäßigen Zusammenarbeit mit den besten Sportärzten unserer Stadt ist das schon beinahe Routine für mich. Außerdem bin ich dem Lokalsport als Sponsor verpflichtet.“ Torsten Lämmer nickte zustimmend.
Ich bin, was ich bin
Der Reporter nahm den unansehnlichen Bleistiftstummel aus seinem Mund. „Beeindruckend, Dr. Fleißig, Sie sind ja mittlerweile Lokalprominenz. Aber unsere Leser interessieren sich immer für den Menschen dahinter. Ich würde gerne eine Personality-Story über Sie bringen.“ Felix Fleißig sah ihn fragend an. „Vielleicht über Ihr Engagement in Ihrem Stadtteil“, ergänzte der Reporter, „das ist wirklich toll, was Sie da mit diesem Kinderfest auf die Beine gestellt haben.“ – „Das gehört zu meinem Selbstverständnis. In meiner Praxisphilosophie habe ich ganz klar festgelegt, dass für mich meine Stadt und mein Stadtteil wichtig sind, und das bedeutet auch, dass ich mich gemeinsam mit anderen für Kultur engagiere. Dazu gehört übrigens auch unser Ärzte-Stammtisch.“ Lämmer stutzte. „Biertrinken mit Kollegen? Das mache ich auch gerne. Haha.“ Dr. Fleißig stimmte in das Lachen ein. „Nicht ganz, uns geht es um den Netzwerk-Gedanken und um Qualität. Wir tauschen uns regelmäßig über wirtschaftliche Themen aus, diskutieren Marketingideen und planen gemeinsame Veranstaltungen für Patienten. Und, wenn ich ehrlich bin, wir empfehlen uns natürlich gegenseitig.“
Erlaubt ist, was gefällt
Der Reporter in der abgetragenen Jacke schrieb weiter in seinen kleinen Notizblock. „Aber, Herr Dr. Fleißig, wenn Sie Wert auf Qualität legen, warum veröffentlichen Sie dann regelmäßig in diesem Anzeigen-Sonntagsblatt? Unsere Tageszeitung ist doch viel seriöser. Ganz zu schweigen von dem Mehrfachen an Reichweite.“ Felix Fleißig verschränkte die Arme und sah seinem Gegenüber in die Augen. „Ach ja, Herr Lämmer, vor zwei Jahren hätte ich Ihnen recht gegeben. Erstens lesen die meisten Menschen in meinem Stadtteil genau diese Zeitung und zweitens ist Reichweite nicht alles. Ich mache immer eine Kosten/Nutzen-Rechnung auf. Wie viel Geld bezahle ich für wie viele Kontakte in meiner Zielgruppe? Darum geht es.“ Torsten Lämmer hörte aufmerksam zu. „Meine regelmäßige Rubrik zum Beispiel, die kostet mich nichts außer einer halben Stunde Schreibarbeit. Nebenbei bin ich alle zwei Wochen mit einer Anzeige zu einem meiner Themen vertreten. Zu vertretbaren Kosten erreiche ich über 30% aller Menschen in meinem Umfeld.“ Lämmer konterte: „In unserer Tageszeitung erreichen Sie mehr als 50% der Bevölkerung und dabei überproportional viele besser verdienende Menschen.“ – „Genau“, sagte der leicht genervte Doktor, „deshalb veröffentliche ich ja im Wechsel auch in der Tageszeitung nur kleinere Anzeigen, wegen der hohen Kosten. Das ist meine Strategie. Der Mix macht es, ich bin jede Woche sichtbar und habe regelmäßig mehr neue Patienten als meine Kolleginnen und Kollegen, die nicht werben. Letztendlich müssen sich alle Maßnahmen rechnen. Das ist der Punkt.“ Lämmer sprach, während er schrieb: „Sie sind ja Marketingexperte, Herr Doktor.“
Zahlen über Zahlen
Das Gespräch fing an, Dr. Fleißig Spaß zu machen. „Ich habe in den letzten Jahren einiges gelernt, vieles von meinem Marketingberater und meiner Agentur und vieles aus meinen Fehlern. Die Fehler waren übrigens teurer als die Berater.“ Felix Fleißig rückte seine Designerbrille zurecht. „Die Webseite, zum Beispiel, anfangs dachte ich, das läuft von alleine. Da habe ich mich über jeden Besucher gefreut und täglich die Statistik angesehen. Aber es waren insgesamt einfach zu wenige Kontakte.“ – „Und dann?“, fragte Lämmer nach. „Ich habe momentan jeden Tag über 600 Besucher auf meiner Seite. Auch hier macht es der Mix: Die Seiten sind für Suchmaschinen optimiert, die richtigen Stichworte sind hinterlegt, meine Seiten werden ständig aktualisiert und ich bin von fast 40 anderen Seiten verlinkt.“ – „Und das macht den Erfolg aus?“ – „Nicht allein, ich habe Bannerwerbung auf einigen lokalen Portalen geschaltet und werbe auch in Suchmaschinen. Das zusammen bringt mir über 50% meiner Besucher“, erklärte Dr. Fleißig, „in der bekanntesten Suchmaschine sehen monatlich über 60.000 Menschen meine Anzeige, und das für null Euro.“ Der Lokalreporter staunte. „Ich zahle nur für jeden Kontakt, also für jeden Klick auf meine Anzeige. Für 300,– Euro im Monat habe ich meistens über 400 interessierte Besucher mehr auf meinen Seiten. Da sind immer neue Patienten dabei.“ – „Beeindruckend, Herr Doktor, aber jetzt mal zum Persönlichen: Wie schaffen Sie das alles neben Ihrer eigentlichen Arbeit?“
Seitenanfang
Weniger ist mehr?
