Endodontologie 10.07.2012

Füllungen in einem Schritt: Heute schon Realität?

Bulk-Technik

Unsere beruflichen Glaubenssätze sind eine komplexe Kombination aus wissenschaftlich belegten Fakten und emotional begründeten Überzeugungen. Diese Kombination ist auch in Bezug auf die Füllungstherapie zu finden. Wir wissen alle, oder sollten zumindest wissen, dass Adhäsive der 4. Generation zuverlässiger sind als einfache Adhäsivsysteme. Es zeigt sich jedoch seit mehreren Jahren, dass Einflaschen-Adhäsive am Markt sehr viel erfolgreicher sind als Mehrflaschensysteme.

Aufgrund der wissenschaftlichen Forschung wissen wir auch, je mehr Schichten, in Richtung des Höckerabhanges unter Vermeidung von Überschuss, gelegt und mit der geringst möglichen Intensität über die längst mögliche Zeitspanne (innerhalb eines bestimmten Intensitäts- und Zeitrahmens) lichtgehärtet werden, desto besser sollten die Ergebnisse sein.
Trotzdem füllen die meisten Zahnärzte Kavitäten weltweit in nur einem Schritt mit viel Überschuss und härten diese Füllungen so schnell wie möglich aus. Der Überschuss wird später einfach mit Bohrern entfernt. Warum ist das so? Die Antwort ist eindeutig: weil damit Zeit gespart wird. In der evidenzbasierten Zahnheilkunde gibt es immer noch keine klaren Vorgaben, was die Anzahl der Schichten bzw. der Belichtungen betrifft, die nötig sind, um effizient und sicher zum Ziel zu kommen. Aus diesem Grund gibt es eine hohe Nachfrage nach zeitsparenden Bulk-Materialien mit reduziertem Schrumpfungsstress, die sich gut adaptieren lassen und eine zufriedenstellende Aushärtetiefe zeigen.

Es stehen bereits viele Materialien zur Verfügung, die in dieser Richtung Lösungsansätze bieten. Meistens handelt es sich dabei um fließfähige Bulk-Composites, die als Dentinersatz angewendet werden und mit einem Universalcomposite überschichtet werden müssen. Da die meisten dieser Materialien große Füllerpartikel enthalten, die ihre Polierbarkeit beeinträchtigen, bleiben Abrasion und Oberflächenrauigkeit meist unter einem klinisch akzeptablen Niveau. Eine Anwendung ohne Deckschicht ist daher nicht möglich. Andere Materialien wiederum sind zu transluzent, wodurch zwar eine erhöhte Lichtdurchlässigkeit gegeben ist, aber die Füllungen meist einen Grauschimmer aufweisen. Die Ansprüche an ein geeignetes Material sind hoch. Daher ist es Herstellern erst in jüngster Vergangenheit gelungen, akzeptable Lösungen zu finden.

Betrachten wir die Eigenschaften von konventionellen Composites und Lichtgeräten, so sehen wir, dass folgende Aspekte einer Verbesserung bedurften:

1. Anstelle der üblichen 2mm müssen Durchhärtetiefe und Lichtdurchlässigkeit mindestens 4mm betragen, um die Anwendung der Bulk-Technik zu ermöglichen. 
2. Eine längere Verarbeitungszeit ist nötig, um das Composite richtig an die Kavitätenwände adaptieren zu können und Überschüsse möglichst zu vermeiden.
3. Der Polymerisationsschrumpf (besonders der Schrumpfungsstress) muss-te stark reduziert werden, da die Menge an Composite, die bei in einem Schritt
gelegten Füllungen ausgehärtet werden muss, größer ist als bei geschichteten Füllungen.
4. Schneller und einfacher Zugang zu allen Restaurationsflächen sollte gewährleistet sein, besonders bei Kindern und Patienten mit reduzierter Mundöffnung oder TMJ-Syndrom, und eine Einmalbelichtung sollte sogar bei großen Kavitäten ausreichen.

