Implantologie 03.05.2012
Regeneration des Zahnhalteapparats durch autologe Stammzellen
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Zelltransplantation ist in der medizinischen Fachwelt gegenwärtig ein brandaktuelles Thema und es ist davon auszugehen, dass zellulär basierte Therapien, die autologe Zellen verwenden, in der Zukunft eine zentrale klinische Rolle spielen werden (Götz, 2012). Es hat sich gezeigt, dass Zelltransplantation verglichen mit dem Einsatz von Trägermaterial allein als Kontrollgruppe die parodontale Regeneration fördert.
Parodontale Erkrankungen sind infektiöse Erkrankungen, die durch eine Destruktion des Parodonts, inklusive des parodontalen Faserapparates, des Zements, des Alveolarknochens und der Gingiva gekennzeichnet sind. Die Parodontitis ist in Übereinstimmung mit internationalen epidemiologischen Untersuchungen der Hauptgrund für den Zahnverlust nach dem 35. Lebensjahr und ein gesundheitspolitisch hoher Kostenfaktor für Krankenkassen und andere Versicherungsträger. Des Weiteren steht die Parodontitis mit systemischen Erkrankungen, wie Diabetes, Erkrankungen des kardiovaskulären Systems und mit respiratorischen Erkrankungen, im Zusammenhang. Dies wird durch die Ergebnisse aus einer repräsentativen Untersuchung des National Center for Health Statistics der USA unterstrichen, aus der ein Nachweis für eine schwere chronische Entzündung des Zahnhalteapparates bei circa 15% der erwachsenen Bevölkerung der USA ableitbar ist (Amar, 2003). Ein Bevölkerungsanteil von ca. 10–14% der erwachsenen Bevölkerung über 35 Jahren weist dabei in Deutschland den höchsten klinischen Schweregrad der chronischen marginalen Parodontitis auf (IDZ, 2006). Die gesundheitspolitische Bedeutung der chronischen marginalen Parodontitis ist mit aktuellen jährlichen Behandlungskosten, ohne Folgekosten, von mehr als 500 Millionen Euro eindrucksvoll darstellbar. Innerhalb dieser Therapiekosten nimmt die chirurgisch-regenerative Parodontaltherapie, neben der antiinfektiösen konservativen Parodontaltherapie, den höchsten Anteil zur Behandlung der chronischen marginalen Parodontitis in Anspruch. Untersuchungen von Kocher et al. (2008) zeigen die gegenwärtige Effektivität der parodontalen Erhaltungstherapie im Vergleich zum Zahnersatz. In den letzten Jahren wurde deshalb verstärkt nach weiterführenden Therapieverfahren gesucht, wobei eine Möglichkeit die Verwendung von autologen Stammzellen und das damit verbundene Tissue Engineering darstellt. Weitgehend unklar bleibt, ob die transplantierten Zellen sich in Osteoblasten, Zementoblasten und Fibroblasten differenzieren, um Knochen bzw. Zement und parodontales Ligament zu bilden, oder ob sie umgebende Wirtszellen einbeziehen, um die Regeneration des parodontalen Gewebes nach einer destruktiven chronischen Entzündung (marginale Parodontitis) zu fördern.
Zielstellung
Ziel ist es, durch die Verwendung von autologen adulten Stammzellen eine dauerhafte Regeneration des Zahnhalteapparats zu erzielen. Hierbei können verschiedene adulte Stammzellquellen zur Anwendung kommen. Gegenwärtig werden deshalb in der parodontologischen Grundlagenforschung zwei regenerative Therapieansätze (Abb. 1) untersucht (Nakahara et al. 2006):
- ex vivo: Dabei wird das parodontale Gewebe als Zellkultur auf der Grundlage eines bioabbaubaren Zellträgermaterials unter Verwendung von spezifischen Zellmedien im Labor expandiert.
- in vivo: Dabei werden entweder gewebespezifische Wachstumsfaktoren oder gentechnisch veränderte Proteine in den parodontalen Defekt (überwiegend auf der Basis von „releasing systems“) eingebracht, um damit die natürliche parodontale Wundheilung zu verbessern.