Felix Fleißig sah demonstrativ auf seine Armbanduhr. „Das gehört zu meiner eigentlichen Arbeit, Herr Lämmer. Ohne Marketing funktioniert keine Praxis. Es geht leider nicht nur um Fachkenntnisse. Übrigens, ich muss gestehen, heute habe ich mehr Zeit für mein Privatleben als noch vor zwei Jahren, obwohl ich viel mehr tue. Das Geheimnis liegt in der langfristigen Planung, in Kontinuität. Meine Strategie steht, alle meine Aktivitäten sind über das Jahr geplant. Und ich überprüfe alle drei Monate in einem kurzen Marketing-Workshop, ob meine Maßnahmen zu meiner Positionierung passen und Erfolg haben.“ – „Und wenn nicht?“, hakte der Reporter nach. „Dann wird eben optimiert. Eine Marke muss leben, Herr Lämmer. Wenn Sie sich heute die Werbung der bekannten Marken ansehen, dann ist die eben auch mehr oder weniger anders als letztes Jahr. Hauptsache, der Kern der Marke wird bewahrt.“ Torsten Lämmer fragte nach: „Haben Sie ein Beispiel?“ Felix Fleißig musste nicht lange nachdenken. „Meine Patientenbefragung im letzten Jahr hatte ergeben, dass die Stühle in unserem Wartezimmer unbequem waren. Dabei war ich so stolz, dass sie farblich zu 100% zu meinem Logo passten. Ich habe gehandelt und neue, bequemere Stühle angeschafft. Die Farbe ist zwar ein bisschen zu dunkel, aber die Patienten sitzen bequem. Darum geht es. In meiner Praxisphilosophie habe ich festgelegt, dass sich meine Patientinnen und Patienten vom ersten Kontakt an bei mir wohlfühlen sollen.“
Einfache Grundregeln der Markenführung |
1. Kommen Sie auf den Punkt! Eine funktionierende Marke wird durch wenige Schlüsselreize, durch wenige Bilder und Aussagen definiert. Und die sollten kontinuierlich beibehalten werden. |
2. Verwässern Sie Ihre Marke nicht! Achten Sie immer gewissenhaft auf die optisch und inhaltlich korrekte Darstellung Ihrer Marke und auf das richtige Umfeld. Ihre Qualität, Ihre Werte, Ihr Versprechen müssen stets gewahrt werden. |
3. Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Positionierung! Bleiben Sie sich Ihrer Stärken bewusst. Prüfen Sie, mit welcher Botschaft Sie Ihre Zielgruppe erreichen. Korrigieren Sie die Positionierung bei Bedarf. |
4. Holen Sie sich Unterstützung! Externe Berater und Partner können Ihre Aktivitäten schneller, ohne Vorurteile und Betriebsblindheit beurteilen. |
5. Setzen Sie Reize! Trauen Sie sich, einzigartig zu sein. Erzeugen Sie Emotionen. Differenzieren Sie sich vom Wettbewerb. Werden Sie begehrenswert. |
6. Seien Sie sinnlich! Über 80% aller Sinneseindrücke werden mit den Augen wahrgenommen. Machen Sie Ihre Marke auch auf allen anderen Sinneskanälen erlebbar. |
7. Setzen Sie auf Vielfalt! Der Marketingmix macht es. Finden Sie die für sich besten Medien und mixen Sie Ihre Marketingaktivitäten. |
8. Sorgen Sie für die richtigen Kontakte! Reichweite ist nicht alles. Bewerten Sie Ihre Marketingmaßnahmen nach Anzahl, Qualität und Preis der erzielten Kontakte. |
9. Behalten Sie Ihre Zielgruppe(n) im Auge! Achten Sie auf die Wünsche Ihrer Patienten und schaffen Sie kontinuierlich positive Erlebnisse im Rahmen Ihrer Markenkultur. |
10. Beobachten Sie Ihren Wettbewerb! Das Bessere ist des Guten Feind: Reagieren Sie flexibel auf Aktionen Ihrer Marktbegleiter. |