Die Erhöhung der Durchhärtetiefe darf dabei nicht allein durch eine Erhöhung der Transparenz erzielt werden (weniger Opazität = höhere Lichtdurchlässigkeit), da  eine zu hohe Transparenz die Ästhetik des Endergebnisses beeinträchtigen kann. Idealerweise sollte der Aushärteprozess durch die Verwendung neuer Fotoinitiatorsysteme oder eine Kombination von verschiedenen Foto-initiatoren optimiert werden. Die Verarbeitungszeit scheint der Durchhärtetiefe diametral entgegenzustehen – dies ist jedoch nicht der Fall. Durch den Einsatz von Retardern ist es möglich, die Lichtunempfindlichkeit zu erhöhen, wodurch die Verarbeitungszeit verlängert wird, ohne die Durchhärtung zu beeinträchtigen. Der dritte und letzte Faktor, der eine bedeutende Rolle spielt, ist der Schrumpfungsstress. Wie schon oben angeführt, kann ein fließfähiges Material diese Erwartungen nicht erfüllen, da sein Volumensschrumpf im Vergleich zu jenem eines Universalcomposites viel höher ist. Ein Volumensschrumpf von 2% wird generell als Obergrenze angesehen. Fließfähige Materialien kommen jedoch nicht unter 3 bis 3,5%, selbst wenn sie sehr große Füllerpartikel enthalten (sie reduzieren die Schrumpfung, wirken sich aber, wie oben schon erwähnt, nachteilig auf Oberflächenrauigkeit und Abrasion aus). Ein optimales Bulk-Composite ist daher ein Universalcomposite mit schon reduziertem Schrumpf (und zusätzlichen Verbesserungen und Modifikationen). Das ist bei Tetric EvoCeram Bulk Fill der Fall. Die Durchhärtetiefe wurde nicht nur durch die Erhöhung der Transluzenz ­gesteigert, sondern auch durch die Verwendung eines neuen Fotoinitiators im Blaulichtspektrum. Dieser Fotoinitator hat die Wirkung eines Polymerisation-Boosters. Zusätzlich ist die Verarbeitungszeit durch den Zusatz eines Licht-Controllers verlängert und der Volumenschrumpf wurde auf unter 2% reduziert. Außerdem wird der Schrumpfungsstress durch einen Schrumpfungsstress-Relaxator kontrolliert: Es handelt sich also um ein wahres „Bulk-Composite“.

Ein weiterer relevanter Faktor sind die Lichtleiter des neuen Polymerisations-gerätes. Durch ihren Durchmesser von 10 mm können sogar große, mit Tetric EvoCeram Bulk Fill gefüllte MOD-Kavitäten in einem Schritt lichtgehärtet werden. Dank der gekürzten Spitze nach der Biegung sind auch Seitenzähne von Kindern oder Patienten mit reduzierter Mundöffnung gut zu erreichen.

Klinischer Fall

Eine 28-jährige Patientin wurde in unserer Praxis vorstellig, da sie mit ihren schnell schlechter werdenden Compositefüllungen in Zahn 36 und 37 unzufrieden war. Die klinische Untersuchung ergab Randverfärbungen und eine übermäßige Transparenz der bestehenden Füllungen (Abb. 1). Nach der Entfernung des Composites wurde klar, dass ein Zinkoxid-Eugenol-Zement als Unterfüllung verwendet worden war (Abb. 2). Damit kommen wir wieder auf die anfangs erwähnten grundlegenden Überzeugungen zurück. Diese Technik wird angewendet, um die Compositemenge bzw. Schichtdicke zu verringern und ein Bulk-Composite anwenden zu können, oder, wenn dies nicht gewünscht wird, zumindest den Schrumpfungsstress zu reduzieren. Zinkoxid-Eugenol-Zemente sind jedoch kein ideales Unterfüllungsmaterial, da Eugenol die Polymerisation negativ beeinflusst. Ein Kofferdam (OptraDam) wurde gelegt. Nach der vollständigen Kariesexkavation (Abb. 3a) wurden die Kavitätenränder mit einem 20-µm-Bohrer finiert (Abb. 3b). Ein selbstätzendes Bond wurde appliziert (Abb. 4), das Lösungsmittel verdampft und das Bond lichtgehärtet. Anschließend wurde ein fließfähiges Composite (Tetric EvoFlow) als erste Schicht eingebracht (Abb. 5). Dann erfolgte die Applikation von Tetric EvoCeram Bulk Fill in einem Schritt (Abb. 6). Das Material wurde an die Kavitätenwände in Richtung der Höckerabhänge adaptiert und 10 Sekunden lichtgehärtet (Abb. 7). In den Abbildungen 7 und 8 ist der Vorteil des Lichtleiters mit verkürztem Hals nach der Biegung deutlich erkennbar. Die Abbildungen 7a und 7b zeigen die von vielen Herstellern verwendeten konventionellen Lichtleiter; die neuen 10-mm-Lichtleiter der neuen, ergonomischen Bluephase Style von Ivoclar Vivadent sind in den Abbildungen 8a und 8b dargestellt. Zahn 37 war einfacher zu erreichen, eine vollständige Mundöffnung war nicht nötig und zusätzlicher Stress für die TMJ wurde vermieden. In Abbildung 9 ist das Endresultat bei der Kontrolle nach drei Monaten zu sehen.

Autor: Dr. Eduardo Mahn

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