Beiden Therapieansätzen gemeinsam ist, dass sich während der parodontalen Wundheilung bei einer chronisch-destruktiven Entzündung die lokalen Stammzellen über die gewebespezifischen Vorläuferzellen in die notwendigen Zielzellen differenzieren (Abb. 2).
Neuer Forschungsansatz
Ein entscheidender neuer Forschungsansatz für die regenerative Parodontologie entsteht aus dem zellbasierten Vorgehen nach der in vitro-Isolation und Proliferation von parodontalen Stammzellen aus dem Zahnhalteapparat von extrahierten Zähnen (Seo et al. 2004). Diese parodontalen Stammzellen sind in zweidimensionalen Zellkulturen auf Plastikoberflächen adhärente Zellen, die in der Lage sind, Kolonien zu bilden und den aus dem Knochenmark gewonnenen humanen mesenchymalen Stammzellen (hMSCs) weitgehend ähneln. Dabei sind diese parodontalen Stammzellen offensichtlich eine Population multipotenter Stammzellen, die die Fähigkeit besitzen, sowohl alveolären Knochen, Zement als auch parodontalen Faserapparat nach in vivo-Transplantation in verschiedenen Tiermodellen (Minischwein, immundefizitäre Ratte bzw. Maus, Schaf) zu bilden (Übersicht in Bartold et al. 2006). Parodontale Stammzellen sind durch spezifische mesenchymale Stammzellmarker mit übereinstimmenden Zelloberflächen-Antigen-Profilen wie Nestin, STRO-1/CD146 sowie durch eine perivaskuläre Lokalisation gekennzeichnet (Morsceck et al. 2007). Allerdings bleibt die genaue Charakteristik der parodontalen Stammzelle auf der Grundlage der vorliegenden aktuellen Literatur uneinheitlich, sowohl in Bezug auf die morphologische Stammzellbeschreibung als auch unter Berücksichtigung des Spektrums von Zelloberflächenmarkern. Neueste Untersuchungen unterstreichen das Differenzierungsprofil der parodontalen Stammzellen als lokale somatische Zellresource der parodontspezifischen Zielzellen (Bartold et al. 2006).
Forschungsverlauf
Unsere Forschungsgruppe entwickelte ein Verfahren (Widera et al. 2007) zur Isolation und Expansion humaner adulter parodontaler Stammzellen (periodontium-derived Stem Cells, pdSCs). In einer in vivo „Proof-of-Principle“-Studie konnte das Regenerationspotenzial der pdSCs in einem Nacktrattenmodell nachgewiesen werden (Grimm et al. 2011). In Parallelstudien bildeten pdSCs zementartige Strukturen, die sich nach Transplantation mit HA/TCP in immunkompromittierte Mäuse mit PDL-artigem Bindegewebe verbanden. Daher stellen autologe Zellen, einschließlich pdSCs, wertvolle vom Patienten stammende therapeutische Ressourcen dar, die für die natürliche Wiederherstellung von parodontalen Gewebe verwendet werden können, das durch parodontale Erkrankungen zerstört wurde. Da die parodontale Regeneration mit dem bisher angewandten Standardtherapieverfahren der gesteuerten parodontalen Geweberegeneration (GTpR) bei fortgeschrittener parodontaler Destruktion infolge einer schweren Parodontitis bzw. dem oben genannten in vivo-Therapieansatz nicht sicher vorhersagbar ist, haben wir den ex vivo zellbasierten Therapieansatz weiterverfolgt. Als Ausgangsmaterial diente hochentzündliches parodontales Gewebe, welches mittels mikrochirurgischer, minimalinvasiver Vorgehensweise entnommen wurde. Danach wurden die Zellen isoliert und ex vivo expandiert, um somit die Grundlagen für eine neuartige Methode zur Regeneration von parodontalem Gewebe zu entwickeln. Als Resultat der hier angewandten Technik (Arnold et al. 2010) erhielten wir eine Population von Sphäroidkulturen (Abb. 3a). Im TEM zeigten sich Zellcluster, deren Zelloberfläche durch Pseudopodien charakterisiert war. Die Pseudopodien zwischen den einzelnen Zellen wiesen Zellbrücken mit deutlich ausgeprägten Pseudopodien auf, die an der Zelloberfläche untereinander anastomosieren (Abb. 3b). Abbildungen 3c–e stellen die PCR-Analyse (c) sowie ihre Verifizierung mittels Durchflusszytometrie (d) und Immunhistochemie (e) dar. Gezeigt sind hier nur die Ergebnisse für pdSCs, da sie identisch mit den Ergebnissen für dpSCs sind. Weder in der PCR-Analyse noch in der immunhistochemischen Analyse konnte GFAP nachgewiesen werden (Widera et al. 2007).