11. Lassen Sie andere für Ihre Marke sprechen! Sorgen Sie dafür, dass andere von Ihnen erfahren. Lassen Sie sich empfehlen. Lassen Sie die Presse, Ihre Patienten und Multiplikatoren Ihre Markenbotschaft weitertragen. |
12. Setzen Sie sich Ziele! Legen Sie die Messlatte immer hoch an. Fixieren Sie Ihre konkreten Marketingziele schriftlich. |
13. Messen Sie Ihren Erfolg! Überprüfen Sie anhand von Kennzahlen die Effizienz Ihrer Marketingmaßnahmen. Befragen Sie regelmäßig Ihre Patientinnen und Patienten. |
14. Planen und handeln Sie langfristig! Einzelaktionen bringen wenig. Alle Maßnahmen sollten kontinuierlich und wiederkehrend eingesetzt werden. |
Alles wird gut
Ein großer, gut aussehender Mann im weißen Hemd klopfte Dr. Fleißig kräftig auf die Schulter. „Na Felix, wie geht’s? Sehen wir uns morgen im Wirtschaftsclub?“ Felix Fleißig erwiderte lächelnd den Gruß und bejahte. „Hallo Markus, wir sehen uns.“ Er wandte sich wieder dem Reporter zu. „Ich muss mich jetzt leider verabschieden. Übrigens, das war derjenige, der den Anstoß gegeben hat, meine Marke zu entwickeln. Damals musste er mich richtig überreden. So viel Arbeit, so viel Geld, ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.“ Der zerzauste Lokalreporter hörte Felix Fleißig weiter zu. „Auf die Anregung von Dr. Markmann habe ich mir eine Marketingagentur gesucht, meine Positionierung erarbeitet und mein Corporate Design erstellen lassen. Die haben mich dabei unterstützt, eine Marketingstrategie zu entwickeln und Schritt für Schritt wirksame Maßnahmen umzusetzen. Anfangs dachte ich nur über die Investitionen nach, dann hat es sich ganz schnell gerechnet.“ – „Herr Dr. Fleißig“, fragte der Reporter, „vielleicht sollte ich Sie in der Zeitung doch als Markenexperte vorstellen. Das könnte für viele Freiberufler und Mittelständler interessant sein.“ – „Man muss kein Experte sein, um als Marke erfolgreich zu werden“, warf Dr. Fleißig ein, „die richtigen Partner, die richtigen Prozesse und dann Planung und Kontinuität. Nie aufhören, etwas zu tun.“ Torsten Lämmer zweifelte: „Aber so, wie Sie dastehen, könnten Sie doch jetzt in Sachen Marketing weniger machen?“ Felix Fleißig blickte ihm ernst in die Augen. „Wissen Sie, Herr Lämmer, in den nächsten Jahren werden in Deutschland sicherlich viele Praxen schließen müssen. Meine wird definitiv nicht dazugehören. Ich denke eher, dass ich noch ein bis zwei Kollegen einstellen werde. Und dafür muss ich etwas tun.“ Der Doktor winkte seiner Frau zu und schüttelte dem Reporter die Hand. „Ich sende Ihnen meinen Artikel als Entwurf“, sagte Lämmer und steckte seinen Block ein. Dr. Felix Fleißig ging ein paar Schritte auf seine Frau zu, gab ihr einen zärtlichen Kuss und verließ mit ihr das Eisstadion. Auf dem Parkplatz stoppte er kurz vor seinem neuen, weißen Volvo und betrachtete versonnen sein dezent auf der Heckklappe platziertes Logo.
Resümee
Investieren Sie in Ihre eigene Marke. Sicherer und gewinnbringender können Sie nicht investieren. Orientieren Sie sich immer an Ihren Stärken. Planen und handeln Sie langfristig. Überprüfen Sie Positionierung, Strategie und Maßnahmen regelmäßig und optimieren Sie sie gegebenenfalls. Der Erfolg Ihrer Marke bestimmt Ihren unternehmerischen Erfolg. Sie selbst sind heute schon Ihre Marke. Sind Sie mit Ihrer Marke zufrieden?
Autoren: Prof. Dr. Thomas Sander, Bernd Ahlers