Branchenmeldungen 21.02.2011
"Die Mundgesundheit bei Älteren und Pflegebedürftigen muss sich verbessern"
Statement von Dr. Udo Lenke, Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
Die demografische Entwicklung der deutschen Bevölkerung wird uns in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellen. Im Jahr 2050 wird es mehr als doppelt so viele ältere (über 59-jährige) wie jüngere (unter 20-jährige) Menschen in Deutschland geben. Damit wird sich auch der Anteil an hilfs- und pflegebedürftigen älteren Menschen in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Allein in den Jahren 1999 bis 2005 nahm die Zahl der pflegebedürftigen Menschen um circa 5 Prozent auf 2,13 Millionen zu.
Die Möglichkeiten der erforderlichen Mundhygienemaßnahmen sind bei dieser Zielgruppe eingeschränkt. Die Gründe dafür sind die mit zunehmendem Alter einhergehende Multimorbidität sowie nachlassende manuelle Fähigkeiten, häufiger Konsum kariogener Speisen und eine Vielzahl an Medikamenten, die den Speichelfluss reduzieren. Dies führt bei pflegebedürftigen Menschen häufig zu einem unbefriedigenden Mundhygienestatus.
Die Heidelberger Studie aus dem Jahr 2008 (Dieke, A.: Longitudinale Untersuchung zur Mundgesundheit bei institutionalisierten älteren Menschen) kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Mundgesundheitszustand von Senioren in den geprüften Pflegeeinrichtungen innerhalb von 14 Monaten zunehmend verschlechtert. In weiteren bundesweiten Studien wird auf ein allgemeines Defizit im Bereich der Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege hingewiesen, verursacht durch die bisher unzureichende Ausbildung des Pflegepersonals.
Die Zahnärzte in Baden-Württemberg haben den Handlungsbedarf erkannt und sich zum Ziel gesetzt, die genannten Mängel durch die Entwicklung eines zahnärztlichen Betreuungskonzeptes für den Bereich der Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege zu beseitigen. Damit soll ein entscheidender Schritt getan werden, die Mundgesundheit und damit die Lebensqualität pflegebedürftiger älterer Menschen nachhaltig zu verbessern.
Das bereits im Jahr 2007 von der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg initiierte und derzeit aktualisierte Konzept für die genannte Zielgruppe basiert auf zwei Ansätzen: Zum einen sind zahnärztliche Schulungen für das Pflegepersonal dringend notwendig. Um diese Aufgabe flächendeckend durchzuführen, wurden in Baden-Württemberg in jeder der 38 etablierten zahnärztlichen Kreisvereinigungen jeweils ein Senioren- und Behindertenbeauftragter bestellt. Deren Aufgabe ist es, in ihrer Region Teams mit Betreuungszahnärzten zusammenzustellen und Schulungen der Teams vor Ort zu organisieren. Dabei leisten die von der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg erarbeiteten Schulungsmaterialien wertvolle Hilfe im Bereich der Aufklärungsarbeit. Abgestimmt werden die Schulungen in enger Kooperation mit den Gesundheitsfachdiensten der jeweiligen Landratsämter.
Der zweite Ansatzpunkt des Betreuungsprojektes beinhaltet die enge Zusammenarbeit mit den privaten Altenpflegeschulen des Landes. Hier soll das Ziel erreicht werden, die Ausbildung zum Altenpfleger durch die Aufnahme zahnmedizinischer Inhalte zu verbessern und die Pflegkräfte insgesamt für die wichtige Thematik zu sensibilisieren. So wurden bereits für Theorie und Praxis in der Altenpflegeausbildung drei zahnmedizinische Module im Umfang von je acht Schulstunden erarbeitet und eine eintägige Fortbildungsveranstaltung für Lehrkräfte konzipiert, die als Pilotveranstaltung im Frühjahr dieses Jahres im Zahnärztehaus Stuttgart durchgeführt wird.
Mit dem vorliegenden Betreuungsprojekt zur Verbesserung der Mundgesundheit bei älteren und pflegebedürftigen Menschen wird deutlich, dass die Zahnärzteschaft in Baden-Württemberg den sich ändernden Herausforderungen durch den demografischen Wandel und ihrer hohen Verantwortung für die Mundgesundheit der Bevölkerung bewusst ist.
Zugleich wird mit diesem Projekt ein nachhaltiger Beitrag zur qualitativen Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Pflegebedürftigkeit geleistet. Mit der Bewerbung des vorliegenden Projektes für den Qualitätsförderpreis Gesundheit 2009, der vom Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg gestiftet wird, erhofft sich die Zahnärzteschaft im Land, dass die hohe Bedeutung der Thematik eine größere Öffentlichkeitswirkung entfaltet.
Aus: ZWP 4/2009