Präsenz von Markermolekülen
Diese, von uns als „Dentosphären“ bezeichnete Zellsphären, sind selbstadhärente dreidimensionale Zellcluster und ähneln den in in vitro-Kulturen muriner, neuraler Stammzellen beobachteten „Neurosphären“. Die nachfolgende Charakterisierung der pdSCs sowie der als Vergleichsstammzellen gewählten pulpalen Stammzellen (dpSCs) mittels PCR ergab die Expression von stammzellrelevanten Markermolekülen, wie Nestin und Sox-2 (Abb. 4a). CD117, der Stem Cell Factor (SCF) Rezeptor (auch c-kit Rezeptor) genannt, konnte bei dpSCs, nicht aber bei pdSCs nachgewiesen werden. Hämatopoetische Stamm-/Progenitorzellen-spezifische (HSPZ) Markermoleküle, wie CD133, CD34 und CD45, konnten weder in dpSCs noch in pdSCs nachgewiesen werden. Die PCR-Ergebnisse wurden durch Durchflusszytometrie (Abb. 4b) sowie Immunhistochemie (Abb. 4c) verifiziert. Bei der immunhistochemischen Analyse wurden die Zellen auch auf die Expression von b-III-Tubulin, einem neuronalen Markermolekül, untersucht. Sowohl pdSCs als auch dpSCs sind b-III-Tubulin negativ. Gleiches gilt für das „glial fibrillary acidic protein (GFAP)“, welches einen Differenzierungsmarker darstellt (Abb. 5). Nach Adhäsion auf poly-D-Lysin/Laminin beschichteten Oberflächen, differenzieren pdSCs spontan in neuronale Zellen aus. Durch Zugabe von Retinsäure kann die neuronale Differenzierung weiter getriggert werden, wie der Nachweis der neuronalen Marker b-III-Tubulin, MAP2, NF-L, NF-M und NF-H beweist.
Differenzierungsfähigkeit
Ein weiteres Charakteristikum von Stammzellen ist deren Befähigung zur Differenzierung. Hier konnten wir für die nach unserer Methode isolierten und expandierten parodontalen Stammzellen zeigen, dass sie in Gegenwart geeigneter Differenzierungsmedien sowohl in die neuronale Linie als auch in die osteogene Linie differenzieren können (Abb. 6a und b). Der „Proof-of-Principle“ erfolgte im Tier, wobei als Modellsystem die athymische Ratte ausgewählt wurde. Hierzu wurden die pdSCs auf Kollagenschwämmen in einen formkongruenten parodontalen Defekt am ersten Rattenmolaren in der Mandibula transplantiert. Auf der ipsilateralen Kontrollseite erfolgte die Applikation eines Kollagenschwammes ohne Zellen. Die histologische Analyse von transplantierten Tieren in einer Zeitreihe von bis zu acht Wochen nach der Operation zeigte einen weitestgehenden Abbau des kollagenen Schwammes im artifiziellen Defekt sowohl auf der Test- als auch der Kontrollseite (Abb. 7). Dabei zeigte sich in den artifiziellen Defekten eine Neuorganisation parodontaler Gewebestrukturen auf der mit parodontalen Stammzellen transplantierten Seite. So konnten neuformierter Knochen und neues parodontales Ligament histologisch nachgewiesen werden. Das parodontale Ligament zeigte eine teils horizontale und teils schräg verlaufende Anordnung der Fasern (Abb. 7a und 7b). Neugebildetes Zement konnte in der experimentellen Kerbe histologisch nachgewiesen werden.
Kultivierbarkeit
Parallel untersuchten wir, ob pdSCs auf Implantatoberflächen kultiviert werden können. Hierzu wurden Dentosphären mit Accutase verdaut und die Einzelzellsuspension nachfolgend auf keramischen Probekörpern für bis zu sieben Tage kultiviert. Es konnte beobachtet werden, dass pdSCs sowohl als Einzelzellen als auch als Zellcluster auf der Oberfläche wuchsen (Abb. 8). Die qualitative Auswertung erfolgte durch konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie. Hierzu wurden die pdSCs mit dem Vitalfluoreszenzfarbstoff CellTracker Green gefärbt und erscheinen grün gesprenkelt. Nachfolgend wurden sie mit 4% Paraformaldehyd fixiert. Die Rekonstruktion der 3-D-Schichtaufnahmen erfolgte mithilfe der Volocity Software (Improvision Inc. Lexington, USA). Eine Prädifferenzierung der Zellen fand nicht statt.
Zellmigrationsstudien
Die Migrationsfähigkeit ist ein Hauptmerkmal von Stammzellen. Wir untersuchten das Migrationsverhalten der pdSCs, indem wir ein Boyden-Migrations-Assay durchführten (Abb. 9).
Boyden-Migrations-Assay
Dabei konnten wir darstellen, ob adhärente pdSCs immer noch migratorisch aktiv und damit für den Regenerationsprozess förderlich sind, oder ob sie an Ort und Stelle bleiben. Mit pdSCs beschichtete Trägermaterialien wurden in eine dreidimensionale Kollagenmatrix inkorporiert. Die Zellmigration wurde durch Zeitraffer-Videomikroskopie aufgezeichnet und durch computergestütztes Zelltracking analysiert. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie eine kontinuierliche Überwachung der migrierenden Zellen ermöglicht (Grimm et al. 2009). Die Isolierung und Charakterisierung von pdSCs aus parodontalem Gewebe wurden unter serumfreien Bedingungen mit dem Zusatz von FGF-2 (fibroblast-growth-factor-2) und EGF (epidermal-growth-factor) durchgeführt. Um potenzielle Artefakte durch Aufnahme von BrdU zu vermeiden, wie z.B. die Bindung an DNA-„repair sites“, wurde die Proliferation der pdSCs durch eine Bestimmung der totalen Zellzahl analysiert.
Die Verdopplungszeit der Populationen der pdSCs, ebenso wie der aus der Pulpa von Weisheitszähnen gewonnenen Stammzellen, lag bei ungefähr 24 Stunden.
Ergebnis
Mit unseren Versuchsmethoden konnte somit nachgewiesen werden, dass die aus hochentzündlichem parodontalen Gewebe stammenden pdSCs signifikant schneller proliferieren als die pulpalen Stammzellen (dpSCs), die aus dem Zahnfollikel vollständig impaktierter Weisheitszähne stammen (Abb. 10). Im Vergleich zu den Kulturen, die von der dentalen Pulpa menschlicher Weisheitszähne gewonnen wurden, zeigten die pdSCs aus dem parodontalen Gewebe einen signifikant höheren Zuwachs der Zellzahl nach 72 und 96 Stunden der Kultivierung (p<0.001). Die Migration der Zellen wurde weiterhin mithilfe des 3-D-Kollagenmatrix-Migrationsassays untersucht (Keeve et al. 2012). Da hierbei die Migration der Zellen im Zeitrafferverfahren aufgezeichnet wird, erlaubt diese Methode die Determination verschiedenster Parameter, wie die Dauer der aktiven Migration, die Anzahl der Pausen sowie der Pausenlänge und die Zahl der sich bewegenden Zellen. Darüber hinaus ermöglicht diese Methode die Analyse der Zellmigration aus den Dentosphären. Wie aus Abbildung 11 (Pfeile) ersichtlich ist, wandern bereits nach zwei Stunden erste parodontale Stammzellen aus den Dentosphären aus und migrieren in die Peripherie. Ob diese Zellen primär auf der Außenseite der Dentosphären gesessen haben oder aus dem Inneren der Dentosphären nach außen gewandert sind, lässt sich abschließend nicht sagen, da die Auflösung des Lichtmikroskops zu gering ist. Mit zunehmender Beobachtungsdauer ist erkennbar, dass immer mehr parodontale Stammzellen aus den Dentosphären auswandern und in die Peripherie migrieren. Die Zugabe von EGF (100ng/ml) hatte dabei einen leicht inhibierenden Einfluss auf die Migration von pdSC-Einzelzellen. Sie betrug nur noch 13,0±4,9% (Abb. 12).
Diskussion
Eine adulte Stammzelle ist per definitionem eine Zelle, die multipotent, klonogen, hochproliferativ und fähig zur Geweberegeneration ist. Allgemein geht man davon aus, dass das Gewebe eine kleine Fraktion von Stammzellen mit einzigartigen Fähigkeiten beinhaltet, die sich von Natur aus von den ausgereiften Zellen unterscheiden. Diese Theorie wurde durch die Isolation weniger, aus dem Knochenmark stammender hämatopoetischer Stammzellen (HSCs) untermauert. Diese sind multipotent und führen zur Entwicklung von entsprechenden Progenitorzellen, die sich daraufhin nur noch in eine spezifische Zelllinie des hämatopoetischen Systems (myeloide, erythrozytische, megakaryozytische oder lymphozytische Serien) entwickeln können. Die von den Progenitorzellen abstammenden, nun weiter ausdifferenzierten Zellen verlieren graduell mit der Alterung und den differenzierteren Funktionen ihr Proliferationspotenzial (Weissman, 2000).
Typischerweise generieren Stammzellen Zwischenzelltypen, bevor sie ihren vollausdifferenzierten Zustand erreichen. Diese intermediäre Zelle wird als Precursor- oder Progenitorzelle (z.B. Präfibroblasten, Präosteoblasten etc.) bezeichnet (Ivanovski et al. 2006). Experimente (Morsczeck et al. 2007) haben gezeigt, dass humanes Knochenmark, Gewebe der Zahnpulpa sowie frisch isoliertes, menschliches parodontales Gewebe, stammend von vollständig impaktierten Weisheitszähnen, Stammzellen enthält, die fähig sind, sich in vitro in Zementoblasten, Osteoblasten, Adipozyten und Gliazellen und neuronenähnliche Zellen zu differenzieren und in vivo ein dem Zement/parodontalen Faserapparat ähnliches Gewebe zu bilden. Diese Stammzellen sind als STRO-1/CD146-positive Progenitors charakterisiert worden, die von einer perivaskulären Nische stammen (Miura et al. 2003, Liu et al. 2008).
Marker für undifferenzierte Zellen
Des Weiteren konnten in oben genannten Studien Sox2 und Nestin sowohl im Gewebe des Zahnfollikels als auch im aus dem nichtentzündlichen und aus dem hochentzündlichem Parodont stammenden Gewebe nachgewiesen werden, was auf ihre mögliche Rolle als Marker für undifferenzierte Zellen hindeutet. Notch-1 wurde als Marker für neuronale Stammzellen und für vermeintliche dentale Stammzellen beschrieben (Harada et al. 1999, Johansson et al. 1999). Der aktive Notch-1-Bestandteil in mesenchymalen Precursorzellen unterdrückt die Differenzierung der Osteoblasten in vitro (Shindo et al. 2003). Nestin, eines der Intermediärfilamente, die das Zytoskelett aufbauen, ist ein Marker für neurale Stammzellen oder Progenitorzellen. Seine Expression ist ebenso mit der Zahnentwicklung und der Tertiärdentinbildung vergesellschaftet (Fujita et al. 2006). Eine ähnlich hohe Expression von Nestin wurde bei der Zahnentwicklung in den Odontoblasten beobachtet (Terling et al. 1995).
Weiterhin wird die Nestinexpression in kariösen Zähnen oder nach Traumen in den Odontoblasten, welche die verletzte Stelle begrenzen, hochreguliert. Dies deutet auf eine Verbindung zwischen der Fähigkeit des Gewebes zur Reparation und der Hochregulation des Nestins unter pathologischen Bedingungen hin (About et al. 2000). Miura und Mitarbeiter (2003) konnten zeigen, dass Stammzellen der Zahnpulpa menschlicher extrahierter Milchzähne in der Lage sind, sich in Zellen mit neuronalem und glialem Phänotyp zu differenzieren. Weiterhin können aus dem parodontalen Faserapparat gewonnene Stammzellen den für Sehnen spezifischen Marker Scleraxis exprimieren (Shi et al. 2003).
Während der Zahnentwicklung wird Nestin erstmals im Glockenstadium und in den Zellen der Zahnpulpa, welche sich im „Cup“-Stadium des fetalen Zahnes befinden, exprimiert und ist nicht im Zahnfollikel nachzuweisen (About et al. 2000). Dahingegen konnte in früheren Studien Nestin in Teilen des menschlichen Zahnfollikels nachgewiesen werden (Morsczeck et al. 2005). Auch wir konnten Nestin in dem aus hochentzündlichen parodontalen Arealen stammendem Gewebe wie auch aus dem Gewebe der Pulpa von Weisheitszähnen nachweisen (Widera et al. 2007). Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Nestin und Sox2 Marker für Precursorzellen der Pulpa von Weisheitszähnen als auch für Precursorzellen des parodontalen Faserapparates sind. Der Nachweis von für mesenchymale Stammzellen spezifischen Markern sowie der Nachweis von für neurale Stammzellen spezifischen Markern an parodontalen Stammzellen weisen zum einen auf die von Sakaguchi und Mitarbeiter (2004) angenommene Heterogenität der Zellen des parodontalen Faserapparates hin und sind zum anderen Beweis für die epithelial-mesenchymale Transformationskapazität (EMT) dieser Stammzellen.
Herkunft parodontaler Stammzellen
Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die parodontalen Stammzellen ektomesenchymaler Herkunft sind, da sie sich unter entsprechenden Bedingungen in neuronale Zellen und Gliazellen differenzieren. Aufgrund dieser Fähigkeiten haben wir die aus dem Parodont gewonnenen Stammzellen auch als „periodontal ligament derived neural stem cells“ (pdNSCs) bezeichnet (Widera et al. 2007, Grimm et al. 2011). Unsere Ergebnisse zeigen, dass humanes Parodont eine Population multipotenter, postnataler Stammzellen enthält, die in vitro isoliert und angezüchtet werden können, hochgradig migrationsfähig sind und somit ein leicht zugängliches Stammzellreservoir für zellbasierte regenerative Behandlungsmethoden der Parodontitis darstellen. Dies konnten wir in ersten klinischen Anwendungen (Grimm und Giesenhagen, in Vorbereitung) zur stammzellinduzierten vertikalen Knochenaugmentation mit der Knochenringtechnik nach Giesenhagen und Yüksel (2010) inzwischen nachweisen.
Eine Literaturliste ist beim Verfasser erhältlich.
Danksagung
Herrn Prof. Dr. Th. Dittmar, Leiter der Arbeitsgruppe „Tumorstammzellen“ am Institut für Immunologie der Universität Witten, bin ich für die Organisation und Durchführung der in vitro-Untersuchungen zur parodontalen Stammzelle zu großem Dank verpflichtet.
Anmerkung
Die Ergebnisse dieser Studie zu den therapeutischen Verwendungsmöglichkeiten von mesenchymalen und ektomesenchymalen Stammzellen zur Regeneration des Zahnhalteapparats sind Bestandteil des eBooks „Minimalinvasive Parodontologie und Implantologie“, das von Prof. Grimm als Herausgeber zusammen mit einem Team von renommierten nationalen und internationalen Autoren erarbeitet und von der OEMUS MEDIA AG Leipzig zur Publikation vorbereitet wird. Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des Kapitels „Neue Konzepte der minimalinvasiven stammzell-induzierten vertikalen Augmentationstherapie mit homologen humanen Knochenringen“ erarbeitet. Das eBook „Minimalinvasive Parodontologie und Implantologie“ wird kapitelweise veröffentlicht und wird dann dem Leser mit allen Inhalten (Texte, klinische Fallpräsentationen und klinische OP-Filme) online über die Plattform www.zwp-online.info/de/publikationen/ebook-library der OEMUS MEDIA AG Leipzig zugänglich sein.